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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 24.1908

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12. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.27776#0109
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1908

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 12

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V

und immer wieder aus diesen her-
ausgestört.

Das selbständigste, künstlerisch
Höchste, was er so geschaffen hat,
sind die norwegischen Holzkirchen
gewesen: geistig angeregt durch
die Bedürfnisse des christlichen
Kirchenbaus, technisch ermöglicht
durch die Holzarchitektur der Wi-
kingerzeit, ihrer Schiff- und Hallen-
bauten. Doch das ganze Können
der Wikingerzeit selber war erst
erwachsen in langer, tiefer Berüh-
rung, in Liebe und Haß, zuerst
des heidnischfeindlichen, dann des
christlichzugeneigten nordischen
Wesens mit den verschiedenen
Bereichen des damaligen, ihm zu-
gänglichen Kreises von Meeren
und Ländern.

Aber lassen wir nun, für unsre
weitere Betrachtung, das alles über-
haupt dahingestellt sein. Ja bitten
wir denen, für die der Gedanken-

19) Grabstein aus der ,

Kirche zu Rynkeby auf gang, so ausgesprochen, etwas

Fuhnen. Enttäuschendes und Unerwünschtes hat, es

ab, wie denn jeder echte Deutsche mit Freuden und herzlicher
Teilnahme den schönen, gesegneten Bemühungen folgt, die
beschäftigt sind, auf diesem Felde neue Früchte zu ernten,
und treten wir unbefangen gemeinsam in eine
Untersuchung auf engem Bereiche ein.

Wählen wir uns zur Betrachtung
das Gebiet, auf dem einerseits der
meiste, am besten zusammenhängende
Stoff geboten wird, und das ander-
seits überall bei allen Völkern gleich-
mäßig den stärksten und dringendsten
Anregungen zur Entfaltung des eigenen
Kunstkönnens offen gestanden hat:
das der Grabmalkunst.

Die Betrachtung hat für uns in der
verhältnismäßig späten Zeit zu begin-
nen, da man sich in Einzelfällen nicht
mehr genügen ließ, die Gebeine mit
Erde zuzudecken, oder einen Hügel
ohne Form darüber zu schütten; denn ohne
irgend eine Form keine Kunst.

Der germanische Grabstein oder Denkstein ist ein roher
Felsblock, wie ihn die Natur bietet. Ihn in bestimmte Form
zu zwingen, oder auch nur danach auszuwählen, fehlt zunächst
noch der Drang; er soll nur groß genug sein. Schriften und
Zeichen werden, wenn man sie anbringen will, da angebracht,
wo die besten Flächen dafür sind.

Wo selbst die Form
so neutral war, da ergab
sich erst recht kein Be-
dürfnis, Ornamente an-
zubringen. Sogar ein im
Holzschnitzen, im Metall-
treiben und Gravieren,
im Flechten und Malen
schon hoch und eigen
entwickelter Kunstge-
schmack fühlte hier weder
einen Drang sich zu be-
tätigen, noch ward er
durch genehme Gelegen-
heit dazu verlockt.

Diesem gegenüber
ist es zunächst überra-
schend, jenes vornehmste
und sicher zu den aller-

21) Aus dem Dom zu Aarhus.

7; ältesten gehörende Denkmal, Kö-
Ff nig Gorms des Alten (f 940)
Gedächtnisstein, welcher zu Jel-
lingen steht, zu betrachten, wie
er reich von Ornament in Ver-
bindung mit Figürlichem über-
sponnen ist (Abb. 1). Doch er
steht allein, selbst unter den
gleichzeitigen der Nachbarschaft.
Er ist aus einer Zeit, da christ-
liche Einflüsse schon Jahrhun-
derte wirksam gewesen waren,
und das Christentum selbst schon
mehr als ein Jahrhundert im Lande
Fuß gefaßt hatte. Nun war es
ganz zum Siege gelangt, und der
König Harald Blauzahn (940—987)
setzte den Eltern den Stein als
christliches Denkmal und Wahr-
zeichen eigener Größe. Der Grab-
hügel selbst ist riesengroß auf-
getürmt; er enthält in sich einen
Bau aus Lehm, umschließend eine
aus Holzplanken mit Vertäfelung
gebildete Kammer. Der Stein

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23) Denkstein über
Thorgot, befindlich
in der Thorsleffer
Kirche.

25) Aus Ungstrup, nun im
Nationalmuseum zu Kopen-
hagen.

22) Aus der Kirche zu
Hundslund.

26) Stein bei der Kirche zu Tyrstrup (nördlich von
Hadersleben).

20) Grabstein für Tyge
Gregersen, zu Ore auf
Fülinen befindlich.

zeigt uns, in den eigentümlichen Schlingungen
und Verstrickungen, an denen die Holzarbeit so sehr ihre
Freude hatte, zwei Figuren fremdländischer Herkunft: den
Körper des Gekreuzigten und die Gestalt eines Löwen. Hier
war Aufwand im höchsten Maße geboten, und
waren die Mittel dafür vorhanden.

Sonst blieb die Grabmalkunst auf
dieser ersten Stufe bei dem Einfachsten,
dem rohen Steine. Braucht er ein Merk-
mal, so bezeichnet sie ihn mit dem Zei-
chen des Christentums, dem Kreuze
(Abb. 2, 6—29). Doch findet er sich
auch wohl in bestimmte Form gebracht,
wie wir auf dem Bilde des Steines von
Herlufmagle (Abb. 2) ersehen. Als letzte,
durchgebildete Leistung dieser Richtung
ist der Stein am Dome zu Schleswig an-
zusehen (Abb. 32), von dem unten die
Rede sein wird. Das Kreuz selbst kann
sich aber nun, dem Zuge der germani-
schen Kunst entsprechend, in mannigfaltiger Weise
gestalten, und hie und da so, daß in seiner Bil-
dung das unverkennbar waltet und zum Aus-
druck kommt, was wir eben als germanischen Stil
erkennen (vgl. besonders Abb. 13 ff.). Dazu und daneben tritt,
wie auch an andern Werken des Meißels, besonders an Por-
talen und Taufsteinen, das Ornament, bald rein aus dem
Kunstgefühle des Volkes geboren, bald
aber herüberdringend aus
dem vornehmeren, teils von
der Gunst der Einflußreich-
sten getragenen, teils sich
selbst mit der Kraft einer
Modeströmung geltend ma-
chenden Geschmacks- und
Formenkreise der romani-
schen Kunst, hie und da auch
der Antike.

Fassen wir nun den
Gang der Entwicklung für
unsern Zweck etwas genauer
ins Auge, so hatte, wie an-
gedeutet, die älteste, vom
Christentum noch nicht be-
einflußte Kunst nur diejenige
Form zur Verfügung, die von
der Natur geboten war, also


18) Aus dem
Kloster Holme
auf Fiihnen,

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24) Vom Dom
zu Aarhus.

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