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Architectura: Zeitschrift für Geschichte und Aesthetik der Baukunst — 1.1933 [ISSN 2365-4775]

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Nr. 5
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Pfitzner, Carlheinz: Studien zur Verwendung des Schwibbogensystems unter besonderer Berücksichtigung der Abteikirche von Jumièges
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Kletzl, Otto: Das Frühwerk Ulrichs von Ensingen
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https://doi.org/10.11588/diglit.19241#0192

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übermauert sind, und die liier zweifellos den
Zweck haben, die Pfeiler des Mittelschiffs zu
verstreben. Eine außerordentlich wichtige Syn-
these von Gewölbe- und Querbogensystem voll-
zieht sich hier. Durch die Einwölbung des Mit-
telschiffs in Durham, wie gleichzeitig und später
in den meisten anderen normannischen Kirchen,
wird das Querbogensystem gleichsam aus dem
Innenraum gedrängt. Es verschwindet nicht
ganz, denn in der normännischen Baukunst wird
seine verstrebende Bedeutung für Gewölbekon-
struktionen noch erkannt und ausgewertet. Nur
rein formal macht das System noch eine Ände-
rung durch, die sich der neuen Aufgabe besser
anpaßt. Gleich derselbe Bau, Durham, zeigt den
Weg dieser Abwandlung. Als das Mittelschiff
zwischen 1128—1133 seine Gewölbe bekam, wur-
den die halbkreisförmigen Strebebögen, wie sie
in den Choremporen benutzt worden waren, auf
ihre konstruktiv notwendigen Teile reduziert;
sie wurden in den Emporen des Langhauses auf
die konstruktiv knappste Form gebracht, die
einem Viertelbogen entspricht. In dieser verän-

derten Form treten Querbögen als versteckte
Strebebögen zur selben Zeit, wahrscheinlich schon
früher, unter den Seitenschiffsdächern der S- Tri-
nite in Caen auf, die ihre Gewölbe in den ersten
zwei Jahrzehnten des 12. Jahrh. erhielt1).
So hatte die normannische Architektur zu An-
fang des 12. Jahrh. schon ein richtiges Strebe-
system ausgebildet, das xmi die Milte des Jahr-
hunderts, zugleich mit anderen normännischen
Formelementen in die Baukunst der Ile de
France einmündet. In dieser Form und Ver-
wendungsart bildet es eine Hauptquelle für den
hier weiter ausgebildeten, nun frei sichtbar wer-
denden Strebebogen, der nun aber nicht, wie
das Schwibbogensystem, an bestimmte Bau-
schulen gebunden bleibt, sondern in den näch-
sten Jahrhunderten die gesamte abendländische
Baukunst beherrscht.

*) Abb. i. Congr. areh. 1919, S. 375. (Lefevre Pontalis,
L'origine des arcs boutants.) Ebenfalls }. S. Gabriel.
(Ruprich Robert, a. a. 0. S. 78.) In England wurden sie
um 1120 i. d. Kathedrale v. Norwich verwendet. (Glasen,
a. a. O. S. 79 u. in Winchester, Escher, S. 109.)

DAS FRÜHWERK ULRICHS VON ENSINGEN

Von Otto Kletzl, Marburg

I.

Am 17. Juni 1392 wurde von dem Rate der
Stadt Ulm „mit dem erbern man maister Ulri-
chen von Ensingen" ein Vertrag geschlossen,
kraft dessen „er des Werkes zu unser frowen
kirchen der niiwen pharre hie zu Ulme getrüwer
maister vssrichter vnd Verweser sin soll fiinff
gantzer iar . ..". Daß Meister Ulrich aber im
Jahre vorher ein bekannter, ja ein schon be-
rühmt gewordener Baumeister gewesen ist, der
in Ensingen lebte, beweist folgende Eintragung
in den Protokollen der Bauverwaltung des Do-
mes von Mailand: „1391. Die Dominico 16. Julii
in Consilio Fabricae. Affirmaverunt litteras heri
scriptas parte deputatorum dictae Fabricae Ma-
gistro Ulricho de Ensingen Inzignerio in Ensin-
gen Allemaniae cum deliberatione aliquorum
dominorum super liiteris ipsis annotatorum, sci-
licet quod dictus Magister Ulrichus Mediolatium
venire velit pro inzignerio dictae fabricae, quia,
si erit ydoneus et sujfitiens et concordabitur cum
dicta fabrica, bene quidem, sin autem, per dic-
tum fabricam. expensas, quas fecit et passus fuit

in veniendo Mediolanum dicta occasione, stando
et inde redeundo, et hoc attento firma, quam
dictus magister Ulrichus habet"1). Schon im
Sommer 1391 also muß Ulrich von Ensingen, der
damals, wie Carstanjen auch aus dem Meister-
titel schloß, wenigstens ungefähr dreißig Jahre
alt gewesen sein muß, schon soviel als selbstän-
diger Architekt geleistet haben, daß ein so
ehrender Ruf an eine der größten Bauhütten im
Europa der Gotik erfolgen konnte.

Ulrich hatte sich zwar 1391 bereit erklärt, zu-
nächst einmal probeweise nach Mailand zu kom-
men, auch hatte die dortige Dombauverwaltung
seine Bedingungen schon genehmigt. Gleich-
zeitig oder kurz nachher muß Ulrich jedoch
schon mit dem Rate von Ulm verhandelt haben;
da ihm hier größere Gewähr für eine selbstän-

') Der Vertrag von 1392 als Nr. 2 der Urkunden hei
F. Carstanjen, Ulrich von Ensingen, ein Beitrag z. Gesch.
d. Gotik in Deutschland; München 1893. Das Protokoll
von 1391 im 1. Bd. der Annali della Fabbrica del Duomo
di Milano. Ebda. 1877. Die Formel ,,maister . . . uss-
lichter, Verweser" auch in einem älteren Rechtssatz von
Ulm (Rotes Buch, Art. 322)).

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