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Architectura: Zeitschrift für Geschichte und Aesthetik der Baukunst — 1.1933 [ISSN 2365-4775]

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Nr. 6
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Ecke, Gustav: Zur Architektur der Landhäuser in den kaiserlichen Gärten von Jehol
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https://doi.org/10.11588/diglit.19241#0249

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hauses; eines Landhauses mandschurischer Kai-
ser freilich, die drüben in den Bergen „zu ihrer
Erfrischung auf Panther und Tiger jagten" (PZ,
p. 184).

Im Jahre 1930 fuhr ich nach Jehol, begierig,
diese kaiserlichen Landhäuser zu sehen, die ich
von den Landschaften der Sammlung Konrad
Anner her (siehe infra) so gut zu kennen glaubte.
Doch meine Erfahrung war tragisch wie das
Wiedersehen mit Coucy in der Schlacht bei
Folembray.

Immerhin gibt es für den Architekten noch viel
zu vermessen in Jehol. Wer aber einen lebendi-
gen Eindruck von diesem einzigartigen „Berg-
platz" haben will, lese Perzynskis geistvolle
Schilderungen, die zugleich ein tieferes Ver-
ständnis verraten für die Größe der Landschaft
und ihrer beiden männlichen Dichter-Kaiser.

II. Beiträge zur Terminologie

Boerschmanns grundlegende Ausführungen über die chi-
nesische Halle, über Gebälk, Säulen und Dachgestaltung
werden als bekannt vorausgesetzt (BO, Bd. I, pp. 19—28,
60—78).

In unserem Zusammenhange muß betont werden, daß
hier lediglich von dem hauptstädtischen Stil der Ch'ing-
Dynastie die Rede ist, dessen Verbreitungsgebiet be-
schränkt ist auf die nächste Umgebung von Peking so-
wie auf die kaiserlichen Staats- und Privatbauten bei
den Kaisergräbern und in Jehol. Man darf annehmen,
daß dieser Stil auch heute noch wahrer Träger der
klassischen Traditon ist, die vielleicht schon seit den
Anfängen der chinesischen Kultur, jedenfalls wohl aber
seit Ch'in-shih-huang, alle konstruktiven Änderungen
überstanden, durch alle Dynastien hindurch und mit
allen Verlegungen der Hauptstadt sich als ein unver-
gleichlicher Zauber von Einfachheit und Reinheit er-
halten hat. Natürlich konnte die Erhaltung dieser Tra-
dition nicht der Zunft überlassen bleiben, und so haben
wohl schon seit frühesten Zeiten staatlich redigierte
Handbücher mit genauen Bauvorschriften dafür gesorgt,
daß die Seele dieser Klassik, das Abgestimmtsein aller
Formen und Farben, aller stereometrischen Proportionen
und Beziehungen, nicht verloren ging (DM, pp. 221, 223
bis 225). Das „Ying Tsao Fa Shih", enthaltend die offi-
ziellen Bauregeln der Nördlichen Sung-Dynastie, ist
durch die Neuausgaben von 1920 (DM) und 1925 (YTi)
wieder bekannt geworden. Gedruckt erhalten ist außer-
dem noch das entsprechende Handbuch der verflossenen
Dynastie, in der Ausgabe von 1734. Den Titel „Kung Pu
Kung Ch'eng Tso Fa" übersetzt Demieville mit „Regle-
ment des travaux et methode des ouvrages du Ministere
des Travaux" (DM, p. 225); auf Taf. 48 u. Abb. 1
werden die in ihm vorkommenden Benennungen
durch das Symbol (K) bezeichnet. Eine weitere Quelle
für die architektonische Nomenklatur der Ch'ing-Dyna-
stie ist das „Suan Fang Tse Li", was man mit „Ver-
ordnungen der Veranschlagungs-Kammer" übersetzen
könnte; das Amt bestand bis zum Ende der Dynastie;
seine unersetzliche Sammlung handschriftlicher Verord-
nungen ging nach der Revolution in den Besitz des letz-
ten verantwortlichen Beamten über, der die Dokumente
jetzt nach und nach verschleudert; unser Symbol für Be-

zeichnungen aus diesen Verordnungen ist (S). Schließ-
lich wäre noch zu erwähnen das ebenfalls 1734 erschie-
nene „Ch'eng Yüan Tso Fa", eine Art von „Mauer-
kunde", welche zusammen mit dem genannten „Kung
Ch'eng Tso Fa" enthalten ist in der auf kaiserlichen
Befehl herausgegebenen Sammlung von Verordnungen
des Ministeriums für öffentliche Arbeiten „Ch'in-ting
Kung Pu Tse Li". Die Vorschriften und technischen
Ausdrücke dieser Handbücher und Verordnungen sind
auch heute noch den Zimmerleuten geläufig; mit ihrer
Hilfe kann man auch heute noch „richtig" konstruieren,
während das, was in keinem Handbuch niedergelegt ist,
rettungslos verloren scheint: die Kunst des Entwerfens;
doch darüber mehr in Teil III.

Die Bauten unserer Landhäuser gehören alle zum „Hsiao
Shih", d. h. zum „Kleinen Stil", im Gegensatz zum „Tien-
shih", dem „Staats-Stil" oder „Palast-Stil". Hier ist
nicht der Ort, die Unterschiede dieser beiden Unter-
arten des hauptstädtischen Stils zu entwickeln. Nur so
viel, daß im konstruktiven Aufbau des „Hsiao Shih" fast
völlig, bei seiner Anwendung innerhalb des Landhaus-
baus durchweg auf Konsolenverbände verzichtet wird.
Für den Fall unserer Gebäude im Landhaus-(Shan-
(•huang-lStil ergibt sich somit der denkbar einfachste
Typus des Pfosten- und Riegelbaus in seiner chinesi-
schen Eigenart, einer „im Holzbau hergestellten (dem
Sinne nach offenen) Säulenhalle". Diese wird, je nach
Bedarf, als „aedes in antis" durch seitliche Füllungs-
mauern (aber auch vorn und hinten) geschlossen in
einem nicht zum Tragen, sondern nur zum Füllen ge-
dachten Ziegelverband (HI, pp. 1, 17, 23, 33; Tf. II);
ebenfalls den praktischen oder ästhetischen Erforder-
nissen gemäß kann eine äußere vordere (Abb. 1, Typ B),
eine vordere und hintere (Tf. 47, Abb. 1, Typ A),
oder eine allseitig umlaufende Säulenstellung (Abb. 1,
Typ Ai) hinzugefügt werden. Auf die Einzelheiten des
Gesamtaufbaus kann hier nicht näher eingegangen wer-
den (vgl. HI, p.löff.); in den Darstellungen der Typen
A bis F auf Abb. 1 sind Aufbau und Verband nur sche-
matisch vereinfacht wiedergegeben (vgl. Tf. 47).
Die terminologische Unterscheidung der einzelnen Hal-
lentypen geschieht nicht nach dem System der Quer-,
sondern dem der Längsschiffe; freilich geht die Anzahl
der Längsschiffe bei dem „Hsiao Shih" über höchstens
drei (Abb. 1, Typ A) nicht hinaus, wobei die beiden
äußeren Schiffe noch gewöhnlich als offene Vorhallen
dienen und nicht von den umschließenden Füllungs-
mauern in den inneren Raum mit einbezogen werden.
Die Benennung der Typen erfolgt nach der Anzahl der
Pfetten, doch wird bei dem Namen des Typs das Vor-
handensein der äußeren Säulenstellungen besonders zum
Ausdruck gebracht. Mit eingeschlossen in den Namen
wird die First- und Giebelart der Halle. Für die Hallen
des Landhausstils kommt nur der runde First in Frage;
der feste Firststreifen wird im Shanchuangstil nur bei
Mauern verwendet. Zwei Giebelarten kommen bei den
Hallen vor, der gerade abfallende Giebel und der Zwerg-
giebel mit Pultdach. Das Walmdach wird nur bei den
Zentralbauten, den Lauben mit geviertförmigem oder
polygonem Grundriß angewandt. Nach den genannten
Quellen zur Terminologie ergeben sich nunmehr fol-
gende Benennungen für die Hallentypen unserer Land-
hausanlagen:

Abb. 1, Typ A, konsolenloser Pfosten- und Riegelbau mit
zweisäuligem Dach-Bindergerüst, Säulenstellung vorn
und hinten durch Stichbalken angegliedert, runder First
(siehe infra), Tf. 47.

„Pa Lin Hsieh-shan Chüan-p'eng Ch'ien-hou-lang"; pa liu
= 8 Pfetten, hsieh-shan = Zwerggiebel mit Pultdach,

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