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Architectura: Zeitschrift für Geschichte und Aesthetik der Baukunst — 1.1933 [ISSN 2365-4775]

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https://doi.org/10.11588/diglit.19241#0256

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bungen festgestellt; rechteckiger Chor, Krypta
mit höher gelegenen Seitenkapellen. Es ist ja
wahr, daß Kalfs Ausgrabungsergebnisse nicht
genügen, um die Anlage von „Kryptkapellen",
wie er sie nennt, einwandfrei zu belegen, aber
seine Rekonstruktion gewinnt doch an Wahr-
scheinlichkeit durch den Hinweis auf die gleich-
zeitigen und etwas späteren Anlagen der
S. Pieterskerk in Utrecht, der Lebuinuskirche
in Deventer und von S. Martin in Emmerich.
Jedenfalls wird sie von Van Nispens Einwand,
die von Kalf gefundenen Mauern seien als Fun-
damente der heutigen östlichen Querschiffs-
kapellen entstanden, nicht wesentlich erschüt-
tert. Daß der ursprünglich rechteckige geschlos-
sene Chor wahrscheinlich schon um 1100 ver-
kürzt und durch einen halbrunden Abschluß
ersetzt wurde, und daß dieser im endenden
12. Jahrhundert mit der heutigen reichge-
schmückten Apsiswand ummantelt wurde, fol-
gert der Verf. vor allem aus dem Fundament.
Dasjenige der Türme zeigt sechs Abtreppungen
und das Fundament der Apsis nur zwei, die
zudem nur an den Seiten sichtbar sind und sonst
vom Mauerwerk der Apsis überschnitten wer-
den. Auch weitere Einzelbeobachtungen machen
die spätere Ummantelung der Apsis recht glaub-
würdig, obwohl sie durch eine an einer beliebi-
gen Stelle durchgeführte Anbohrung des Mauer-
werks nicht einwandfrei belegt werden konnte.
Eine besondere Bedeutung mißt nun der Verf.
der Beobachtung zu, daß in der Servatiuskirche
verschiedene Fußmaße verwendet wurden. Aus-
gehend von der Vermutung, daß ein bestimmtes
Fußmaß als Maßeinheit an eine bestimmte Zeit
gebunden sein könne, sah der Verf. hier die
Möglichkeit, eine Handhabe für festere Datie-
rungen oder zur Feststellung einzelner Bau-
perioden zu bekommen. Genaue Messungen,
unter Berücksichtigung des Putzes usw., sind
hier natürlich Voraussetzung. Schon früher war
festgestellt worden, daß die Maße des Mittel-
schiffes Vielfache sind von dem Fuß St. Lam-
bert, der einer Länge von 0,2918 m gleichkommt
(Keuller in Publ. de la Soc. hist. et arch. d. 1.
Limbourg, Bd. 48, 1912). Diese Maßeinheit war
üblich in der Lütticher Gegend und scheint ge-
wonnen zu sein aus der Länge des Fußes einer
Lambertusstatue im Chor der Kathedrale St. Lam-
bert in Lüttich. Entsprechend war der Anlaß
zur Verwendung des Fußes St. Hubert, der
0,2947 m beträgt und ebenfalls im Lütticher
Umkreise zur Verwendung gelangte. Der Verf.
konnte dieses Einheitsmaß auch in der Servaas-
kirche nachweisen. Während hier aber die Fest-
stellung, welche von den beiden genannten Ein-
heiten zur Anwendung kam, durch den gerin-

gen Unterschied erschwert wird, weicht die
dritte in S. Servaas benutzte Einheit, der Fuß
Notre Dame mit seiner Länge von 0,27988 m
deutlicher von den beiden ersten Maßeinheiten
ab. (Die Größe der hier erwähnten und noch
einiger anderer im Limburgischen verwendeten
Maßeinheiten im Metermaß ausgedrückt, ist im
Annuaire de la Province de Limbourg von 1826
angegeben.) Durch genaue Messungen in S. Ser-
vaas ist der Verf. nun wohl in der Lage, nach-
zuweisen, welche Fußmaße in den einzelnen
Teilen der Kriche zur Anwendung kamen; er
kommt aber gleichzeitig zu dem Ergebnis, daß
die Verwendung einer bestimmten Maßeinheit
nicht an eine bestimmte Periode gebunden war.
Ein Mittel zur Datierung ergab sich hier also
nicht, zumal auch noch nicht bekannt ist, wann
die einzelnen Fußmaße überhaupt aufkamen,
wie lange sie sich hielten und wie weit sich ihr
Geltungsbereich erstreckte. Die genauen Auf-
messungen in S. Servaas bekommen erst ihre
Bedeutung, wenn ähnliche Studien für Kirchen
des Umkreises, vor allem für die Lütticher Kir-
chen, gemacht sein werden. Allerdings wird man
auch dann wohl kaum zu aufschlußreicheren
Ergebnissen für die Datierung gelangen, da
schon in S. Servaas sich nachweisen ließ, daß
z. B. der Fuß Notre Dame sowohl in den älteren
Partien des Chores, also im frühen 11. Jahrhun-
dert, wie für die Anlage des Westwerks in der
zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zur Anwen-
dung kam. Auch der Lambertusfuß hielt sich
hier lange; er wurde den Dimensionen des Lang-
hauses zugrunde gelegt und ferner denjenigen
einiger Teile des oberen Westwerks, während
der Hubertus-Fuß in S. Servaas nur im enden-
den 12. Jahrhundert verwendet worden zu sein
scheint. Es ist ganz anregend, daß in dieser
Studie einmal der ernsthafte Versuch gemacht
wurde, mit Hilfe der Maßeinheiten zu festeren
Ergebnissen zu kommen. Da sich aber doch bald
gezeigt haben muß, daß ihnen zur Klärung der
Baugeschichte kein allzugroßer Wert beige-
messen werden darf, nehmen sie in der Studie
etwas zuviel Raum ein, zweifellos auf Kosten
rein formaler und entwicklungsgeschichtlicher
Vergleiche, die zum mindesten näher an das
Ziel geführt hätten. Gerade in bezug auf den
Westbau wäre noch eine größere Berücksichti-
gung der Zusammenhänge mit S. Jacques und
S.Bartelemy in Lüttich, S.Viktor in Xanten usw.
erwünscht gewesen. Was die Datierung des West-
baus von S. Servaas betrifft, der bisher in die
siebziger Jahre angesetzt wurde, so gibt der
Verf. glaubwürdige Gründe an für eine kurze
Bauunterbrechung um 1180, als man im Osten
mit der Neugestaltung der Apsis begann. Der

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