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Architectura: Zeitschrift für Geschichte und Aesthetik der Baukunst — 1.1933 [ISSN 2365-4775]

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Nr. 5
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Kletzl, Otto: Das Frühwerk Ulrichs von Ensingen
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https://doi.org/10.11588/diglit.19241#0202

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Peter von Konstanz. Er entstand um 1500. Be-
sondere Beziehungen bestehen zur Stiftskirche
von Tübingen, deren pseudobasilikale Halle
nach 1470 entstand. Das Nürtinger Langhaus,
dem sehr weit gespannte Arkaden saalhafte Ein-
heitlichkeit sichern, wurde 1895/96 mit neuen
Kreuzgewölben versehen. Den schlicht acht-
eckigen Pfeilern sind in der Nord-Süd-Richtung
je ein Paar derbrunder Dienste vorgelegt. Solch
derbe Dienste waren schon für die schwäbische
Gotik des 14. J ahrh. kennzeichnend. Die Ähn-
lichkeit freilich des inneren Aufbaues mit dem
des Langhauses der Stiftskirche von Herrenberg
(untere Teile 1328) erklärt sich durch den, nach
1464 durchgeführten Einbau von Arkaden. Den-
noch könnte das Langhaus der Nürtinger Haupt-
kirche mit seinem sehr hohen, dreiseits frei vor-
tretenden Westturm, dessen Erdgeschoß die Ein-
gangshalle bildet, auf eine Anlage des späteren
14. Jahrh. zurückgehen. Wird doch selbst auf ein
Triangulierungssystem hingewiesen werden kön-
nen, das ganz ähnlich auch beim Bau der Eß-
linger Frauenkirche angewendet worden ist.
Sicheres läßt sich hier aber nicht sagen.
Die Daten Egles für den Neubau der Frauen-
Kapellkirche in Eßlingen müssen darum in der
schon oben S. 176 angedeuteten Weise berichtigt
werden, weil Egle die Nachrichten über die
Altarstiftungen nicht richtig bewertet hat. Zwi-
schen Stiftung (legavit), Errichtung (construxit,
erexit) und Weihung (consecravit) von Altären
muß unterschieden werden. Die Stiftung erfolgte
meist schon erhebliche Zeit bevor der betreffen-
de Bauteil fertig war und die Errichtung läßt
noch nicht mit Sicherheit darauf schließen, daß
in diesem Bauteil schon Gottesdienst möglich
war; diese Sicherheit gibt erst das consecravit
der Quellen1). Mehrfach ist daher bei den Eß-
linger Altarnachrichten davon die Rede, daß die
gestiftete Meßpfründe auf einen älteren Altar
gelesen werden solle, bis der neue gebaut und
geweiht sei. (Eßl. Urk.-Buch, 2. Bd., Nr. 1900
u. 1956.) Auch Egles Vorschlag für die Vertei-
lung der Altäre kann deshalb nicht ganz über-
nommen werden2); darüber noch später. Die
Vollendung des Chores, der erst nach 1321 be-
gonnen worden sein kann, bis zur Galeriezone
muß sich bis ungefähr 1350 hingezogen haben;
in diesem Jahre wurde der dritte Choraltar zu

1) Vgl. 0. Kletzl, Zur künstlerischen Ausstattung des
Veitsdomes (zu Prag) in vorhussitischer Zeit. Germanos-
lavica, I., Jg. 1931/32, S. 247 ff.

-') Fig. 2 der Textbeilage, J. v. Egle, a. a. 0.

Ehren der zwölf Apostel erst gestiftet und zwei
Jahre später konnten auf diesem „vordersten
Altar" auch Messen gelesen werden. (Eßl. Urk.-
Buch I, Nr. 908, 929 u. 970.) Dann verursachte
der Abbruch der auf dem Platz des östlichen
Langhauses stehenden alten Kapelle eine Stok-
kung von mehreren Jahren. Es hatte, wie schon
oben bemerkt, seinen guten Grund, daß diese bis
zur Kultfähigkeit des Chores an Stelle etwa des
zweiten und dritten Joches vom heutigen Lang-
hause stehengeblieben war. Daß das Chor in den
ersten Jahren nach 1350 als selbständige Kirche
benützt wurde, demnach durch eine Notwand
gegen Westen abgeschlossen gewesen sein muß,
beweist auch die einfache, heute vermauerte
Türe in dessen Nordwestecke. Daß in diesem
ersten Bauabschnitt schon der Entschluß gefaßt
worden war, das Langhaus als reinen Hallenbau
auszuführen, zeigen jene bis zur Höhe des
Hauptgesimses vom Sockel her durchgehenden
Fugen an, die sich im Quadermauerwerk sowohl
des nördlichen, als auch des südlichen Ansatzes
der östlichen Langhausmauer an das Chor be-
finden. Schon Egle erkannte ihre Wichtigkeit;
im Querschnitt auf Taf. 21 seines Werkes hat
er sie denn auch im Zustande vor seiner Re-
staurierung eingezeichnet. In der Aufnahme des
Chores durch den Architekten Beißbarth aus
der Zeit vor 1856 ist die Fuge der Südseite nur
teilweise sichtbar1). Eine photographische Auf-
nahme aus den Siebziger jähren zeigt deutlich
jenen Wechsel in der Behandlung der Quadern,
der durch die Restaurierung verwischt worden
ist (Taf. 36a und 39 a). Egle wies auch nach,
daß die am Chor anstehenden Langhausteile im
Verband stehen mit dem Chormauerwerk, daß
auch das Gewölbe des Chores vor Beginn der
ersten Bauperiode des Langhauses vollendet ge-
wesen sein muß2). Die Fugen können daher
weder von den Erdbeben der Jahre 1519—35),
noch von jenen ungünstigen Wirkungen des
quellendurchsetzten Berghanges herrühren, die
heute noch an den starken Durchbiegungen
der Mittelschiffspfeiler erkennbar sind1).

1) C. Beißbarth gab 1856 in Stuttgart als 6. Heft zu
G. Heideloffs, Die Kunst des Mittelalters in Schwaben,
Bauaufnahmen aus Eßlingen heraus.

-') Vgl. auch J. v. Egle, Zur Baugeschiclite der Eßlinger
Frauenkirche. Deutsche Bauztg., 20. Jg. 1886, S. 122 ff.
3) Dionysius Dreytweins Eßlingische Chronik, 1548—61.
Hrsg. v. A. Diehl, Tübingen 1901, S. 14: „1519 kam ein
großer erdbiden, das alle husser zeyttertenn in Eß-
lingenn an santt Felix tag."

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