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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 24.1908

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3. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.27776#0033
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1908

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 3

Besonders würdig und weihevoll wirkt der große Schwurgerichtssaal.
Der Raum, in dem die Verhandlung stattfindet, ist in etwa 4 m Höhe
ganz mit dunkel-weinrotem Holze ausgestattet. Darüber erweitert er sich
nach den beiden Schmalseiten um die Oalerieen; in den Längsseiten liegen
beiderseits große Fenster. Der ganze obere Raum ist weiß gehalten und
gibt ein freies, allseitiges Licht wie unter freiem Himmel. Und damit
kommt der schöne Raum uraltem Volksempfinden — mag es auch
schlummern — entgegen. Denn bis zum Reichstage zu Worms, der vor
vierhundert Jahren das römische Recht und damit geschlossene Gerichts-
stätten einführte, tagten die altgermanischen Schöffengerichte unter freiem
Himmel. So knüpft der Eindruck dieses Saales durch zweckentsprechende
Mittel an ältestes deutsches Volksempfinden wieder an. Dieser Zug der
Befreiung von römischem Renaissancewesen geht ja durch den ganzen
Bau. Er kennzeichnet sich, wie oben erwähnt, schon von außen und er
zeigt sich auch im Mangel effektvoller langer Saal- und Zimmerfluchten
zu Gunsten sachlicher Zweckmäßigkeit.

Der Vorentwurf zum ganzen Bau fällt in das Jahr 1901. Die Be-
arbeitung begann Mitte 1902, endete beim Gefängnis 1903, beim Gerichts-
gebäude 1904. Ersteres wurde erbaut 1903—1906, letzteres 1904—1907.
Die Baukosten betrugen für das Gefängnis mit 3200 qm bebauter Fläche und
63000cbm umbauten Raumes etwa 1250000Mk., also 19,10 Mk. für das Raum-
meter. Das Gerichtsgebäude kostete etwa 1 800000 Mk., auf das Raummeter
bezogen 19,50 Mk. bei 4650 qm bebauter Fläche (im Vorentwurf 5040 qm)
und 92800 cbm umbauten Raumes (im Vorentwurf 84900 cbm). Es ent-
hält rund 130 Arbeitszimmer, 7 Verhandlungssäle und einen Schwurgerichts-
saal. Dieser hat einschließlich der Galerieen 325 qm Fläche und eine lichte
Höhe von fast 12 m. Dazu kommen 35 Wartezimmer, 10 Diener- und
Anmelderäume u. a. Insgesamt sind 240 Beamte im Hause beschäftigt,
nämlich 55 juristische, dazu 40 Referendare, dann etwa 110 Bureaubeamte
und Kopisten, endlich 35 Diener.

Der Turm hat eine Höhe von 60 m. Das vierflügelige Gefängnis
enthält 864 Zellenachsen, belegbar mit 695 Gefangenen, wovon 512 Männer
und 183 Weiber sein können. Der Rest der Zellenachsen ist ausgebaut
zu Bädern, Werkstätten, Vorratsräumen, Aufseherzimmern. Das Innere ist
wie üblich von einem Punkte auf einer hochgebauten Kanzel zu kontrol-
lieren, da alle Zellen in 5 Geschossen an offenen Galerieen liegen. Die
vielen technischen Einzelheiten, die zur Sicherung und auch zum Wohle der
Gefangenen angewendet wurden, alle hier aufzuzählen, würde zu weit führen.

Das Verwaltungsgebäude mit 12 Diensträumen für die Aufnahme
und dergleichen und dem Gefangenenbetsaale, mit der Wohnung des
Gefängnisdirektors u. s. w. kostete 250000 Mk., das Wirtschaftsgebäude
200000 Mk. und das Kessel- und Maschinenbaus 85000 Mk. Die Einheits-
preise betrugen 20 Mk., 21,50 Mk. und 14,40 Mk. Auf die originelle Durch-
bildung des Dampfschornsteins sei hier noch aufmerksam gemacht.

Die Planung der komplizierten und außergewöhnlich weitläufigen,
also schwierigen Heizungsanlage samt der Lieferung von Licht und Kraft
unterstand dem heiztechnischen Bureau im Finanzministerium, speziell
dessen Vorstande, dem Finanz- und Baurate Trautmann. Künstle-
rischer Mitarbeiter und zwar für den plastischen Schmuck am Äußeren
und die streng und würdig wirkenden Königsbüsten der Verhandlungssäle
war Professor Ernst Hottenroth.

Zu hoher Ehre gereicht der nun vollendete und bezogene Bau dem
sächsischen Justizministerium, das als Bauherr an der Planung beteiligt
ist und in seine Art und Form einwilligte, der obersten Baubehörde, hier
vertreten durch den Geheimen Baurat Waldaw, der mit dankenswertem
Interesse die Schöpfung in allen Stadien förderte, dem Landbauamte
Dresden 1, welches den Bau plante und ausführte, und zwar dem Vor-
stande desselben, zur Zeit des Vorentwurfes dem jetzigen Oberbaurate
Schmidt, danach während Planung und Bau dem Finanz- und Baurat
Gläser und dem vom Vertrauen seiner Vorgesetzten getragenen un-
ermüdlichen speziellen Bauleiter und Bearbeiter des Entwurfs, dem Land-
bauinspektor Kramer. H—n.

Kunstgewerbeschule in Dresden. Architekten: Lossow & Viehweger

Mittelteil des Ateliergebäudes. in Dresden.

Landständische Bank. — Städtische Sparkasse.

Kgl. Superintendentur.

Der Freilegung des für den Rathausneubau benötigten Platzes fielen
neben zahlreichen Privathäusern auch die Gebäude der Kgl. Superintendentur
und der Landständischen Bank zum Opfer. Im Austausch überwies ihnen
die Stadt Bauplätze auf dem benachbarten, durch die gleichzeitige Nieder-
legung der daraufstehenden alten Häuser freigewordenen Baublock zwischen

Pfarr- und Schulgasse und benutzte den verbleibenden _j--förmigen Rest

davon selbst für den Neubau der Städtischen Sparkasse. (Vergl. Grund-
risse auf S. 22.)

So entstanden hier gleichzeitig, aber in völliger Unabhängigkeit von-
einander und schon durch die verschiedenen Anforderungen hinsichtlich
Raumteilung und Geschoßhöhen unterschieden drei bedeutende öffentliche
Gebäude vereinigt zu einer höchst anziehenden Baugruppe in durchweg
modernen Formen, lehrreich besonders insofern, als sie das Nebeneinander-
und Zusammenwirken dreier durchaus selbständiger künstlerischer Hand-
schriften von ausgesprochener Eigenart veranschaulicht.

Kunstgewerbeschule und Kunstgewerbemuseum in Dresden.
Gebäude des Kunstgewerbemuseums.

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Architekten: Lossow & Viehweger in Dresden.

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