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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 24.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.27776#0308
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1908

ARCHI TEKTONISCHE R UN DSC HA U

Heft 12

Friedhof in Brugg. Architekt: A. Froelich in Charlottenburg.

Frankfurter Baugesetz, das dem ästhetischen Auf-
bau der Gebäude auch nicht die geringsten Zu-
geständnisse macht, hindert den Architekten nur
allzusehr in der Entwicklung seiner Baugedanken.

Tafel 95. Wohnhaus des Verlags-
buchhändlers J. F. Lehmann in München.
Architekt: Carl Ebert in München.

Das Haus liegt nach Süden frei, von der
Straße durch einen 10 m breiten Vorgarten ge-
trennt, auf den übrigen drei Seiten von altem
Waldbestand umschlossen. Für den Grundriß
waren die besonderen Wünsche des Bauherrn maß-
gebend. Wohn- und Schlafzimmer sind nur an
der Süd- und Ostseite des Hauses angeordnet.
Im Erdgeschoß sind die Diele und die Wohn-
zimmer reicher ausgestattet und mit Wandtäfelung
versehen. Im übrigen ist der Ausbau einfach aber
sehr solid. Das Äußere ist aus dem Grundriß
entwickelt mit Anordnung vieler Sitzplätze im
Freien. Die Fassaden sind rauh geputzt, das
Giebelfachwerk und der Dachüberstand in dunkel-
braun gebeiztem Eichenholz hergestellt. Terrassen
und Fundamente sind in Zementkunststein aus-
geführt, das Dach mit Ziegeln gedeckt. Das Haus
ist mit Zentralheizung ausgestattet.

Tafel 96. König Georg-Gymnasium
in Dresden. Architekt: Stadtbaurat Hans
Erlwein in Dresden. (Zum Artikel auf S. 102.)

Entstehen und Vergehen der historischen
Bauformen.

An der Wende des 20. Jahrhunderts stehen Baukünstler und baukunst-
liebende Laien vor einer Änderung des künstlerischen Fühlens und Denkens,
wie sie bis dahin seit den ersten Schritten der Menschen in künstlerischer
Ausgestaltung ihrer Werke noch nicht dagewesen ist. Alle Überlieferung
scheint unterbrochen. Die Alten verstehen die Jungen, diese ihre Lehrer
nicht mehr und das macht sich mit einer Brutalität geltend, welche die
Alten mit Sorge für die Zukunft überhaupt, die Jungen mit froher Zuver-
sicht erfüllt, daß ihnen die Zukunft gehört.

Ohne hier die Berechtigung der Bezeichnung erörtern zu wollen,
unterscheiden wir in der Geschichte der Baukunst zwei Formenkreise, den
antiken und den mittelalte rlichen, sogen, gotischen, in welche sich
im weitesten Sinne die Bauwerke aller Völker und aller Zeiten einordnen
lassen. Die Unterscheidung findet jeder, der der Formensprache Verständnis
entgegenbringt. Fragt man aber, worin die Unterschiede bestehen, so
findet man eine Reihe von Erklärungen, aber keine knappe Bezeichnung.
Die Kennzeichen sollen daher im nachstehenden aufgesucht werden.

Bei den ersten Schritten, die der Mensch auf dem Gebiete der Kunst
versuchte, kann er nur durch Vorbilder angeregt worden sein, die er in
seiner äußeren Umgebung vorfand und nach seiner inneren geistigen Über-
legung umformte und wiedergab. Zuerst können es nur die Gebilde der
Pflanzenwelt: Stamm, Blätter, Blumen und Früchte gewesen sein, die zum
Schmuck des Körpers, der Opfertiere und der Stätte der Opferhandlungen
erst wirklich benutzt und später nachgebildet wurden.

Die Anregung zur Kunstübung in dauerhafterem Material, zu den eigent-
lichen Monumentalbauten, empfing der geborene Künstler, der seinen Mit-
menschen in ihrem Tun und Schaffen ganz von selbst führend voranging,
aus dem Kultus der Ahnen und der Götter. Die Wahrung des Andenkens
an die hervorragenden Männer, die Familie und Stamm beschirmt und
von Ungemach befreit hatten, war auch bei sonst rohen Völkern selbst-
verständlich und gab wohl die erste Anregung, dieses Andenken in monu-
mentaler Form auszudrücken. Das Walten der Naturkräfte, die dem Menschen
bald nützlich, wie die wärmespendende Sonne, bald schädlich, wie die Ge-
witter, welche die Sonne verhüllen und unter Sturm und Wetter ihn per-

sönlich schädigen, konnte sich der Naturmensch nicht anders vorstellen,
denn als unsichtbare Wesen. Sie waren der persönlichen Bitte oder der Für-
bitte zugänglich, waren durch Opfer zu besänftigen oder geneigt zu machen.
Wir begegnen dem Opfer in dieser seiner ganzen Bedeutung des Wohl-
oder Mißfallens der Götter schon bei den ersten Menschen und finden die
Opferstätte durch das ganze Altertum als die höchste Veranlassung
zur Betätigung monumentaler Kunst. Das Mittelalter empfing die gleiche
Anregung durch das Meßopfer der römisch-katholischen Kirche. Mit dem
Fortfall des Opfers in seiner alten Bedeutung seit der Reformation hat
die kirchlich-monumentale Kunst ihren wesentlichen Inhalt verloren und
damit einen Teil des Fundaments, auf dem sie erwachsen war.

Die bürgerliche monumentale Kunst tritt erst in die Erscheinung
als die Kultur zur Bildung größerer Gemeinden und Staaten vorgeschritten
war. Sie entlehnte ihre Ausdrucksformen der älteren Schwester, welche
im Laufe des Kulturfortschrittes immer mehr zurücktritt. Rat- und Gerichts-
häuser, Nutzbauten aller Art werden immer zahlreicher und bilden in der
Neuzeit die bei weitem überwiegende Aufgabe aller baukünstlerischen
Tätigkeit.

Der Stoff, an dem sich eine Kunstübung betätigte, war nur für den
speziellen Fall maßgebend, nicht für den Charakter der Kunstform. Dieser
Charakter bleibt während der ganzen Dauer seines Herrschens erkennbar,
gleichgültig, ob es sich um den Saum eines Gewebes, ein Trinkgefäß
aus Ton, ein Opfergerät in Metall, oder um Säule oder Gebälk eines
Tempels aus Stein handelt. Die gleiche Kunstform modelt alles, was
durch Verzierung hervorgehoben werden soll, und zwar von Anfang an
bei den allerersten Versuchen.

Die älteste Kunstübung entnahm also ihre Vorbilder der umgebenden
Natur, vornehmlich den Pflanzen, deren Wachstum und reiche Ausgestal-
tung den Menschen zum Nachdenken und Nachahmen anregte. Dazu trat
bald der technische Erfahrungssatz, daß freiliegende Massen einer Stütze
bedürfen. Daraus entstanden die Begriffe: Stütze in Wand, Pfeiler und
Säule, und Decke in Tragbalken und Platte.

Mit diesen einfachen Elementen kommt der ältere Formenkreis aus
von den frühesten Versuchen der Kunst bis zu den Römern. Die Materialien
waren Holz und Stein, zuweilen gebrannter Ton, von Anfang an in steter
gegenseitiger Ergänzung je nach Bestimmung des Bauteiles und der be-
reitstehenden Mittel.

Dieser älteste Formenkreis reicht viel
weiter, als man gewöhnlich annimmt. Von
den alten Kulturvölkern Asiens und Afrikas
ausgehend, drangen diese Elemente ältester
Kunst auch ostwärts zu den Indern, Chi-
nesen, Japanern und endlich zu den Mexi-
kanern.

Charakteristisch ist dabei die große
Verschiedenheit der aus den einfachen Ele-
menten der Baukunst entsprungenen For-
mensprache bei den verschiedenen Völkern.
Was bei den Ariern zu den höchsten
Kunstleistungen führte, die der Mensch
jemals hervorgebracht hat, ist bei jenen
Völkern zur Fratze geworden. Die alten,
nach Westen schauenden Kulturvölker
hielten streng an der geradlinigen Decke
fest, gaben den Balken also solche Stärke,
daß sie über den aus gleichem Grunde
ziemlich eng gestellten Stützweiten nicht
durchbogen.

Die nach Osten schauenden Völker,
Chinesen und Japaner, wandelten den hori-
zontal liegenden geraden Deckenbalken in
den durchgebogenen Balken ab, wie er sich
bei Verwendung desHolzes zur Überdeckung

Krematorium in Aarau.

Architekt: A. Froelich in Charlottenburg.
 
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