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Architectura: Zeitschrift für Geschichte und Aesthetik der Baukunst — 1.1933 [ISSN 2365-4775]

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Nr. 5
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Pfitzner, Carlheinz: Studien zur Verwendung des Schwibbogensystems unter besonderer Berücksichtigung der Abteikirche von Jumièges
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https://doi.org/10.11588/diglit.19241#0188

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In der Tat läßt sich der Stützenwechsel ge-
sichert erst in Verbindung mit Schwibbogen
über dem Mittelschiff nachweisen, (es wird noch
die Rede davon sein) während es keine festen
Belege dafür gibt, daß hier schon die Kirchen
mit solchen Bögen in den Seitenschiffen Stützen-
wechsel besaßen. Vielmehr scheint jeder Pfei-
ler durch einen Bogen mit der Seitenschiffs-
wand verbunden gewesen zu sein. Für S. Eu-
storigo ist diese Anordnung gesichert1), für
S. Sofia in Padua wenigstens wahrscheinlich.
Naich Kingsley Porter hatte auch der frühroma-
nische sog. Coro vecchio von Sagra San Michele
Querbögen von jedem Pfeiler aus").

Mit großer Wahrscheinlichkeit darf man an-
nehmen, daß diese Verwendungsart von über-
mauerten Bögen im frühen 11. Jahrh. in der
Lombardei allgemeiner verbreitet gewesen ist,.
Ziemlich gleichzeitig tritt sie auch in der lle de
France und in Burgund auf.

So haben in der 1005 gegründeten Kirche S.
Remy in Reims Querbögen in den Seitenschiffen
die Fußböden von Emporen getragen, wie L.
Demaison feststellen konnte3). Horizontal iiber-
mauerte Bögen als Emporenträger hatte auch
die noch aus dem endenden 10. Jahrh. stam-
mende Kirche von Montier-en-Der; auch hierin
also eine unmittelbare Vorstufe für die Reimser
Kirche'). Während hier also den Querbögen
noch eine besondere Aufgabe zufiel, scheinen
sie in den Seitenschiffen von S. Germain des
Pres in Paris lediglich zur inneren Verstrebung
benutzt worden zu sein5). Die heutige Kirche
geht auf einen frühromanischen Bau zurück,
der unter Abt Morard (990—1014) entstand.
Die Pfeiler zeigen eine sehr fortschrittliche
Form; dem quadratischen Kern waren vier halb-
runde Säulen vorgelegt, von denen die zum Mit-
telschiff gewandte Säule bis in den Dachstuhl
stieg. Die Seitenschiffe waren durch Wand-
dienste gegliedert, die mit den ihnen entspre-

Vgl. auch Frankl, a.a.O. S. 44.

-) Kingsley P., Bd. 3, S. 335, S. 348. Der Bau um 1002
zu datieren. (Kingsley P., S. 339, n. 4.)
s) L. Demaison in Congr. arcli. 1911, Bd. 1, S. 57 f., S. 72.
Nach E. Gall, Gotische Bauk. i. Frankr. u. Deutsehl. 1925
hatten auch die Emporen Schwibbogen (S. 110). Belege
dafür sind uns bekannt.

*) Choisy, Histoire de l'Arch. Bd. 2, S. 190. Deshoullieres,
au debut de l'art roman. Paris 1929, S. 12 f. Für Be-
ziehungen zu Reims Dehio u. v. Bezold Taf. 86, 1 u. 6.
P. O. Rave, der Emporenbau i. roman. u. frühgot. Zeit.
Bonn 1924, S. 44 f.

") Lefevre Pontalis in Congr. arch., de Paris 1919,
S. 301 f., S. 334. PI. S. 324,

chenden Pfeilervorlagen durch Bögen verbun-
den waren1)-

Ziemlich gleichzeitig läßt sich das Querbogen-
system auch in den Seitenschiffen der Willi-
brordikirche in Echternach, die 1016 gegründet
wurde, nachweisen, wo die heutigen spitzbogigen
Gurte zwischen den Gewölben der Seitenschiffe,
die im 13. Jahrh. eingezogen wurden, höchst-
wahrscheinlich romanische Rundbögen verdrängt
haben2). Die Wandvorlagen, in wechselnden
Schichten von rotem und gelbem Sandstein, sind
mauerverbunden; sie springen 15 cm vor und
sind 80 cm breit und entsprechen den Vorlagen
an den ebenso gemauerten, zweifellos ursprüng-
lichen Pfeilern, mit denen sie in dem 1031 ge-
weihten Bau gewiß durch Bögen verbunden
waren3). Hier zum erstenmal tritt das Quer-
bogensystem in den Seitenschiffen mit Stützen-
wechsel auf4), während Querbögen nur von jeder
zweiten Stütze, ohne Stützenwechsel hervorzu-
rufen, höchstwahrscheinlich die Apostelkirche in
Köln in ihrem 1036 geweihten Zustande besaß,
wofür Frankl überzeugende Gründe anführt")-

In Burgund und der lle de France scheint das Quer-
bogensystem in dieser frühen Zeit auch häufiger vorge-
kommen zu sein, da es sich auch später vielfach i. d.
Seitenschiffen kleiner Landkirchen findet, in denen
dieses einfachste Mittel, dem holzgedeckten Bau mehr
Festigkeit zu geben, weiterlebte, als die gänzliche Ein-
wölbung großer Kirchenräume schon längst kein Pro-
blem mehr war. Entwicklungsgesch. sind diese kl. Bauten
also auf der Stufe d. frühen 11. Jahrh. stehengeblieben,
Da sich in ihnen die Dachkonstruktion meistens in der
alten Form erhalten hat, bietet sie einen guten Ersatz
für das, was uns an Belegen f. diese Zeit verlorenging.
Wie S. Germain des Pres hatte Morienval i. 11. Jahrh.
Schwibbögcn i. d. Seitenschiffen. (Bull. mon. 1908,
S. 477, Abb. S. 480 f. Deshoullieres, a. a. 0. S. 94. Congr.
arch. 1919, 334.) Erhalten ist das System in Cerny en
Laonnais, um 1100. (Bull. mon. 1910, S. 446, Abb. Grdr.
S. 488.) Ferner in Trucy en Laonnais. (Congr. arch.
1911, 2, S. 115 f.) Weitere Bspl. i. Congr. arch. 1911, 1,
S. 246, 364, 383, 399, 405, vgl. auch Lefevre P. i. Congr.
arch. 1919, S. 334, n. 1.

=) W. Staud. Die Willibrordikirche in Echtcrnach. Diss.
Freiburg/Schw. 1922, S. 166. Ges. Ausg. Luxemburg 1923.
") Staud, a.a.O. S. 166, S. 191. Effmarin, a.a.O. Bd.],
S. 149, n. 2.

?) Der Wechsel von Pfeiler u. Säule weist in Echternach
auf einen niederrh. Eiufluß. Ganz ähnlich tritt er i. d
995 begonnenen Luciuskirche in Werden auf, ferner in
Zyfflich und im limburgischen Susteren. In den letzten
beiden Kirchen sind, wie in Echternach, die Pfeiler
unter sieh durch Blendarkaden verbunden, ein Motiv,
das schon im Eporengeschoß der 943 geweihten Peters-
kirche zu Werden vorkommt.

5) P. Frankl, Rekonstruktion v. S. Aposteln, Köln, Wal-
raff-Richartz-Jalirbuch 1930, S. 1 f. Durch nichts ist aber
Frankls Annahme belegt, daß jeder 2. Pfeiler kreuz-
förmig war, d.h. auch zum Mschff. eine Vorlage hatte.
(A. a. 0. S. 2, Abb. 3.)

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