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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 24.1908

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8. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.27776#0073
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1908

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 8

(2) Kaminplatz.

unerläßlich gewordene Zentralheizung einbaut
— natürlich ohne die wohlbegründete Verbin-
dung mit einer nutzbaren Einzelfeuerung;
höchstens wird eine solche durch ein Schein-
kohlenfeuer auf dem Rost mit elektrischen
Glühlämpchen vorgetäuscht!

Für die Heizkörper der Zentralheizung ist
aber der gegebene zweckmäßigste Platz in den
Fensternischen. Sie lassen sich dort meist ganz
bequem in entsprechender Größe einbauen,
ohne die Benutzung des Raumes irgendwie zu
beeinträchtigen. Besondere umfangreiche Heiz-
körperverkleidungen in der Art der alten Öfen
und Kamine sind demnach überflüssig. Wohl
aber ist auch bei der besten Zentralheizungs-
anlage der Wunsch durchaus gerechtfertigt, für
besondere Fälle, raschen Witterungswechsel
im Frühjahr und Herbst, für den man nicht
die Zentralheizung in Betrieb setzen mag, oder
für eine Erkrankung eine bequeme Einzel-
heizung zur Verfügung zu haben. Dazu kommt
die Annehmlichkeit der strahlenden Wärme
offenen Feuers an einem bequemen Sitzplatz,
der Zauber des traulichen Knisterns und des
flackernden Scheines in der Dämmerstunde —
alles Gründe, die für Ofen- oder Kaminfeue-
rung auch da lebhaft sprechen, wo die Zentral-
heizung durch ihre Vorteile leichter Bedienung
und Regulierung von einer Stelle außerhalb
der Wohnräume die alten Öfen längst aus
diesen verdrängt hat.

Für solche Einzelheizungen ist aber die
alte Bedeutung der großen Öfen und Kamine,
die allein eine ausreichende Erwärmung des
Raumes gewährleisten mußten, nicht mehr zu-
treffend, folglich auch nicht deren Form. Die
alten Renaissancemeister waren im Recht, wenn
sie den gewaltigen Kachelofen, um den sich
den ganzen langen Winter hindurch die Familie
scharte, oder den Riesenkamin in der großen
Halle als Haupt- und entsprechend ihrer Formenfreudigkeit
auch als Prunkstück behandelten. Für unsre kleinen Feuerstätten,
die nur zeitweilig untergeordnetem Bedürfnis dienen, wäre solcher
Reichtum der Formen sinnlos. Ebenso ungereimt erscheint in
unsrer verfeinerten Wohnung die Nachahmung mittelalterlicher
oder hinterwäldlicher Motive, wie mächtige Steinplatten und
gemauerter Backsteinmantel mit gewaltigem Rauchfang. Wer
heizt denn bei uns noch mit ganzen Eichenkloben? ln den Re-
sidenzen amerikanischer Milliardäre mag dies anders sein; wir
sollten uns weder durch solche halbtheatralische, weil auf fürst-
lichen Überlieferungen vergangener Jahrhunderte aufgebaute
Vorbilder, noch durch unzutreffende Vergleiche mit englischen
Wohnungen in unserm Empfinden beirren lassen.

Welche Begriffsverwirrung ist bei uns durch diese ewigen
unangebrachten Vergleiche zwischen der mächtigen Halle der
raumreichen englischen Edelsitze einerseits und dem engen
Treppenhause des englischen Stadthauses andrerseits mit unsern
Landhausdielen hervorgerufen worden, und Klima und Maßstab
sind doch so völlig verschieden, wie die Lebensgewohnheiten.

Auch der sonstige Ausbau der Wohnung wird und muß bei
uns andre Wege gehen als in England, weil ganz andre sach-
liche und persönliche Grundlagen darüber entscheiden. Schon
die Bauweise verbietet manches, was in England üblich und
beliebt ist. Aber unsre heimischen Bauweisen sind so reich,
zehnmal reicher an Überlieferungen aller Art, die uns sofort
traulich anmuten und uns lieb werden würden, wenn wir uns
nur die Mühe geben möchten, sie sinn- und sachgemäß zu er-
gründen und, wie es die Engländer mit ihrer bodenständigen

E. Specht in Chemnitz.

(4) Kaminplatz.

Überlieferung und so manchem von außen her Übernommenen
geschickt getan haben, den neuen Bedingungen und Bedürf-
nissen anzupassen. Dann würde sich auch in der Ausbildung
der kleinen Kaminplätze für unsre Wohnungen viel Schönes
und Anheimelndes schaffen lassen. Selten — vielleicht in einer
Durchgangshalle oder dgl. — wird ein solcher Heizkörper eine
raumbeherrschende Stellung und Ausbildung erhalten können.
Die mehrfach versuchte Anlehnung an die in Frankreich ganz
allgemeine und festbegründete Überlieferung, den Kamin als
Haupt- und Prunkstück zum Mittelpunkt vornehmlich des Emp-
fangsraumes zu machen, um den sich die Gesellschaft wie die
übrige Einrichtung gruppiert, erscheint bei uns schon mit Rück-
sicht auf die abweichenden klimatischen Verhältnisse und oft
recht erheblich verschiedenen Raumabmessungen wenig aus-
sichtsreich. Außerdem strebt die deutsche Wohnungseinrichtung
der Neuzeit ja gerade nach der Befreiung von der traditionellen
Regelmäßigkeit, die in der guten französischen Überlieferung
mit ihrer vornehmen Zurückhaltung doch immer wieder fesselt,
und strebt nach eigenartigen, auf intime Behaglichkeit abzielen-
den Lösungen. Meist wird also Maßhalten und Sachlichkeit,
Rücksicht auf trauliche Wirkung und Raumausnutzung auch hier
ausschlaggebend sein. Für die Herstellung des eigentlichen
Kamins stehen uns die mannigfaltigsten Stoffe aller Art zur
Verfügung: Kacheln, Glas, Metall, Stein, selbst Holz — in allen
Farben und Wirkungen, kostbarstes und einfachstes Material.
Die Hauptsache ist aber nicht der Kamin an sich, sondern seine
Einordnung ins Ganze, seine der geminderten
Bedeutung entsprechende unterordnende Ein-
gliederung, seine Verbindung mit Sitzplätzen
und allen erdenklichen An- und Aufbauten zu
einem begründeten, weil völlig zweckent-
sprechenden Bestandteile unsrer Wohnung.

In diesem Sinne wollen die neben-
stehenden Skizzen von E. Specht als Anregun-
gen betrachtet sein. Der erste Entwurf (Tafel 64)
zeigt den Kamin an der Außenwand angelegt
(für unser Klima immer bedenkliche Schorn-
steinanlage!) in einer Nische unter der dar-
über hinführenden Treppe. Verwendet sind
blaue Kacheln und ein Rauchhelm aus Alt-
messing. Bei dem zweiten ist der Kamin in
die Ecke gebaut; durch eine gegenübergestellte
Polsterbank ist eine gemütliche Plauderecke
geschaffen. Die Kacheln sind mahagonirot,
die kleinen Platten der Wandbekleidung
irisierend grün gedacht; dazu ein Kupferhelm,
das Holzwerk aus geräuchertem Eichenholz,
die Bank mit grünem Leder bezogen und
die Wände mit graugrünem Rupfen bespannt.

Der dritte Entwurf zeigt eine Heizkörper-
verkleidung in eine Nische der Zwischenwand
eingebaut mit Sitzen zu beiden Seiten. Diese
sind mit Stoff in Altgold bespannt, die Kacheln
ockergelb, der obere Aufbau in Putz mit Gold-
mosaikeinlagen ausgeführt. An den Wänden
ist naturfarbener bedruckter Leinenstoff mit
Birnbaumleisten befestigt. Die Kettengehänge
und die Beleuchtungskörper sind aus matt-
gelbem Messing.

Der vierte Entwurf endlich veranschau-
licht den Versuch zur Lösung einer praktischen
Frage: die Verkleidung der häßlichen Schorn-
steinvorlage in einer sachgemäßen Weise ohne
Bemäntelung und so, daß sie organisch mit
dem Ofen zu einem Ganzen verbunden er-
scheint.

E. Specht in Chemnitz.

(3) Kaminplatz.

E. Specht in Chemnitz.

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