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Architectura: Zeitschrift für Geschichte und Aesthetik der Baukunst — 1.1933 [ISSN 2365-4775]

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Nr. 5
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Kletzl, Otto: Das Frühwerk Ulrichs von Ensingen
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https://doi.org/10.11588/diglit.19241#0200
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übernimmt dieses Amt sein Zweitältester und
fraglos begabtester Sohn Matthäus, der seit 1420
in Bern den Bau des neuen Münsters leitet. Ul-
richs ältester Sohn brachte es nur zum Parlier
seines Schwagers Hans Kun in Ulm und starb
zwischen 1429 und 30.

Merkwürdig, daß die seit Pfaff als ganz sicher
geltende Beteiligung Ulrichs am Bau der Frauen-
kirche in Eßlingen, die sich doch nur auf die
Erwähnung der Familie des Baumeisters in den
Steuerlisten der Stadt hat stützen können, nicht
auch belegt wurde durch ein Schreiben des Eß-
linger Rates nach Bern an Matthäus Ensinger,
vom Jahre 1439'). In diesem Schreiben findet
sich die Wendung: „wen nun desselb Werck
unser lieben Frowen von uwerm lieben Vatter
säligen und von iich bizher versehen ist wor-
den . . Freilich hätte auch aus diesem Hin-
weise nicht geschlossen werden können, daß in
der Reihe von Ulrichs Meister-Bauten Eßlingen
zunächst vor Ulm anzusetzen ist.
Die Steuerlisten Eßlingens aus der hier inter-
essierenden Zeit geben aber noch weiteren Er-
trag: Aus Namen von Bauhandwerkern, die da
in den sechziger und siebziger Jahren auftreten,
kann auch auf die Zusammensetzung der Bau-
hütte an der Frauenkirche geschlossen werden.
Ungefähr 1360 und 62 erscheint da ein Ciegler,
bzw. Ziegler murer de Vlma; 1365 und in fol-
genden Jahren: C. Haller murer, Hans Gysiingen
murer, H(ans) murer de Rotivil. 1366 und 68
Hans Murer de Gemünde, B. murer de Mosbach;
1377 Claus de Rotwil murer; 1382—83 Eberhard
(Eberlin) murer de Rutlingen. Der Hans Murer
de Gemünde weist auf eine Verbindung mit der
mütterlichen Bauhütte der Parier in Schw.-
Gmünd, die auch durch den Befund an Stein-
metzzeichen noch wird ergänzt werden können.
Der hier erscheinende Hans Murer hat zu jenen
Steinmetzen gehört, die als gebürtige Gmünder
an den ersten Arbeiten des bedeutungsvollen
Chor-Neubaues der Hl. Kreuzkirche Anteil ha-
ben. Ähnlich jener Henselin Gossolt von Ge-
münde, der bald nach 1351 am Neubau des
Chores vom Münster in Freiburg/Br. auftritt;
eines Neubaues der bekanntlich auch unter
der Leitung eines Parier stand (Johann III).
Der Name des Ulmer Gesellen Ziegler zeigt die
durch das Vorwiegen des Backsteinbaues im
Ulmer Gebiet sich ergebenden Folgerungen auch
für die Namensbildung der Bauleute. Ein wei-
*) Durch Haßler in den schon zit. Urkunden . . . S. 105.

terer Beitrag zu dem Thema „Parier-Parlier"
und auch ein Beweis dafür, daß der Bezeichnung
Murer nicht jene primäre Beziehung zur Back-
steintechnik innewohnt, die sie im heutigen
Sprachgebrauche hat.

Interessant ist das Auftreten der zwei Rottweiler
Steinmetzen von 1365 ff. und 1377 deshalb, weil es sich
mit dem Nachweis der stilistischen Herkunft des Relief-
schmuckes im Tympanon des Südostportales der Frauen-
kirche zusammenbringen läßt. Hartmann hat hier ein
ganz enges Verhältnis zum Prophetenmeister des Rott-
weiler Kapellenturmes aufgezeigt, gleichzeitig aber
auch darauf hingewiesen, daß in Eßlingen nicht der
Prophetenmeister selbst, sondern nur ein Nachahmer
von ihm gearbeitet haben kann. Die von Hartmann
vorgeschlagene Datierung: „frühestens nach 1340"1)
wird man auch darum zugunsten der Jahre nach 1365
korrigieren können, weil die Daten der Baugeschichte
dazu auffordern. Es ist schon gesagt worden, daß die
untere Grenze jener ersten Bauperiode des Langhauses,
zu der auch das Südostportal gehört, nicht mit 1360,
sondern fünf bis zehn Jahre später anzusetzen ist. Es
ist daher nicht unmöglich, daß insbesondere jener
Hans von Rotwil, der ab 1365 einige Jahre in
Eßlingen tätig war, die Tympanonreliefs im Südost-
portal der Frauenkirche geschaffen hat. Wir würden
damit auch für den wichtigen Kreis der Rottweiler
Bildhauerkunst den ersten Namen gewinnen. In das
vierte Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts wird ein Weih-
nachtsrelief aus der Schloßkapelle von Liebenfels am
Bodensee versetzt, in dem Futterer enge Übereinstim-
mung mit der entsprechenden Komposition im bespro-
chenen Tympanon von Eßlingen sieht2). Diese, zudem
stilistisch nicht unterbaute Beziehung ist jedoch derart
lose, daß sich daraus kein Einwand gegen die hier vor-
geschlagene Datierung ergibt. Ein Gegensatz zu ihr und
zu Hartmanns Ansicht ergibt sich jedoch aus dem Ur-
teil Beenkens, der in diesen Eßlinger Reliefs „ein Früh-
werk im Stil des Apostelmeisters" sieht, „das vor
allen seinen Rottweilcr Arbeiten entstanden sein muß",
woraus sich für B. eine Datierung „v o r 1340" ergibt 3).
Hier handelt es sich vor allem um die Ansetzung vor
den entsprechenden Arbeiten in Rottweil. Sie steht, an
sich schon mit wenig überzeugenden Gründen belegt, in
Widerspruch mit den hier gegebenen Daten der Bau-
geschichte. Auch ist das Maßwerk im Wimperggiebel
nicht nur später als dasjenige im westlichen Blendgiebel
des ersten Stockwerks vom Rottweiler Kapellenturm,
sondern auch deutlich entwickelter gegenüber dem, zwi-
schen 1340 und 50 entstandenen Giebel über dem West-
portal in Schw.-Gmünd. Mit dem Auftreten von Spät-
lingen einer einmal führenden Werkstatt muß immer
gerechnet werden; damit auch mit der Begrenztheit des
Begriffes der „kunsthistorischen Zeit".

In Reutlingen, woher 1382/83 der murer Eberhard oder
Eberlin stammte, hat seit der Jahrhundertmitte keine
größere Bauhütte mehr bestanden.

II.

Wenden wir uns nun auf Grund der neuen Nach-
richten über Ulrichs frühe Tätigkeit den Bauten

1) P. Hartmann, Die gotische Monumental-Plastik in
Schwaben. München 1910, S. 34—36 und Taf. 10/b.

2) J. Futterer, Gotische Bildwerke der deutschen Schweiz,
1220—1440. Augsburg 1930, S. 93 u, Abb. 149.

3) H. Beenken, Bildhauer des 14. Jahrh. am Rhein und
in Schwaben. Leipzig 1927, S. 196—98.

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