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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 24.1908

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10. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.27776#0085
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1908

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 10

Urnenhalle für einen
städtischen Begräbnisplatz
in Berlin-Wedding.

Architekt:

William Müller in Berlin.

Große Berliner
Kunstausstellung 1908.

chen zu einem bun-
ten, wohl gar histo-
risch kostümierten
Bildchen zusam-
menzuflicken. Da-
von aber haben wir
doch wahrhaftig ge-
nug an den Privat-
bauten, an den stil-
vollen Bier- und
Weinpalästen und
Prachtcafes, und die
künstlerische Auf-
gabe der öffent-
lichen Bauten sollte
doch endlich so
hoch und ernst auf-
gefaßt werden, wie
es die Würde eines großen Gemeinwesens, wie es dessen
kulturelle Aufgaben und Verpflichtungen verlangen, und wie es
unsre Vorfahren getan haben!

Unsre jetzigen öffentlichen Bauten sind zumeist wohl
Marksteine, aber nicht, wie einst, köstliche Edelsteine des ge-
samten künstlerischen Schaffens.

Als erste Forderung für eine würdige künstlerische Lösung
der großen und vielseitigen Bauaufgaben unsrer Gemeinwesen j
ergibt sich also eine gründliche Nachprüfung und Umfor- j
mung der Bauprogramme, bei der wirklich großzügige
künstlerische Gesichtspunkte zur Geltung kommen und Grund-
lagen für die Möglichkeit wahrhaft künstlerischer Lösungen
geschaffen werden, während nach der bisherigen Behandlung
höchstens mehr oder minder glückliche Kompromisse zwischen
Programm und Künstler zu stände kommen, Unsummen ver-
pufft und die noch vorhandenen alten Stadtbilder durch die
prunkhaften Neubauten ruiniert, statt gehoben und abgerundet
werden.

Trennt man das nicht unbedingt Zusammengehörige, dann
fallen von selbst die Schwierigkeiten, an denen die größten
Rathausbauten der letzten Jahre augenscheinlich gescheitert
sind. Man gewinnt dafür die Möglichkeit einer natürlichen
Gruppenbildung aus mehreren zusammengehörigen, aber doch
selbständigen und je nach ihrem Zweck verschieden zu be-
handelnden Gebäuden von mäßiger Größe und einfacher klarer

Grundrißentwicklung. Statt des übergroßen, der künstlerischen
Meisterung spottenden Einzelkastens, zu dem die Bevölkerung
niemals ein inniges Verhältnis gewinnen wird, wie zu den
alten Bauten, entsteht dann inmitten der Großstadt eine An-
lage, die einen wirklichen Mittelpunkt in dem Häusermeer
bildet und weit eher als jener die Vielseitigkeit und Bedeu-
tung der städtischen Verwaltung klar und allgemein verständ-
lich zum Ausdruck bringen kann, die aber zugleich auch die
wichtigste künstlerische Aufgabe aller öffentlichen Baukunst
im vollen Umfange zu erfüllen vermag: vorbildlich zu
wirken, eine Schule des Geschmacks für die Bevöl-
kerung zu sein.

Bei dem gewaltigen Umfang und der Vielseitigkeit der
Bautätigkeit eines großstädtischen Gemeinwesens wird es
nicht schwer sein, außer dem Rathaus mit Zubehör noch
andre größere Gruppen öffentlicher Gebäude zu bilden und so
allmählich auch in der jetzt so verschwommen wirkenden Groß-
stadt feste, künstlerisch hervortretende Punkte im Stadtbilde zu
gewinnen, die den Gesamteindruck vorzugsweise bestimmen.

Für einzelne Straßen und Quartiere werden die in diesen
zu errichtenden einzelnen öffentlichen Gebäude dieselbe künst-
lerische Erzieheraufgabe zu erfüllen haben. Je nach der Lage
des Stadtviertels, nach seiner Bebauung, nach der Art und
Lebenshaltung seiner Bewohner wird die Ausführung der ver-
schiedenen Arten öffentlicher Gebäude, ja selbst der einzelnen
Bauten für gleiche Zwecke in ein und derselben Großstadt
recht verschieden sein können und müssen, wenn die Aufgabe
überall im wohltuenden Einklang mit der Umgebung und mit
greifbarem erzieherischen Erfolge gelöst werden soll.

Während in den öden Straßen der Arbeiterviertel ein
schlichter, anmutiger Putzbau mit einfachstem, aber gemüt-
vollem Schmuck verschönernd, belebend und anregend wirkt,
soll zwischen aufwendigen Prunkbauten die ruhige Sachlichkeit
und vornehme Würde des in edlerem Material ausgeführten
öffentlichen Gebäudes erlösend und befreiend wirken, einen
vollkommenen Ruhepunkt bietend inmitten von Häufung und
Übertreibung. Nur die Baugesinnung muß überall gleich vor-
nehm und zielbewußt
maßvoll bleiben.

So allein kann dem
öffentlichen Gebäude die
ihm gebührende Stellung
im Stadtbilde gegeben
werden.

Welche Einwirkung
verspricht das! Wie ganz
außerordentliche Anfor-
derungen werden aber
auch damit an den künst-
lerischen Takt der heuti-
gen Architekten gestellt!

Zur Verwirklichung
solcher hochgesteckten
Ziele gehört naturgemäß

Reichsbank in Sonderburg. Architekt: Julius Habicht, Reichsbank-

bauinspektor in Berlin.

Große Berliner Kunstausstellung 1908.

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