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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 28.1912

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9. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.27777#0043
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28. Jahrgang Rrchifekfonikhe Rundschau Reff 9

WMertürme, geifern und heute.
Von JTlagistrafs-Baurat Professor 0. Stiehl in Steglitj.
fiierzu Tafel 130—133.

Der heutige Städtebau bietet weniger Gelegen-
heit als derjenige älterer Zeiten, um starke
Betonung einzelner Punkte und damit be-
herrschende bauliche Gindrücke zu erzielen. Ins-
besondere itt die lebhafte Umrißwirkung, mit der
die alten Kirchen und ihre Turmbauten ihre llach-
barschaft zu überragen pflegten, heutigestags des-
halb im allgemeinen nicht mehr erreichbar, roeil
man Kirchen und ihre Türme heutzutage roesentlich
kleiner, die Wohnhäuser oiel größer zu bauen pflegt
als ehemals. In roenigen sällen nur bieten die fort-
schreitenden Aufgaben hygienischer und gewerblicher
Art Gelegenheit, dielen grundsätjlichen lllangel in
etroas auszugleichen. Der Bau non WalTertürmen,
wie sie heute selbst für kleinere und kleinste Städte,
ja für größere öffentliche oder gewerbliche Anlagen
ein Bedürfnis bilden, stellt eine solche günstige Ge-
legenheit für bauliche ITtalTenwirkungen dar, denn
sie bilden in der Regel Bauwerke üon 10 13 m
Durchmesser im mindesten und einer Höhe non etwa
30 m, also non recht erheblichen ITlaßen. Cs ist
nur zu bedauern, dafjdiese Gelegenheit, monumentale
nü^lichkeitsbauten zu schaffen, bis oor kurzem meist
oerpaßt wurde, einer mißoerstandenen Ableitung
der sorm aus einteiligen konstruktmen Gedanken
zuliebe. Gs ist die Jnßesche Konstruktion der Wasser-
behälter, welche, ingenieurmäßig wohlüberlegt auf
die Grsparnis non Gisengewicht ausgehend, zu der
sorm der pakalartig geformten Wassertürme geführt
hat, die mit mächtig ausladendem Kopf und schmäch-
tigem Unterbau das Gegenteil monumentaler Ruhe
ausdrücken und in ihrer schematischen Wiederkehr
untere deutsehen lande Dielfach oerunzieren. Sie
bilden geradezu ein Schulbeispiel dafür, wie die
rationalistische Anschauung, daß eine gute Kanstruk-
tion auch eine gute künstlerische Wirkung ergeben
müsse, irreführt, wenn nicht das überlegene künst-
lerische Urteil aus den oerschiedenen möglichen
Konstruktionen die künstlerisch brauchbare heraus-
wählt und der Weiterbildung zugrunde legt. Gs
dürfte lieh daher wohl lohnen, ihren Verhältnissen
ein paar Worte zu widmen.
Die Pokalform der Türme ging, wie getagt,
aus üon der rechnerischen Grsparnis an Gisen,
welche dadurch erreicht wurde, dafj man denWasser-
behälter nicht am Rande, sondern mehr nach der
mitte seines Bodens hin auflagerfe. Schade nur,

dafj diese Grsparnis nach gesunden! geschäftlichem
Verfahren des Grfinders zum größten Teil auf-
gezehrt wurde durch die an diesen zu zahlenden
Patentgebühren. Weiter wurde eine wesentliche
Grsparnis an lAauerwerk behauptet, weil der engere
Auflagerkranz einen geringeren Umfang des unter-
stüßenden ITlauerwerks erforderte, ldun ist an sich
die Grsparnis an ITlauerwerk gerade kein günstiges
niotio für monumentale Wirkung, zudem aber lag
auch hier eine Selbsttäuschung zugrunde, denn die
Stärke des oberen Turmmauerwerks berechnet sich
fast rein aus dem senkrechten Druck des schweren
Wasserbeckens, und es ist für die KolTen recht gleich-
gültig, ob der erforderliche ITlauerquerschnitt um
einen engeren oder einen weiteren Kreis herum-
gelegt wird. sür die weiteren ITlauerpartien aber,
besonders für das sundament, bei denen die Auf-
nahme der sehr erheblichen Winddruckbeanspru-
chungen in srage kommen, sah man sich denn dach
genötigt, mit scharfer Dossierung wieder breitere
Grundrißmaße zu gewinnen, die schließlich im
sundament wieder über die Breite des mächtigen
„Wasserkopfes“ hinausgehen. Da erscheint es doch
einfacher und richtiger, auch im konstruktmen Sinne,
auf die gewaltsame und unmonumentale Cinschnü-
rung der Baumasse zu üerzichten und das Unter-
stüßungsmauermerk in etwa gleich bleibendem
Durchmesser Dom sundament bis zum Becken auf-
wärts zu führen, sehr zum Vorteil richtiger und
selbstsicherer Wirkung.
Die sorm der Pokaltürme ist wohl allgemein,
auch ohne oorstehend gegebene Begründung, als
häßlich erkannt. Vielfach aber glaubt man an der
sorderung festhalten zu müssen, dafj der Charakter
des Wasserturms zum Ausdruck gebracht werden
salle, indem der obere Umgang, der behufs besserer
Überwachung und Unterhaltung um das Wasser-
becken gelegt zu werden pflegt, als Auskragung
nach außen hin sichtbar erscheint. Auch dies führt
wegen der übermäfjigen Größe der dazu erfordere
liehen, nicht künstlerisch, sondern oerstandes-
gemäfj bemeslenen Auskragungen meist zu uner-
freulichen Grscheinungen. Dieser Anspruch beruht
auf der Annahme, daß das Wasserbecken natur-
gemäß gerade .in seiner Außenkante unter-
stüßt werden müsse. Aber auch diese Annahme
ist einseitig und unberechtigt; denn es steht
 
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