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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 29.1913

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Voepel, Otto: Die neuen Königlichen Hoftheater in Stuttgart
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https://doi.org/10.11588/diglit.27734#0022
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Paul Schmohl & Georg Staehelin, Stuttgart Putherkirche in Feuerbach, in Ausführung begriffen. (Zu Tafel 26—27)

Das Königliche Finanzminifterium hafte non uornherein be-
ftimmf, daß die Ausführung der Bauten im Ganzen zu uergeben
fei. Zur Übernahme derfelben uerbanden fich die Firma Baugefchäft
Heilmann & Bittmann G. m. b. H. in lllünchen und die Stutt-
garter Architektenfirma Paul Schmohl & Georg Staehelin
zu einer Zroeckgefellfchaft „General-Unternehmung für die
Reubauten der Königlichen Hoftheater in Stuttgart“ und
oerpflichteten fich mit Vertrag nom 11, Auguft 1909 zur Ausführung
des Großen Hanfes und des Verwaltungs- und ITlagazinsgebäudes
im Generalakkord.

Die Baukoften betrugen:

1. Koften des Wettbewerbs.ITT. 69 000

2. Grofjes Haus (92 184 cbm umbauter Raum) rund „ 3 993 500

3. Kleines Haus mit Verbindungsbauten nach dem
Verwaltungs-u.Klagazingebäude (54 730 cbm) rund „ 2 163 500

4. Verroalfungs- u. JTlagazingebäude mit Verbindungs-
bauten nach dem Großen Haufe (38 503 cbm) rund „ 1 106 000

5. Rebenanlagen (Straßenherftellung, Beleuchfungs-

maften ufw.) ohne den non der Hofgartendirektion
ausgeführten gärtnerifchen Schmuck . . . rund „ 122 000

IR. 7 454 000

Run noch einiges über die künftlerifche Durchbildung des ge-
roalfigen Baumerkes. Der König als Bauherr hatte möglichfte
Schlichtheit des Äußeren gecoünfcht. Bittmann kam diefem Wunfche
nach, indem er die ihm roohloertraute Formenfprache eines moderni-
fierfen Klaffizismus als Ausdrucksmittel für feine Abfichten benutzte.
Hiermit ift es beim Grofjen Haufe gelungen, in der Doppelfäulen-
ftellung der gefchroungenen Front mit der figurengefchmückten
Attika eine großzügige, der inneren Bedeutung des Baues enf-
fprechende Wirkung zu erzielen. (Vielleicht, daß die Figuren im
Verhältnis zu der Höhe, in der fie ftehen, und zur Klaffe des Baues
etroas zu klein find und auch in der Auffaffung zu rnenig monu-
mental roirken, oder daß das Doppelmotio der Säulen in der Attika
und Bekrönung eine Fortfeßung uerlangte.) Die große Zurück-
haltung in der Formgebung ift auch an der Rückfeife des Großen

Haufes und namentlich an dem beide Häufer uerbindenden Ver-
roalfungsgebäude oon befter Wirkung. Am Kleinen Haufe dagegen
möchte man fie bedauern. Cs ift doch lehr zroeifelhaff, ob der
ftreng antike femplum in anfis das enffprechende Antliß einer Stätte
ift, die in erffer Pinie dem modernen Schaufpiel und der intimen
Oper gewidmet ift. Klit diefem Zweifel im Herzen betritt gewiß
mancher das Haus und wird dann uöllig überrafchf durch einen
in Ausftattung und Stimmung im beften Sinne modernen Zufchauer-
raum. Warm getönte Kirfchholztäfelung, ruhige, oon allem oer-
wirrenden Zierat freie Wandflächen, ein einfach-kräftig profilierter
Bühnenrahmen bewirken die nötige Behaglichkeit zum Genuß einer
IRozartoper und eine durchgeiftigte Abgefchloffenheit zum Verfenken
in, ein Ibfenfches Seelendrama. Zwilchen diefem Raum und der
daoorgeftellten antiken Tempelfaffade klafft ein unüberbrückbarer
Gegenfaß. Diefer tritt beim Großen Haufe nicht fo kraß in Crfcheinung,
weil hier auch die Ausftattung des Zufchauerraums, namentlich
was den plaftifchen Schmuck anbetrifft, fich mehr im Rahmen der
klaffiziftifchen Überlieferung hält; nur in der Farbengebung find
neue Akkorde angefchlagen worden: Grau, Gelb, Blau und Silber
geben dem Raum eine gemiffe kühle, bei gedämpfter Beleuchtung
faft geifterhafte Stimmung. Das Foyer des Großen Haufes fchließt
fich an deffen gefchmungene Rückwand konzentrifch an und wirkt
infolgedeffen mehr als feftlicher Wandelgang, denn als gefchloffener
Raum; es dürfte weniger für Abhaltung befonderer Feftlichkeiten,
als lediglich für Konuerfafion und Cercle in den Paulen berechnet
fein. Die Ausftattung der übrigen Repräfentationsräume ift oornehm
fchlicht, die königlichen und prinzlichen Gemächer find mit edelften
Werken der Plaftik und Klalerei gefchmückt.

Auf alle Cinzelheifen des fo uerfchiedenen Anfprüchen dienen-
den Werkes kann hier unmöglich eingegangen werden. Cine er-
fchöpfende Darftellung bietet die reichilluftrierte Sonderoeröffent-
lichung der Verlagsanftalt oon Alexander Koch in Darmftadt, der wir
einen Teil unterer Abbildungen oerdanken. Cs fei nur noch das
unendlich behagliche, allerdings auch fehr wenig klaffiziftifch aus-
geftattete Reftaurant rühmend heroorgehoben, das gewiß mancher
in dem nach außen fo kühlen, ftrengen Bau nicht erwartet. V.

Architektonifche Rundlchau 1915
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