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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 24.1908

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9. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.27776#0075
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1908

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 9

(14) Giebel der Trinitatiskirche in Danzig;.

Rauhe Verblendsteine.

Von Magistratsbaurat Professor O. Stiehl in Berlin.

9 — y * nter den Angriffen, welchen der Backsteinbau seit
I geraumer Zeit ausgesetzt ist, spielen neben den all-
gemeinen Beschwerden über die gar zu lebhafte
^.1: Farbe vieler Verblendsteine die Klagen über die aus-

druckslos-glatte Oberfläche der Maschinenverblender eine große
Rolle. Das Mißfallen an dieser Eigenschaft konnte kaum aus-
bleiben, nachdem man in vielfacher Anwendung die Ausdrucks-
fähigkeit der rauheren Baustoffe, Kalkstein, Tuff, rauher Kamm-
und Rieselputz, erprobt und schätzen gelernt hatte. Ihnen
gegenüber mußte die im polierten Mundstück der Ziegelpresse
gleichmäßig geglättete Oberhaut des Maschinenverblenders reiz-
los erscheinen. Aber auch ohne den Vergleich mit den ge-
nannten, im Wettbewerb stehenden Baustoffen wird man zugeben
müssen, daß die starke Glättung, die der Ton im Mundstück
der Maschine erfährt, so manche künstlerisch wertvolle Eigen-
schaft des Rohstoffes unterdrückt. Vor allem wird das körnige
Gefüge des Steines, auf dem doch der Eindruck der Festigkeit
beruht, dem Auge entzogen und dadurch ein natürlicher Reiz
zerstört. Damit wird zugleich das Spiel der kleinen Lichter und
Schatten aufgehoben, das für die Belebung der Flächenwirkung
so wertvoll und auch geeignet ist, zu grelle Farben etwas zu
dämpfen, gar zu stumpfe Töne etwas lebhafter zu machen.

In dieser Glätte der Oberfläche kommt die Eigenschaft des
Tones, im feuchten Zustande eine knetbare, teigartige Masse
zu bilden, zu dauernder Erscheinung, während sie von Rechts
wegen nur einen Übergangszustand in der Herstellung des
festen Steines bedeuten soll. Man möchte sagen, daß hierbei
von den beiden Silben des Wortes »Backstein« die erste, das
Gebackensein, betont ist, während für den schönheitlichen Ein-
druck der Nachdruck auf den Stein als fester Baustoff gelegt
werden muß.

Demgegenüber wird häufig als auf einen großen Vorzug
des glatten Verblenders darauf hingewiesen, daß er auch im
Ruß und Staub der Großstadt dauernd seine reine Farbe be-
halte. Als ob das ein Vorteil wäre! Allgemein haben sich
doch die Augen dafür geöffnet, Bauwerke nicht für sich allein,
sondern im Zusammenhang und in Übereinstimmung mit ihrer
Umgebung zu schauen. Der größte Vorwurf, der in weiten
Kreisen dem heutigen Backsteinbau gemacht wird, ist gerade
der, daß seine Werke diesen Einklang mit der Natur und mit

Bauwerken andrer Art vermissen ließen. Das aber hat, wo es
wirklich eintritt, seinen Grund vornehmlich darin, daß der
glatte Maschinenverblender an dem Abtönungsvorgang, dem
die Natur alle andern Gegenstände unterwirft, nicht teilnimmt.
Auch in dieser Beziehung müssen wir also die Glätte des
Steines als einen künstlerischen Nachteil ansehen.

Daß die Augen der Künstler sich für diese feineren Züge
des Baustoffes geschärft haben, bedeutet zweifellos einen Fort-
schritt, eine Verfeinerung künstlerischen Sehens und ist mehr
als eine bloße Modeströmung. Im Gegensatz zu der Zeit vor
etwa einem Menschenalter, in der der reinen Form an sich
die größte Bedeutung beigelegt wurde, hat sich auf allen Ge-
bieten der Kunst und des Kunstgewerbes das Streben heraus-
gearbeitet, die Eigenart des Stoffes, ob es nun Stein, Metall,
Holz oder sonst etwas ist, zu einem wesentlichen Teil des
künstlerischen Eindrucks zu machen, aus ihr ganz besondere
Wirkungen und Stimmungswerte zu ziehen. Es ist nur billig,
daß auch der Verblendstein sich diesen neugewonnenen An-
schauungen, denen man dauernden Wert zuerkennen darf, an-
passen muß.

Schon vor vier Jahren habe ich daher in einem Vor-
trage*) darauf hingewiesen, daß die Beseitigung der übermäßig
glatten Oberhaut, wie sie die Maschinenverblender zeigen, eine
der dringlichsten Aufgaben der heutigen Ziegeltechnik dar-
stellt. Zahlreiche Anfragen von seiten der Verblendsteinfabri-
kanten lieferten darauf den Beweis, daß die Neigung diese
Forderung zu berücksichtigen wohl vorhanden ist, und es zeigte
sich auch die erfreuliche Erscheinung, daß selbst Ausstellungen,
die vom künstlerischen Standpunkt gegen so manche der Ver-
suchsergebnisse zu erheben waren, die betreffenden Verfertiger
nicht abhielten, auf dem betretenen Wege weiter fortzuschreiten.
Es erscheint wohl nicht unangebracht, über das, was zur Zeit
auf diesem Sondergebiet gearbeitet und geleistet wird, in einer
Übersicht über die recht vielseitigen Erzeugnisse weiteren
Kreisen einen Bericht zu erstatten. Beim Vergleich der ver-
schiedenen Möglichkeiten, die sich durch wechselnde Bearbei-

*) Neuere technisch-künstlerische Bestrebungen im Backsteinbau, Vor-
trag gehalten in der 40. Hauptversammlung des Vereins für Ton-, Zement-
und Kalkindustrie E. V. am 23. Februar 1904 von O. Stiehl. Verlag der Ton-
industriezeitung Berlin N.W. 5.

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