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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 24.1908

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12. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.27776#0110
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1908

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 12

29) Grabstein des
Peter. Befindlich zu
Weiersleff.

eigentlich keine; doch konnte man die schon
in der alten Steinzeit erworbene Fertigkeit
üben, durch Sprengen der Neigung zur Zer-
klüftung nachzuhelfen oder ihr vorzugreifen.
Den Felsblock setzte oder wälzte man, wenn
er den Grabhügel zieren oder bezeichnen
sollte, oben auf dessen Spitze. So bildete
denn zwar nicht er für sich, wohl aber das
Ganze um so eher ein sich durch Größe und
Ordnung auszeichnendes Mal, als man die
Wirkung noch erhöhen konnte durch einen
es unten umschließenden Kranz anderer Felsen.
Weiter wird der Eindruck bis ins
Künstlerische erhoben, wenn man
den oberen Stein so wählt, daß
er obeliskenartig als Bautastein
sich in die Höhe spitzt.

Die nächste Form, die wir die
christliche nennen müssen, istganz
verschieden. Sie ist diejenige der
Grab platte, bestimmt, den Körper des Begrabenen
zu decken. Es kann sich daraus, oder an Stelle
davon, auch geradezu die Form des gewölbten
Sargdeckels einstellen (Abb. 13); ferner kann sich
die Platte, der Entwicklung des Altartisches fol-
gend, zu einem vollständigen
Aufbau auswachsen (Abb. 5).

Bei diesen Gestaltungen
boten sich nun der künstleri-
schen Behandlung und Durch-
bildung Flächen an, um irgend
etwas Charakteristisches und
Individuelles, dem Zwecke des
Ganzen Gemäßes an sich dar-
stellen zu lassen. Der Gedanke,
der schon an sich am kräftig-
sten, und bei jedem Einzelnen
wieder von neuem nachdrück-
lich nach Ausdruck verlangte, war der der
Erlösung — und Zeichen dieses Gedankens
ist das Kreuz. Gehäuft tritt uns das Kreuz-
motiv entgegen auf dem Grabsteine zu
Hundborg (Abb. ö).

Nun sehen wir, wie man sich des
Kreuzmotivs bemächtigt, es in fortwähren-
der Abwechslung wiederbringend, zerdeh-
nend, zerflechtend, wie man es ins Orna-
ment einwirkt oder mit Ornamenten be-
kleidet oder begleitet, es gebraucht als
Hauptstück oder als Attribut, oder gar selbst
zum Ornament macht. Das ist denn so germanische Art. Ein
Erstarren in der Form und in die Form ist dabei ausgeschlossen.
Kein größerer Gegensatz, als der zwischen den Erzeugnissen
solcher einfachen, lebendigen, boden-
ständigen Kunst und der öden Erschei-
nung eines Judenkirchhofs, oder der
nicht erfreulicheren eines heutigen christ-
lichen, in dem
Kreuz an Kreuz
(wohl gar schräg
liegend, wie auf
dem Domkirchhof
in Hildesheim!) die
unglücklichste
Form eines Denk-
mals, die es geben
kann, möglichst
gleichartig, mit
möglichst magern
Inschriften, sich
aufpf lanzt; wo man
dem kleinsten Auf-

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28) Aus der Kirche
zu Skinnerup.

30) Doppelgrabstein von der
Kirche zu Anst.

27) Aus der Kirche zu
Rynkeby auf Fühnen.

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33) Feldkreuz bei Aastrup.
Nach Uldall, Sallinglands Kirker,

32) Der Runenstein vom Dom zu Schleswig. Gezeichnet sogleich
nach der Auffindung. In den Runen waren Spuren roter Farbe.

wand an Geist und der größten Verschwen-
dung an Material den Eindruck der Dürftig-
keit selbst entnimmt.

Jenegermanisch-christliche Kunst dagegen
durchmißt in kurzer Entwicklung den Weg
hindurch bis zur allervollkommensten Grab-
malkunst: zur plastischen Darstellung der im
Denkmal festzuhaltenden Person selber (Abb. 5,

30 u. 31).

Verständig gebunden ist alle diese Kunst
durch die Rücksicht auf das Material. Den
Granitblock zu bewältigen, auch nur zur Platte
auszubilden, ist eine Aufgabe von
großer Schwierigkeit. Ihn ins
Kleinste durchzubilden mag semi-
tischen und andern orientalischen
Völkern, die mit den Händen ihrer
Sklavenscharen arbeiten, wohl ge-
mäß sein. Wenn aber der freie
Germane den Stoff bezwingt, und aus ihm den
Ausdruck seiner Gedanken herausholt, kommt
etwas ganz anderes heraus, als wenn der Ägypter
die polierten Porphyr- und Ba-
saltskulpturen hat anfertigen
lassen. —

Sobald man nachher auf
der jütischen Halbinsel anfing,
an Stelle des zuerst ganz aus-
schließlich benützten Granit-
findlings Kalksteinplatten zu
benutzen, die man geschäfts-
mäßig aus Gothland bezog, trat
die Wendung ein, indem man
auch in der Arbeit von dem
Individuellen zum Geschäfts-
mäßigen überging. Siebewirkte
zugleich eine Vermehrung der
Erzeugung und Verflachung der
Eigenart. Man konnte nun aufmeißeln oder
aufmeißeln lassen, was man wollte. Der
bequemen Nachbildung fremder Vorbilder
und Muster war der Damm weggenommen
und darüber verschwindet nun auch schnell
sowohl was sich an Eigenart in der seit-
herigen Grabmalkunst aus der heidnischen
Zeit her noch herübergerettet, als was sich
in der Richtung von dorther weiter ent-
wickelt hatte. Altertümliche Formen treten
zurück, ziehen sich zu den Paganen aufs
Land; bei ihnen findet man die verküm-
merten Ausläufer jener Kunstübung noch
bis in späte Jahrhunderte in einzelnen Beispielen, wie denn
auch in ihr Hausgerät bis lange nach der Reformation noch

romanische Formen hereinspielen kön-
nen, und altvolkstümliche Züge, gleich
den Zügen heidnischen Glaubens, da
und dort zum Ausdruck kommen.

Das älteste Denk-
mal aus Kalkstein,
das wir haben, steht
dem Heidentum
noch ebenso nahe
wie derjellinger Kö-
nigstein, und kann
als ein nicht minder
unverfälscht germa-
nisches Denkmal
gelten. Es ist ein
kleiner Runenstein
(Abb. 32), den ich
1898 unter dem
Dome zu Schleswig

31) Grabstein des etwa
1145 gestorbenen Bischofs
Hermann von Schleswig.

Im Dome zu Lund in
Schonen. Erstes datiertes
Beispiel einer Bildnis-
darstellung.

34) Von der Kirche zu
Rubjärg.

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