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Architectura: Zeitschrift für Geschichte und Aesthetik der Baukunst — 1.1933 [ISSN 2365-4775]

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Nr. 5
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Kletzl, Otto: Das Frühwerk Ulrichs von Ensingen
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https://doi.org/10.11588/diglit.19241#0212

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ster Hans Kurz, der als Balier und der Stadt
Werkmann von 1411—31 in Eßlingen nachweis-
bar ist, kann Ulrich erst während seiner Straß-
burger Zeit in Eßlingen vertreten haben. Mei-
ster Hans Hülin, der 1424 ausdrücklich als
Balier der Frauenkapellkirche genannt wird,
unterstand schon dem damals bereits ständig in
Bern lebenden Matthäus Ensinger.

Für Eßlingen, wo Ulrich als Meister erst un-
gefähr drei J ahre tätig gewesen sein kann, als er
sich entschloß, die Berufung nach Ulm anzuneh-
men, haben wir für den Sommer 1412 eine Er-
wähnung der „neuen großen Türe". Damit kann
nur das Südwestportal gemeint sein; was Egle
dazu verführte, diese Nachricht auf das bedeu-
tend kleinere Georgsportal zu beziehen, ist nicht
verständlich1). Nicht nur der Abbruch des
Hauses, das dem Fortbau des Langhauses im
Wege stand, auch die Fassung, das Ableiten der
Quelle, die den Dominikanern gehörte und bei
eben diesem Hause zutage trat, sowie die Fun-
dierungsarbeiten für den Westturm müssen ge-
raume Zeit in Anspruch genommen haben. Erst
1408 erfolgt denn auch der endgültige Beschluß
des Rates wegen der Neufassung der Quelle im
Nordwestteil der Kirche, über der das Haus
Konrads des Husers stand. Sie wurde nun quer
unter dem Langhaus weg gegen das Siidostportal
geleitet. Am 18. Mai 1409 erfolgte die Stiftung
einer Pfründe auf den Dreifaltigkeitsaltar, der
in dem niuwen buw by der niuweii ture ze
nechste nach dem altare, der hinder der vordren
ture lyt, gebuwen ist . . . (Eßl. Urk. Buch II
Nr. 1900). Es kann also auch das Südwestportal
erst im aufgehenden 15. Jahrhundert vollendet
worden sein; die Datierung seiner Figuren wider-
spricht dem nicht.

Für Eßlingen und Ulm ergab sich also durch die
gemeinsame Oberleitung besonders in den Jah-
ren 1392—99 eine rege Wechselwirkung, die
auch das Auftreten des dreifach gestützten Drei-
passes im Ulmer Innenportal der Westvorhalle
und im Wimperg des Eßlinger Weltgerichts-
portales, die ähnliche Behandlung der Strebe-
pfeilerstirnen erklärt. Ulrichs Vorliebe für kräf-
tige Gedrungenheit, die schon bei der Profil-
gestaltung der Mittelschiffspfeiler für Eßlingen
kennbar geworden ist, zeigt sich bei diesen ver-
zierten Strebepfeilern durch das Beibehalten

*) J. v. Egle, Die Frauenkirche von Eßlingen . . . Text
S. 5. Vgl. dagegen auch P. Hartmann, a. a. 0. S. 150 unil
Nr. 1930 im 2. Bd. des Eßlinger Urkundenbuches.

der mit Kapitell und Basis versehenen Rund-
dienste an den Ecken. Auch dieses Motiv begeg-
net nicht nur an dem Eßlinger Weltgerichts-
portal, sondern auch an ungefähr gleichzeitig
entstandenen Langhaus-Pfeilern in Ulm. Das
Motiv geht wiederum auf die Parier zurück,
welche Ulrich ja durch die gemeinsame schwä-
bische Abstammung verbunden waren. Auch bei
einem Vergleich von Maßwerken der Ulrich-
Teile in Ulm und Eßlingen muß beachtet wer-
den, daß der Meister hier vielfach gleichzeitig
für beide Bauten entwarf.

Die Durchdringung des Mandorla- und Korb-
bogens erzwang für das Tympanon die Aufgabe
der überlieferten Dreiteilung der Weltgerichts-
Darstellung. Die Reihe der vermittelnden Apostel
blieb weg, dafür wurden noch die übergitterten
Archivolten zur Unterbringung von Posaunen-
engeln und Auferstehenden ausgenützt. Daß
Hartmann den Meister der Ulmer Stiftungstafel
mit demjenigen der Eßlinger Weltgerichtsszenen
zusammenstellte, wird durch den hier aufgezeig-
ten Zusammenhang nur glaubhafter. Die Pro-
portion des gleichseitigen Dreiecks bildet übri-
gens auch deutlich genug die Grundlage für den
Aufbau des Tympanonreliefs der Georgspforte.
Zur Weiterwirkung der eigenartigen Komposi-
tion des Südwestportales in der schwäbischen
Spätgotik nur zwei Beispiele: Das Südportal der
1485 durch Matthäus Böblinger erbauten, 1820
abgebrochenen Spitalskirche in Eßlingen und
die 1494 entstandene Apostelpforte an der von
Aberlin Jörg erbauten Stiftskirche in Stuttgart.
Aberlin Jörg hat ja auch beim Entwurf des
Chores der Stadtkirche von Schorndorf eine be-
deutende Leistung der älteren schwäbischen
Spätgotik wiederholt: Den Chor vom Hl. Kreuz
in Gmünd.

Abschließend ist noch einiges zur Westturm-
lösung an der Frauenkirche zu sagen. An ihrem
Entstehen haben nicht nur die besondere Lage
der Kirche und das Vorbild von St. Thomas in
Straßburg Anteil. Das Raumbedürfnis hatte für
Eßlingen schon die Wahl des Hallensystems, das
Hinausschieben der Seitenwände entlang der
Strebepfeiler mitbedingt. Um wieviel mehr
mußte da der Gewinn einer ganzen Jochdreiheit
im Westteil ins Gewicht fallen, wenn es möglich
ward, drei Seiten des Turmerdgeschosses bis auf
die Pfeiler herauszukonstruieren. Auf den Turm
durfte solch ein Repräsentationsbau nicht ver-
zichten, der Ausdehnung gegen Westen bot aber

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