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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 29.1913

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Ritter, Heinrich August: Architektur und Plastik am Roland zu Bremen
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https://doi.org/10.11588/diglit.27734#0023
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Architektur und Plaftik am Roland zu Bremen

Von Regierungsbaumeitter H. fl. Ritter, Oldenburg

Obgleich die Tatfache, daß lieh große Gefamtroirkungen in der
Kunft nur bei organifcher Verfchmelzung der Ginzelkiinfte
erzielen laffen, zu den Gemeinplätzen der Unterhaltung
über Kunftfragen gehört, fo ift doch das Wie und Wodurch eine
frage geblieben, Dar der auch
das gefchultere Empfinden und
Denken unterer Zeit in Dielen
fällen nicht glänzend behän-
den hat. Vereinzelte Großtaten
können nicht darüber hinroeg-
täufchen, dafj diele fchroierige
Aufgabe durchfchnittlich noch
nicht mieder mit dem feinen
Takte gehandhabt roird, der
felbff die einfacheren Werke
früherer Perioden auszeichnet.

Die frei für fich ffehende Denk-
malskunft zeigt das gleichfam
im Gxtrakt. Soroohl in der
Wahl des Standortes roie in
der Behandlung der Ginzel-
formen laffen fich an ihr inner-
halb der letjten zroanzig Jahre
die mannigfachften Schmankun-
gen und Irrtümer nachmeifen.

Aus diefent Grunde fordert fie
in befonders ftarkem ITlafje zu
Vergleichen mit den Werken
alter Kunft heraus, und da der
Ausflug, den die Architektonifche
Rundfchau mit diefent Hefte an
die Wafferkante macht, gerade
an einem mit Recht berühmten
ITlonumente oorbeiführf, fo fei
es geftattet, einige Vorzüge des-
felben, die angefichfs nerroand-
ter Werke aus neuerer Zeit be-
fonders auffallen, hier kurz dar-
zulegen.

Trotjdem fich der Roland
zu Bremen auf freiem Platje
und Dar prunkenden Gebäuden
zu behaupten hat, beforgt er
dies mit befteni Grfolge fchein-
bar ganz aus eigener Kraft. Die begleitende Architektur kommt
dem Befchauer kaum zum Beroufjtfein. Sie ift roeder ein Hinter-
grund, an dem der Roland mit fchlecht oerhüllter Abfichtlichkeit
Halt fucht, noch bringt fie fich felbftgefällig auf eigene Rechnung
zur Geltung. Von roelcher Seife man fich auch nähert — mit Aus-
nahme der Rückanficht natürlich — ffefs nimmt die Geftalt des
mächtigen Hüters allein das Auge gefangen. Die kräftige Architektur
ift der an JTlaffe roeit geringeren figur derart untergeordnet, dafj
jeder ihrer herDorftechenden Teile nur auf diele Bezug nimmt. Gin
archifektonifcher Hintergrund im Sinne moderner Denkmale und

befonders Denkmalentroürfe ift überhaupt nicht oarhanden. Die
figur hebt fich nicht roie ein ornamentiertes Anhängfel Dar einer
breiteren Steinmaffe ab, fondern macht im Gegenteil felbff die ganze
Breite des Denkmales aus. Die Architektur kommt erft über dem Haupte

zur Geltung, um als Baldachin
die Kraft des gleichfam dem
Boden enfroachfenen Riefen zier-
lich ausklingen zu laffen und
außerdem in Beziehung zu der
umgebenden Platjarchitektur zu
bringen. Plaftik und Architek-
tur find unter beherrfchender
Varanftellung der Plaftik zu
einer untrennbaren Ginheit uer-
roachfen. In geiftreicher Weife
ift diefe Wechfelroirkung felbft
in der Seitenanficht durchgefetjt,
roo doch der Steinpfeiler die
doppelte Breite der figur befitjt.
Der in der Profilierung des
Pfeilers organifch Dorbereitefe
krönende, reich ornamentierte
Dreizack roirkt nicht als Schmuck
der neutral gehaltenen Säule,
fondern als fortfeßung des
Baldachins, der fich durch einen
tiefen Schatten über der figur
abfetjt.

Die Stilifierung der figur
felbft läfjt bei aller architek-
tonifchen Strenge des Aufbaues
nicht die mindefte Härte oder
Abfichtlichkeit erkennen. Und
fchroerlich roird man eine monu-
mentale Plaftik unterer Tage
finden, bei der die Ornamentik
fa gefchickt benutjt ift, um das
Architektonifche des Aufbaues
zu unterbrachen und zu be-
leben. In der Verfchmelzung
oon Architektur und Plaftik
kann das Rolanddenkmal als
klaffifch bezeichnet roerden.

Das Zufammenklingen des
Denkmalaufbaues mit der Platjarchitektur ift durch dieWahl desStand-
ortes roefentlich gefördert. Sie trägt der für feine Höhenroirkung
günftigen Steigung der Platjfläche nach dem Rathaufe hin ebenfo ge-
fchickt Rechnung roie dem Umftande, dafj der Illatjitab der Architektur
des Rathaufes ein fehr nahes Heranrücken geftattet. Dadurch roird die
feftigkeit der äfthetifchen Verankerung auf der Platjfläche außer-
ordentlich erhöht, und roeil das Denkmal überdies fo geftellt ift, daß es
oon den roichtigften Zugängen aus überrafchend, in geringer Gntfernung
und dementfprechend groß in das Blickfeld tritt und daß es ferner
zufammen mit dem Rafhaufe die Richtung der am Plaßrande ent-

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