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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 24.1908

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1908

A RCHI TEKTONISCHE R UNDSCHA U

Heft 10

Von der Großen Berliner Kunstausstellung 1908.

Selten treffen so viel größere Architekturausstellungen
zusammen, wie in diesem Sommer. Neben der hochbe-
deutenden und von allen Seiten gut beschickten Internatio-
nalen Baukunstausstellung in Wien, die für den im Mai dort
abgehaltenen 8. Internationalen Architektenkongreß veran-
staltet ist, umfaßt die Ausstellung München 1908 eine Archi-
tekturausstellung, an der vorwiegend der Münchner (Ober-
bayrische) Architekten- und Ingenieurverein und der Bund
deutscher Architekten beteiligt sind. Auf der hessischen
Landesausstellung in Darmstadt haben die hessischen Archi-
tekten eine reichhaltige Vorführung ihrer Arbeiten geboten,
an der auch die Staatsbauverwaltung gut beteiligt ist, und in
Stuttgart ist der reizvollen Baufachausstellung eine sehr statt-
liche Architekturausstellung der württembergischen Architekten
angegliedert. So ist es kein Wunder, daß die Architektur-
abteilung der diesjährigen Großen Berliner Kunstausstellung
an Umfang und Inhalt nicht über den üblichen Durchschnitt
hinausreicht, um so mehr, als das Ministerium der öffentlichen
Arbeiten diesmal nicht ausgestellt hat.

Wenn die wieder in dem Doppelraume rechts vom
großen Skulpturensaale untergebrachten Entwürfe und Mo-
delle trotzdem, auch als Ganzes betrachtet, lebhaftes Interesse
erwecken, so bezieht sich das wohl vor allem auf die lehr-
reichen Erläuterungen, welche diese vielgestaltige Zusammen-
stellung zu den die Gegenwart bewegenden Tagesfragen und
ihren Ober- und Unterströmungen gibt.

Wenn auch bei dem Zusammenkommen einer solchen Ausstellung
manches von besonderen Umständen, ja vom Zufall abhängen mag, immerhin
wird man doch aus der Gesamtheit gewisse Schlüsse ziehen und in ihr Hin-
weise auf sich vollziehende Wandlungen finden dürfen. Daß Konkurrenz-
entwürfe und Skizzen für Inneneinrichtung von nicht allzu großer architek-
tonischer Bedeutung diesmal verhältnismäßig noch stärker vertreten sind
als sonst, mag seinen Grund in der eingangs geschilderten Verteilung der
bedeutenderen Werke haben. Die auffällige Verringerung der Landhaus-
entwürfe und Modelle (in diesem Jahr unter 132 Nummern einschließlich
der Landsitze nur 19, während sie sonst etwa ein Viertel aller Entwürfe
ausmachten) dürfte nicht auf eine Abkehr von dieser gegenwärtig beliebtesten
und dankbarsten Aufgabe der Privatarchitektur schließen lassen, vielmehr
durch die Ungunst der geschäftlichen Verhältnisse, die andauernde Knapp-
heit des Geldmarktes hervorgerufen sein, die leider auch die bestsituierten
Bauherrn zur vorläufigen Zurückhaltung zwingt.

Als erfreuliches Zeichen für die Entwicklung des künstlerischen Schaffens
möchten wir das stärkere Hervortreten öffentlicher Gebäude für verschiedene
Zwecke bezeichnen, die in sachlicher Weise und knappen Formen zum
klaren und künstlerisch befriedigenden Ausdruck ihrer Bestimmung zu
gelangen suchen. Erfreulich erscheint auch die Fortführung der künst-
lerischen Bestrebungen zur Hebung der Friedhofskunst, in der Gestaltung
des Einzelgrabmals sowohl wie in der Anlage von Urnenhallen u. s. w.

Besondere grundlegende Bedeutungaber ist dem stärkeren Auftreten von
Bebauungsplänen auf der Ausstellung beizumessen. Seltsamerweise sind von
einzelnen, wohl ohne Schuld der Architekten, nur die Schaubilder ausge-
stellt, während der Lageplan weggeblieben ist. Und doch ist gerade dieser
das Wichtigste, die Entwicklung der Anlage Bestimmende, während die
Schaubilder, wo es sich um Neubebauungen und Ortserweiterungen handelt,
nur zu oft lediglich einen Anhalt für das vom Architekten Gewollte bieten,
in ihren Einzelheiten aber bei der allmählichen und meist nicht einheit-
lichen Ausführung der Bebauung weitgehende Abänderungen erfahren.

Jedenfalls ist die Zulassung solcher Pläne freudig zu begrüßen als
wirksamer Hinweis auf den tiefgreifenden Umschwung, der sich in der

Turn- lind Festhalle für die
Gemeinde Weißensee.

Architekt: Carl James Bühring

Große Berliner Kunstausstellung 1908. in Weißensee-Berlin.

künstlerischen Gesamtauffassung vollzieht. Es kann ja nicht oft und nicht
eindringlich genug betont werden, daß eine wirkliche Gesundung unsres
Bauschaffens in Stadt und Land viel weniger von der Einzelform abhängt,
als von der grundsätzlichen Anordnung der Gesamtanlage, die zielbewußt
auf einheitliches Zusammenwirken der einzelnen Gebäude und auf gute

(Srtstycvcßo/P Jjj ’/CC&xSf

Stallhofanlage.

Stallhofanlage mit Wohngebäude.

Große Berliner Kunstausstellung 1908.

Architekt: Paul Baumgarten in Berlin.

Umrißwirkung der ganzen Gruppen hinarbei-
ten muß.

In der vorwiegenden Betonung der städte-
baulichen Rücksichten liegt auch ein beson-
derer Vorzug des auf Tafel 74 wiedergegebenen
Höggschen Entwurfs für den Neubau des
Bremer Stadthauses. Er bezweckt nicht nur
den notwendigen Anbau an das Prachtwerk
des Lüders von Bentheim in anspruchsloser
und doch wirkungsvoller Form unter Ab-
trennung des Verwaltungsgebäudes vom alten
Repräsentationsbau, womit gleichzeitig, wie
die hier beigefügten Lagepläne erkennen
lassen, den Verkehrsanforderungen in bester
Weise Rechnung getragen ist, sondern er er-
strebt eine erhebliche Verbesserung des Stadt-
bildes, die allerdings aus dem seinerzeit in
Bremen ausgestellten Modell viel deutlicher
ersichtlich war, als aus den Lageplänen.
Deshalb sei hier eine kurze Erläuterung bei-
gefügt. Jetzt beeinträchtigt die unklare Tren-
nung zwischen dem Marktplatz und Domshof
mit dem lochartigen Durchblick von einem
zum andern die Platzwirkung beider. Durch
die von Högg beabsichtigte Drehung der
Stadthausfront parallel zur Domseite würde
dieser Durchblick geschlossen und in den
überlangen Domshof eine genügend kräftige
Baumasse so weit vorgeschoben, daß sie
den Platz beherrschen und, vom Schüssel-
korb aus gesehen, zusammen mit den Dom-
türmen eines jener durch Überhöhung meh-
rerer Bauwerke entstandenen Städtebilder

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