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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 24.1908

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9. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.27776#0079
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1908

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 9

—Tnr|-r-r=T—

einer Kirche aus gerauhten Verblendsteinen in Doppelformat.

wiedergeben zu wollen. Unverkennbar ist auch, daß gerade
diejenigen Versuche, die sich in der Flächenwirkung die derben
Vertiefungen des Flandstrichsteines zum Muster genommen
haben (Stein 5, 7, 11), bisher wohl die wenigst glücklichen Er-
gebnisse gehabt haben. Das erklärt sich übrigens leicht da-
durch, daß beim Handstrichstein nur gelegentlich solche Ver-
tiefungen in der mildrauhen Oberfläche auftreten, während der
Maschinenstein in seiner ganzen Fläche bearbeitet werden
muß, um seine unangenehm glatte Haut zu verlieren.

Wenn wir so die unbedingte Hochschätzung des Hand-
strichsteines für das bezeichnete Gebiet als berechtigt an-
erkennen müssen, so darf darauf hingewiesen werden, daß
seine Technik und Formgebung doch schon im Mittelalter
nicht die einzige gewesen ist. Der Anwendung des Hand-
strichsteines ging vielmehr in romanischer Zeit der Gebrauch
von Verblendsteinen voraus, die in sehr zarter Weise mit dem
Scharriereisen oder mit der Säge in ihren Flächen sauber ab-
geschlichtet waren. Der Stein 15 (Fig. 5) zeigt die dadurch
erzielte Wirkung. Diese Technik ist in Italien an großen Bauten
zur hohen Vollendung gebracht worden und unsre Fig. 11

mag mit dem Bilde des Chores von
S. Forenzo bei Pavia einen Begriff von
der Feinheit der Linien- und Flächen-
wirkung geben, den man so erreichte.
Auch in Deutschland hat man die
ältesten der romanischen Bauten in
gleicherweise behandelt, wofür als be-
deutendes Beispiel der Chorschluß der
Klosterkirche zu Jerichow, vielgerühmt
gerade wegen seiner hervorragend
schönen Materialwirkung, angeführt
sein möge (Fig. 12). Wir brauchen
demnach nicht einmal im Bereich der
mittelalterlich beeinflußten Bauweise
den Vorwurf unkünstlerischer Auffas-
sung zu fürchten, wenn wir in geeig-
neten Fällen die derbe Frische des
Handstrichsteines zu Gunsten zarterer
Wirkungen verlassen. Noch viel mehr
öffnet sich für die Steine der beschrie-
benen Art das weite Gebiet der in
nachmittelalterlichen freien Formen sich
bewegenden bürgerlichen Baukunst, auf
dem sich für all die verschiedenen Ab-

Wie man sieht, haben schon die
bisherigen Versuche, wenn sie auch
nicht durchweg als geglückt bezeich-
net werden können, eine Fülle be-
merkenswerter Ergebnisse gezeitigt
und es ist zu erwarten, daß der Aus-
tausch des bisher in vereinzeltem
Vorgehen gemachten Erfahrungen zu
weiterer Förderung dieser Bestrebun-
gen dienen wird. Als hoffnungsvoll
kann man diese Bestrebungen be-
sonders deshalb bezeichnen, weil sie
Steine in reichster Abstufung des
Eindrucks, vom Zierlich-Feinen bis
zum äußerst Kraftvollen, ja bis zur
übertriebenen Rauhheit schon geliefert
haben; es ist daher dem Architekten
jetzt schon möglich, jeden gewünsch-
ten Grad der Rauhigkeit in verschie-
dener Behandlungsweise für die Aus-
führung zu wählen und vom Ziegler
zu verlangen. Und von seiten der
Fabrikanten kann ein weitgehendes
Entgegenkommen solchen Wünschen
gegenüber erwartet werden, denn auf
sie kann es nicht ohne Eindruck
bleiben, daß selbst solche, die noch
vor kurzem das Lob des glatten
Maschinensteines verkündigten, neuerdings zur Verwendung
gerauhter Verblender übergegangen sind.

Für die Anwendung dieser neuartigen Steine wird man
freilich gut tun, gewisse Vorbehalte zu machen. Es ist an
dieser Stelle kaum nötig darauf hinzuweisen, daß die Be-
zeichnung rauher Verblender als »sandsteinartig« auf völliger
Verkennung der Verschiedenheiten beruht, die für die beiden
verglichenen Baustoffe bezeichnend sind. Aber auch ein un-
mittelbarer Wettbewerb mit dem Handstrichstein sollte wenigstens
auf dessen angestammtem Gebiet mittelalterlicher Formgebung
nicht als Ziel gelten. Hier kommt dem Handstrichstein der
durch jahrhundertelange Übung gefestigte enge Zusammenhang
von Form und Technik zu gute. Seine derbe Oberfläche hat
auf die Art der Profilierung und der Flächengliederung starken
Einfluß geübt. Die beigegebenen Abbildungen Fig. 8, 11 bis 13
dürften dafür beweiskräftig sein; insbesondere Abbildung 8 mit
dem fühlbaren Gegensatz der kraftvoll rauhen alten Teile und
der glatten neueren Ergänzungen ist in dieser Beziehung lehr-
reich genug. Man tut sicher nicht gut, solche mit der Eigen-
art des Baustoffes eng verbundene Wirkungen in andrem Stoff

Einzelheiten zu (10).

(10) Entwurf zu


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