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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 24.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.27776#0289
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1908

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 9

beth Iselin, eine
Schweizerin, als
Sommersitz das
»Schlößchen« er-
bauen und
nannte es nach
ihr Liselund
(Lund = Hain).
Sie teilt mit ihrem
Gattenden Ruhm
der schönen An-
lage; aus ihrer
Heimat mögen
die mancherlei
Anklänge an
Schweizer Bau-
weise, wie die ge-
malten Fenster-
umrahmungen,
übernommen
sein. Jedenfalls
sollte das zier-
liche, versteckte
Nestchen mit all

nen Niedergangs
durch die Na-
poleonischen
Kriege, und Cal-
mettes Sohn und
Erbe verschleu-
derte zudem in
wenigen Jahren
das große Ver-
mögen, das der
Vaterzusammen-
gebracht. Bald
starb auch er und
hinterließ das
Schlößchen sei-
ner Witwe, einer
geborenen Mak-
keprang. Diese,
nach den Bildern
eine der ersten
Schönheiten Dä-
nemarks, hat
während ihres
langen, fast sech-

Affenzimmer.

seiner Kunst- und Naturschönheit den stilvollen
Rahmen bilden für die schöne Frau. Noch stehen
im Park zwei anmutige Bildwerke, zwei Grazien,
ihre Schwester erwartend. Kein Wunder also,
daß die Erinnerung an sie noch heut in der
Umgegend fortlebt, und manche sie als »weiße
Dame« durch Haus und Park wandelnd gesehen
haben wollen.

Das kleine Schlößchen enthält, wie die
Grundrißskizze zeigt, nur wenig Räume. In der
Mitte liegt — in der Front durch den Säulen-
vorbau betont und mit drei Flügeltüren nach
dem Park als Hauptraum der »Gartensaal«,
vornehm behaglich ausgestattet mit all der An-
mut und Zierlichkeit, die den Salons aus der
Zeit Ludwigs XVI. eigen ist. Daran schließen
sich seitlich je zwei kleinere Zimmer, rechts der
»Affensaal«, so genannt nach den Affen, die auf
der fein modellierten Dekoration der Spiegel
zwischen vergoldeten Palmen umherkletternd
und in den Medaillons der Wandmalerei dar-
gestellt sind, und (ohne die im Grundriß ge-
zeichnete Verbindungstür) die »Winterstube«;
links die beiden Schlafzimmer der Herrschaft,
deren reizvolle Nischenbildung unsre Abbil-
dung zeigt. Hinter dem Gartensaal liegt der
Flur mit der Treppe zum Unter- und Dach-
geschoß, und jenseit desselben der Speisesaal,
dessen breite Fenster und Türen nach drei
Seiten freien Ausblick in den Park gewähren,
während der ringsumlaufende Säulengang angenehme Kühle und gedämpftes
Licht auch bei heißestem Sonnenbrände gewährleistet. Das Untergeschoß
enthält die Küche nebst Zubehör, das Dachgeschoß die Kammern der

Dienstboten.

De la Calmette
starb als Amt-
mann von Möen
und Geheimrat
schon 1803. Sein
Grabstein trägt die
von einem Ge-
heimrat von Moltke
verfaßte franzö-
sische Inschrift:

npirnn

Denkmal der Frau
de la Calmette.

»Du sentiment, du
goüt, des gräces,
ami! tu respectas
les traces;
nature te guida
quand ton genie
crea

cet endroit deli-
cieux, environs
ravissants!
vois Liselund, vois
ton ouvrage,
qui dans son beau j
te rend hom-
mage,

et fier de toi uous
dit, je suis son
monument!«

Auch seine
schöne Gattin liegt
in ihrem geliebten
Park begraben.

Dann kamen
die schlimmen Zei-
ten des allgemei-

Teilansicht aus dem Gartensaal.

zigjährigen Witwenstandes einsam und zurück-
gezogen dort gelebt und treulich darüber ge-
wacht, daß in Haus und Park alles unberührt
und unverändert blieb. Und selbst die Zeit
hat hier, statt wie sonst grausam alles Ver-
gängliche zu zerstören, die Schönheit nicht ge-
mindert. Träumerischer nur und geheimnis-
voller wirkt das alte Schlößchen durch die leisen
Spuren seines Alters, die wie feine Fältchen
in einem lieblichen alten Gesicht erscheinen,
und der Park hat in dem darüber hingegangenen
Jahrhundert erst seine volle malerische Schön-
heit gewonnen.

Liselund gehört jetzt dem Baron F. Rosen-
krantz, der sich an einer andern Stelle im
weiten Park ein behagliches weiträumiges
Wohnhaus gebaut hat. Das alte Schlößchen
steht meist unbenutzt, doch — wie unsre Bilder
zeigen — völlig ausgestattet und mit allem
schmückenden Beiwerk, mit Porzellan, Glas,
Fayencen u. s. w. aus der Zeit seiner Ent-
stehung versehen, ein vollkommenes Kultur-
bild aus der Zeit der Schäferspiele, wie es in
gleicher Einheitlichkeit wohl nur selten zu finden
ist, eine der schönsten Perlen in dem reichen
Schatze vornehm bürgerlicher Kunst Dänemarks,
aus dem C. Zetzsches Werk Zopf und Empire
von der Wasserkante« so treffliche Proben bringt.


Ofen im Speisesaal.

Schlafzimmer der Frau.
 
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