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Architectura: Zeitschrift für Geschichte und Aesthetik der Baukunst — 1.1933 [ISSN 2365-4775]

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Nr. 6
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Sommer, Kurt: Die konstruktiven Grundlagen des Bogens in Dach und Giebel der alt-indischen Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.19241#0228

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biegen und durch horizontal gelegte Latten aus
ebenso biegsamem Material verbinden1). Die
Sparrenhölzer reichen nicht bis auf die Erde,
sondern werden an ihrem Fußende mit einem
stärkeren Rahmholz, das über einem niederen
Wandgerüst liegt, verbunden. Im Innern der
Rundung der Hütte befindet sich eine auf ein
besonderes Pfostengerüst aufgelagerte Platt-
form, deren wagerechte Hölzer durch Sparren
verbunden werden, so daß dadurch eine Teilung
des Baues in zwei Stockwerke entsteht. Der
eigentliche Wohnraum befindet sich zu ebener
Erde, der darüberliegende Raum, welcher als
Vorratsboden dient, gibt die Möglichkeit einer
Verankerung und Verspannung der Sparren und
wirkt einem Ausweichen derselben nach außen
entgegen. Das Dach endet in einer Spitze, die
mit Hilfe eines kurzen Stieles gebildet wird, der
allem Anschein nach dazu benutzt wird, die
Sparren des Daches und das Deckmaterial oben
zu befestigen. Ein durchgehender Mittelpfosten
ist nicht vorhanden. Die Konstruktion der
Dachhaut besteht also aus zwei sich kreuzenden
Hölzern, deren Zweckbestimmung der unserer
Sparren und Latten entspricht.
Ein Rundhauspfahlbau, der auf den Inseln
Kamorta, Kondul und Nankauri der Nikobaren
üblich ist, hat die gleiche Grundidee für die
Dachausbildung (Taf. 44 a)2). Das Haus besitzt
einen hölzernen Pfahlunterbau größerer Ab-
messung als bei den timoresischen Häusern
und hat einen Geschoßboden (Wohngeschoß)
zwischen den kreisförmig aufgestellten Pfosten
etwa in Zweidrittelhöhe derselben vom Erd-
boden3). Konstruktiv ist der Fußboden von dem
Haus unabhängig. Er wird durch eigene kürzere
Stiele getragen, braucht also erst eingefügt zu
werden, nachdem das übrige Hausgerüst fertig
ist. Er bildet zugleich die Verankerung gegen
seitliches Ausweichen der Pfosten, welche durch
die auf einem kreisförmig gebogenen Rahmen
(Bambus) aufliegenden Sparren nach außen
gedrückt werden könnten. Das Dach steht über
die Wandfläche vor und bildet so eine Traufe.
Die Wand zwischen den Pfosten, aus Flecht-
werk oder Brettern bestehend, reicht vom
Geschoßfußboden bis an das Dach. Unter dem
Fußboden ist die offene Pfostenstellung sicht-
bar. Der Raum zu ebener Erde zwischen den

1) Siehe Z. f. Anthropologie 1913, S.'149.

2) Siehe Kloß, In the Andamans and Nicobars, S. 98.

3) Siehe Intern. Archiv f. Ethnogr., S. 186.

Pfosten wird als Wohnraum nicht verwendet.
Die Dachsparren werden an der Hausspitze mit
einem Holz, das wir mit Klebestiel bezeichnen
würden, durch Bindung zusammengehalten und
durch zangenartig wirkende Querhölzer noch-
mals versteift. Auch die Vereinigung der übri-
gen Konstruktionsteile erfolgt durch Bindung.
Beim Bau wird provisorisch ein Mittelpfosten
verwendet, der in ganzer Länge vom Fußboden
bis zur Spitze des Hauses reicht und später ent-
fernt wird. Das Rundhaus ist ein Wohnhaus, im
Gegensatz zu den rechteckigen Küchenhäusern,
deren Querschnittlinie im übrigen mit der der
Rundhütten übereinstimmt.

Die technische Ausführung des Nikobaren-
hauses steht keineswegs auf der Höhe der
Bauten, die der Grotte von Dschunnar als Vor-
bild gedient haben müssen. Das Wesentliche ist
der Verlauf der Schnittlinie beider Bauten.
Zeichnet man unter Verzicht auf den Zwischen-
boden den Schnitt des Nikobarenrundhauses, so
erhält man buchstäblich den Querschnitt des
Kernes des Tschaitja von Dschunnar. Diese
Übereinstimmung soll nicht dahin gedeutet wer-
den, daß die Ursprünge des Dschunnartyps auf
den Nikobaren zu suchen seien — es gibt auch
anderswo, beispielsweise im Kassaigebiet Afri-
kas, ganz ähnliche Pfahlrundbauten — sie zeigt
lediglich die Richtung, in der die Entwicklung
dieses Rundtschaitjas sich bewegt haben mag.
Auch die obengenannten Nikobarenhäuser
haben schon eine Entwicklung durchlaufen, ehe
sie die jetzige Gestalt annahmen.

Weitaus mannigfaltiger wie die Rundform sind
auf den Reliefs von Barahat und Santschi die
auf dem rechteckigen Grundriß sich aufbauen-
den Häuser vertreten. Die Städtebilder und die
Abbildungen einzelner Häuser zeigen eine Fülle
von Variationen dieses Typs, vom einfachen
ebenerdigen Bauwerk bis zum mehrstöckigen
Palast. Alle haben die gleiche Querschnittform
des Daches und damit zusammenhängend den
geschwungenen Giebel über der Schmalseite des
Hauses. Dieses Überwiegen der Rechteckform
beschränkt sich nicht nur auf die bildhauer-
mäßigen, plastischen Darstellungen, es macht
sich ebenso bei den Grotten bemerkbar.
Ein einstöckiges, d. h. ebenerdiges Haus mit
massiven Wänden findet man auf den Reliefs
von Barahat (Taf. 42 a, b) und Amaravati. Es
hat ein gebogenes Dach mit ausgesprochen be-
tonter Firstlinie und (Taf. 42 b) deutlich rund-

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