Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 28.1912

DOI Heft:
7. Heft
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27777#0035
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ssrchifekfonische Rundschau

28. Jahrgang

fieff 7


1. Palasf Theodorichs des Grofjen in Raoenna. Ulosaikdarstellung in S. sspollinare Iluouo.
Aus: Haupt, Die älteste Kuntt, insbesondere die ßaukunst der Germanen. Verlag uon H. R. sudtuig Degener in Ceipzig..

Zur Geschichfe der Königshalle.
Von Willy Pastor in Berlin-Wilmersdorf.
Hierzu 2 Textabbildungen, soruie Tafel 105 und 106.

'Tn den Worten Königshalle und Kongsgaard liegt für
uns Balladenstimmung. Sie führen die Phantasie
3 zurück ins sllittelalfer, wo es am romanfischsten und
rifterlichsten ist. Rur bis zu dieser Gpoche freilich scheint
das Wort für den Gedanken Tragfähigkeit zu haben. Jn
Wahrheit aber sind die Königs- und Häuptlingshallen
steinzeitalt. Aus dem Grundrifjgewirr neolithischer Siede-
lungen pflegt ein Grundrifj lieh herauszuheben durch
größere und freiere Rbmessungen. Wie um diesen be-
herrschenden Grundrifj her alles andere gruppiert ist,
können mir ihn nur deuten als lefjte Spur einer längst-
oergangenen Halle, die auch in ihrem Rufbau die Gröfje
der Grundanlage nicht oerleugnet haben kann.
Die Anlage selbst bleibt allerdings oerloren. Rieht
einmal die Volkskunde kann da aushelfen. Die Königs-
halle ist die einzige unter allen Holzbauanlagen, für die
die Volkskunde und die Volkskunsf kein Gedächtnis hatten.
Die Großen des Rlittelalters bauten mit Steinen, und nur
in Ginzelheifen (welchen, werden wir noch seilen) lösjt
ihre allen Reuerungen so leicht zugängliche Bauart noch
auf die Urzeit schliefjen. sür die Volkskunsf oerkümmerte
recht schnell die bedeutungslos gewordene alte stolze Halle,
und gar bald war, wie Dietrichson in seiner „Holzbaukunst
Rorwegens“ zusammenfassend lagt, „die alte Arestue sowie
die Rauchofenstube nur, was sie ganz ursprünglich war:
ein Bauernhaus“. So sind wir denn angewiesen auf die
Titeratur, insbesondere, was an Andeutungen in den is-
ländischen Sagas stehf. Gott sei Dank ist es so reichlich,
dasj die sorschung mindestens das Gesamtbild wiederher-
stellen konnte, das das Innere solch einer Halle bot. Wir
geben hier den zuoerlässigsfen, oon Gudmundsson ge-
wonnenen Rekonsfruktionsoersuch wieder, den auch Olrik
in dem uortreffliehen Buch „Rordisches Geisfesleben“ seinen
Ausführungen zugrunde legte (Tafel 105, Abb. 5).
Der erste Gindruck scheint, wenn wir noch nicht zur
Decke blicken, uns wohloertraut. Der Ginraum eines nur
stattlich erweiterten Blockhauses tut lieh oor uns auf.
Ginzig am Herd und an den Tängsbänken hat sich etwas
geändert. Statt oon der alten, steinumgebenen Herdgrube
lodern die slammen empor oon einem gestreckfen Tang-
feuer. Die Halle hat mit der ITlachf der Häuptlinge an
Ausdehnung gewonnen: auf das Doppelte und mehr musjte
ihr Grundrisj ausgezogen werden, und da reichte das be-
scheidene Rundfeuer der alten Zeit nicht mehr aus.

Roch klarer kommt die Verschärfung der gesellschaff-
lichen Gegensätje zum Ausdruck an den beiden Tängs-
bä'nken, Hüben und drüben ist in der Rütte durch ein
Säulenpaar je ein „Hochsitj“ abgesteckt. Der oornehmere
liegt an der Rordseite, wo das Sonnenlicht — alles ist
ja im Germanischen auf die Sonne orientiert — am stärksfen
einfiel, den Thronenden am lebhaffesfen umgab, de näher
dem Hochsitz der Gasf seinen Plaij bekommt, um so höher
ist er oom Hausherrn geehrt.
Diele Säulen haben ihre eigene Geschichfe. Wie wert
sie dem Herrn der Halle waren, deutet schon die reiche
Schnitjerei an, die sie dem Auge wohlgefällig macht. Sie
waren das eigentliche Wahrzeichen der Halle und so ge-
weiht, dafj oiele der Häuptlinge, die unter Harald Schön-
haar landflüchtig wurden, sie mit nach Island, ihrer neuen
Heimat, nahmen. Ursprünglich standen sie noch ziemlich
nahe der Wand, mit dieser wahrscheinlich oerbunden durch
Querhölzer, die als Armlehnen dienen mochten. Dann
wurde der Hochsitj zum selbsfändigen Thron, einem jener reich-
geschnitjfen Stühle, deren Pracht uns heute noch begeisferf.
Die Säulen traten, wie unter Bild das zeigt, mehr in die ITlitte.
So weit mufjte die Gntwicklung bereits gediehen sein,
als jenes nordische Volk nach Süden kam, dem wir die
Grundlagen der sogenannfen ägäischen Kultur oerdanken,
ln Tiryns und in Rlykene haben wir bei den Hauptbaufen
oder lllegaren die nämlichen oier Säulen, dem Herd schon
ganz nahe gerückt, im Grundrifj erhalten. Sie waren aus
Holz, und nur die Basis, auf der sie ansetjfen, war sfeinern.
Ich kann es nicht unterlassen, meiner Verwunderung darüber
Ausdruck zu geben, eine wie geringe Beachtung gerade
die oier das Dach tragenden Säulen im mykenisch-tiryn-
thischen lllännersaal bisher gefunden haben. Die Grundrifj-
übereinsfimmung mit der Anlage der nordischen Königs-
halle ist schlagend, und niemand wird bestreiten, dasj eins
aus dem anderen heroorgegangen sein müsse. Jn der Zeit
der Sagas war im ganzen Weltgebief der Kunst aufjer im
Horden dieser Bautypus längsf ausgestorben, und wie in
zahllosen anderen sällen hätten die Rordleute auch hier,
wenn sie ihre Weisheit aus dem Süden holten, erstaunlich
unterrichtete Archäologen sein müssen. Das ist natürlich aus-
geschlossen, und so müssen wir wiedereinmal ein nordisches Ur-
oorbild annehmen, das durch Rassenwanderungen nach Süden
gebracht wurde, wo es sich dann weiter zur Grundanlage des
niegaron und ferner des steinernen Antentempels entwickelte.
 
Annotationen