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Architectura: Zeitschrift für Geschichte und Aesthetik der Baukunst — 1.1933 [ISSN 2365-4775]

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Nr. 6
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Sommer, Kurt: Die konstruktiven Grundlagen des Bogens in Dach und Giebel der alt-indischen Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.19241#0227

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nen Seifensteinrelief und auf dem Relief von
Mathura. Die Rundhütten der Reliefs aus dem
Gandharagebiet sind von anderer Bauart, ins-
besondere haben sie keinen derart betonten
Dachüberstand, und eine rundbogige Tür
schneidet in das Dach ein. Trotzdem kann auch
hier konstruktiv zwischen der aus senkrechten
Pfählen gebildeten Wand und dem wahrschein-
lich mit Gras oder Blättern bedeckten Dach
unterschieden werden: ein Gurt, der die oberen
Pfahlenden verbindet, betont die Trennungs-

linie zwischen beiden. Die Tür hat einen ge-
bogenen Rahmen und reicht ohne Schwelle bis
zum Erdboden. Ein Knauf, unter Verwendung
des Dachmaterials gebildet, hält das Dach oben
zusammen. Diese Hütten sind in ihren Ab-
messungen recht bescheiden, wenn man die
darin oder daneben abgebildeten Personen da-
gegen hält, obwohl dies ja keinem wirklichen
Maßstabe zu entsprechen braucht. Das be-
sondere Interesse, das sie liier erwecken, ver-
danken sie dem Umstände, daß sie die kon-
struktiv mit den primitivsten Mitteln her-
gestellte Bauform der Reliefs zu sein scheinen.
Das Baumaterial dieser Hütte aus der Gandhara-
gegend ist offensichlich Bambus oder Schilf, das
für die Wandbildung palisadenartig in die Erde
gesteckt und zu einer oberen Rundung zusam-
mengebogen wurde. Horizontale Bindung hält
die senkrechten Pfähle in ihrer Lage. Die Decke,
die gleichzeitig das Dach bildet, scheint in regel-
mäßigen Reihen mit Blattwerk oder Gras ge-
deckt und durch strickartige Gebilde in ihrer
Lage befestigt zu sein. Der „Knauf", den die
Hütten als obersten Abschluß aufweisen, ent-
steht durch das Zusammenbinden des bieg-
samen Materials und Überstülpen eines Gefäßes
oder Aufstecken eines Strohbündels, um dem

Regen das Eindringen zu verwehren1). Primi-
tive Völker in allen Erdteilen konstruieren noch
heute mit den einfachsten Mitteln Rundhütten
gleicher Form.

Die Konstruktionsmethoden, auf welchen die
Bautechniken des alten Indiens fußen, unter-
schieden sich also sehr wenig von der Art, in
welcher primitive Völker der Jetztzeit ihre Be-
hausungen herstellen. In erster Linie wird es
interessieren, die Reste urtümlicher Bevölke-
rung im heutigen Indien in dieser Richtung zu
untersuchen. Da es sich aber nicht um den Ver-
such handeln kann, die Urform altindischen
Wohnbaues heute noch irgendwo aufzufinden,
sondern lediglich um die Rückbildung vor-
gefundener entwickelter Formen auf ihre tech-
nischen Anfänge, kann auch die weitere Um-
gebung des Ursprungslandes herangezogen wer-
den.

An das Relief von Barahat erinnern die Votiv-
schreine der Vada-Fischerkaste (Taf. 44 d) in
Südindien an der südlichen Mahanadimündung,
die zwar lediglich sakrale Bestimmung haben
und in ganz kleinem Maßstabe in Ton bzw.
Backstein als Behausung eines Götterbildes aus-
geführt sind2).

Die Maliali im Shevaroygebirge — zwischen
Salem und Yerkad — bauen Wohnhäuser
und Tempel (Svamy), deren Charakter den
Rundhütten der Santschireliefs gleicht. Nach
den Zeichnungen, die wir Jagor verdan-
ken, sind es Rundhütten mit glatten Wän-
den, deren strohgedecktes Dach halbkugel-
förmig ist und mit aufgesetztem Knauf endigt
(Taf. 44 b). Die gleiche Rundform wird als
Kornspeicher gebraucht und steht dann erhöht
auf einem quadratischen Pfostenunterbau.

Geht man nun über Indiens Grenzen hinaus, um
weitere Vergleichswerte zu finden, insbesondere,
um zu zeigen, daß auch umfangreichere Auf-
gaben mit technisch einfachen Mitteln bewältigt
werden können, so möchte ich als ein Beispiel
unter vielen die Bauweise der Bewohner der
Insel Timor erwähnen. Sie bauen Rundhäuser
von ganz beträchtlichen Abmessungen, bei deren
Errichtung sie radial angeordnete Bambus-
sparren nach der Spitze des Hauses zusammen-

*) Vgl. in dieser Hinsicht die Dachdeckung der kegel-
förmigen Rundhütten der Toda mit aufgelegtem Stein
auf der Spige, unter dem in diesem besonderen Fall eine
Reliquie aufbewahrt wird.

2) Siehe Buschan, Das Leben der Völker, Bd.'2, S. 100.

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