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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 28.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.27777#0011
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ssrchifekfonische Rundkhau


28. Jahrgang

fieff 1

Der Preisrichter


in großer, durchaus offiziell aussehender
Brief aus der nachbarstadt leuchtet aus
der ITlorgenpost heruor: Er bringt grotje
?reude, nämlich in ehrenden Ausdrücken
die Aufforderung, in das Preisgericht für den Wett-
bewerb in .... bürg einzutreten. Das erstemal,
dafj dem Empfänger dies begegnet, die erste öffent-
liche Anerkennung für sein Wirken, das erstemal,
dafj er Gelegenheit hat, das Wettberoerbmesen Don
der anderen Seite zu betrachten: Flichf als einer,
der beurteilt roird, sondern als einer, der urteilt.
Bisher hatte er seine Erfahrungen mit den Wett-
bewerben gemacht. Als Anfänger hatte er sich
fleifjig an ihnen beteiligt: Schon in den Tagen, als er
noch als „junger Ulann“ auf fremdem Bureau tätig
war, hatte er seine Rächte und seinen bescheidenen
Gehalt der fioffnung auf Sieg geopfert. Später,
als er sich selbständig gemacht hatte, die ganze,
leider oft überreichliche Zeit, in der er ohne Auf-
trag war. Das „Bureau“ wollte beschäftigt sein!
Er zahlte mit Sorgen dem „Ghef“ und den Zeich-
nern ihr Gehalt, uerschob das Beiräten auf eine
Zeit besserer Erfolge und erklärte der Welt, glück-
lich werde man nur durch Bescheidenheit in der
Eebensführung. Es kamen wohl einige kleine Er-
folge, aber die Schlussrechnung nach ein paar Jahren
regen Aeitjes endete mit einem mächtigen Defizit.
Und deshalb hatte er auf den aus Wettbewerben
sich ergebenden Ruhm, aufjer etwa in einer be-
sanden günstig liegenden Sache, uerzichtet. Auch
gab es ja mehr zu tun, und zwar glücklicherweise
endlich lohnendere Arbeit.
Aber er hatte sa seine Erfahrungen und war
sich klar, dafj unsereWettbewerbuerhältnisse dringend
der Reform bedürfen, dafj durch sie den aufstreben-
den Architekten schwere, unuerantwortliche Casten
auferlegf werden und dafj die Urfeilssprüche doch
oft recht anfechtbar seien.
Das hafte ihn die sorgsameBeobachtung der Aus-
heilung der Preisarbeiten nach dem Urteilsspruch
gelehrt. Da waren moderne Preisrichter gewesen,
die uon oornherein erklärt haben dürften : Stilkunst
pafjt nicht zur Aufgabe. Oder umgekehrt! Da
war Flafurfreunden die Führung zugefallen, deren
Grundsatj war: Das Denkmal muls sich der Cand-
schaft einordnen. Oder es hatte die andere An-
sicht zum Siege geführt: Das Denkmal mufj die
Candschaft beherrschen! Ihm schien einer dieser
Sätje genau so weise wie der andere! Oder in

der Jury wurde es als uon oornherein festsfehender
Satj aufgestellt: Der ?estsaal im neuen Rathaus
mufj unbedingt an der Strafe A—B liegen. Und
so war nach „Grundsätjen“ das Urteil gefällt wor-
den. Die Konkurrenten aber tagten sich: Warum
haben die Preisrichter nicht schon im Aussehreiben
ihre Ansicht kundgegeben? Dann hätte man sie
ja prüfen und wenn man sie für falsch erachtet,
auf das mittun oerzichten können!
Alsa an den Preisrichtern liegt die Schuld! Sie
sind leichtfertige Ceute, die womöglich gar nur
nach dem fionorar fragen, das sie einstreichen!
Unter ?reund ging also in den Architektenoerein
und stellte dort den Antrag, in die slorm für Wett-
bewerbe einige Paragraphen hineinzubringen, die
den armen Konkurrenten oor den bäten Preis-
richtern schütjen tollten.
nun war er aber selbst ein salcher. Er schaufe,
ehe er die Einladung beantwortete, in die norm
und begann zu rechnen: Die Bähe der ausgelobten
Preise stimmt. Es sind mehr ?achleute als Richt-
fachleute im Gerichte, tüchtige IJlänner, mit denen
zusammenzuarbeiten eine ?reude ist: sreilich, Ge-
heimer Baurat RJüller wird sicher einer anderen
Ansicht sein wie unter ?reund, und Oberbaurat
Schulze einer dritten: man sleht aber die gute
Absicht des das Aussehreiben oorbereitenden Stadt-
baurats : Er wollte jeder Kunstrichtung gerecht
werden! fieitjt es doch ausdrücklich: Eine be-
stimmte Stilrichtung wird nicht oorgeschrieben.
Die Unterlagen sind sorgfältig, fachmännisch
bearbeitet, die sorderungen an Zeichnungen nicht
zu hoch, ja es sind ausdrücklich bestechende Blätter
Derbeten worden, jene großen Schinken, mit denen
unter ?reund seinerzeit selbst nach den Würsten
des Caien im Preisgericht warf. Dazu heifjt es im
Einladungsschreiben, die ITleister lllüller und
Schulze hätten schon zugesagt: Also in diesem
?alle kommt es nur darauf an, dafj die Jury
selbst sorgfältig arbeitet: Alles andere ist in Ord-
nung. Die Antwort ging zurück mit dem Ausdruck
des Dankes für die Ehrung und der Bereitwillig-
keit zur Annahme, ln diesem oder jenem Punkte
bat unter sreund allerdings noch um eine weitere
Klarlegung.
Er begann die Unterlagen näher zu studieren:
IJJan mufj sich selbst doch ein Bild der möglich-
keiten machen. Aach ein paar Tagen legte er die
Sachen beiseite: Es hat die Geschichte ihre sehr
 
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