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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 29.1913

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Behrendt, Walter Curt: Neuere Baukunst in Schlesien
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https://doi.org/10.11588/diglit.27734#0061
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morden; die tragendenTeile
find aus Gifenbeton herge-
ffellf, mit Kiefelrourfbeton
geftampft und in ihren
fichtbaren flächen fteinmeß-
mäfjig bearbeitet, geftockt
oder fcharriert behandelt.

Die Zroifchenroände find mit
Ziegelmauermerk ausgefeßf.

Die uertikalen Stützen hat
Poelzig zur rhythmifchen
Gliederung der fronten be-
nußf und fie in einer das
Hlotio der dorifchen Säule
frei uerroertenden form
durchgebildet. Sie treten
mit halbelliptifchem Grund-
riß uor die Wandfläche, und
ihre Kanneliiren find, den
Gifeneinlagen des Beton-
kärpers entfprechend, über
den Gchinus forfgeführt,
roelcher, gemäß der Kon-
ftruktion des Betonbaues,
mit dem Schaft der Stufen
zu einem homogenen Körper
uerfchmolzen ift und an den
Seiten eine ftärkere Aus-
ladung als in der Vorder-
flache erhalten hat. Über
diefer Stütjenftellung ift
ein rouchtiger Architrao und
eine fchroere Attika ange-
ordnet, und auf diefem
breifgelagerfen Unterbau
oon quadratifchem, um einen
roeiträumigen Gartenhof
gruppierten Grundriß er-
heben fich, je auf den
Hütten der flügelbauten,
oier gedrungene Kuppeltürme, zroei mit analer, zroei mit kreis-
runder Grundform. ]n ihrer architektonifchen Gliederung ift das
Stüßenmotio der fronten in leicht oariierter form und in fchlan-
keren Verhältniffen roieder oeraiertet morden. Die räumliche
Grfcheinung diefes Ausftellungshaufes ift non eindrucksnoller ITlonu-
mentalität und nermag die Wirkungen eines künftigen Gifenbetan-
ftils andeutend norroegzunehmen. Im Innern des Ausftellungs-
gebäudes, namentlich in den Kuppelfälen, hat Poelzig erfolgreich
eine Ausfchmückung mit ftarken ungebrochenen farbtönen nerfucht,
die in raumgliedernden feldern und umrahmten flächen aufge-
tragen find.

llach Poelzigs Gntraürfen find im übrigen auch eine Reihe der
prouiforifchen Bauten ausgeführt, mit denen das Ausftellungsgelände
befetzt ift. Der Haupteingang, das Haus des Künftlerbundes Schlehen
und die Gartenkunft- und Verkehrshalle mit dem hübfchen und
namentlich in derfarbigen Behandlung derlnnenräume roohlgelungenen
Weinreftaurant „Rheingold“ find Poelzigs Werk. Von ihm ftammt
auch der Plan der Gefamtanlage, der in der eindrucksoollen Gruppie-
rung der oerfchiedenen Ausftellungsgebäude eine ftadtbaukünftlerifche
Peiffung erften Ranges darftellt. Die aus den Wirkungsbedingungen der
Jahrhunderthalle entroickelte Anlage der um ein halbooales Waffer-
becken geführten Pergola macht dem Talent des Baumeifters und der
kunftfärdernden Gefinnung der Bauherrin alle Ghre (Tafel 172 u. 174).

^ .J.

mit der Jahrhundertausftellung ift eine umfangreiche Gartenbau-
ausffellung oerbunden, die namentlich in ihrem retrofpektiuen Teil
fehr hübfch und gefchickt arrangiert ift. Angelehnt an den Säulengang

um das Wafferbecken find
nach dem Plan des bekann-
ten Botanikers Roten fechs
hiftorifche Gärten angelegt
morden, roelche die Gntroick-
lung der deutfchen Garten-
kunft uon ihren erften ge-
regelten Anfängen zur Zeit
der Karolinger bis zum
Gmpire in anfchaulicher
Weife erkennen laffen. Der
„ Karo lingergarten “ nerfucht
eine Übertragung der auf
dem berühmten Plan des
Klofters St. Gallen uerzeich-
neten Gartenanlagen in die
Wirklichkeit; er enthält ein
kleines Gärtchen zur Pflege
non Heilpflanzen, einen
größeren Küchengarten und
eine Obftbaumplantage.
Hübfch anzufchauen ift das
kleine Burggärtchen am
Rhein oom Jahre 1410, das
unter Benutzung der be-
kannten frankfurter ITlinia-
tur angelegt morden ift.
In dem engräumigen, uon
einer zinnenbekrönten Burg-
mauer umzogenen Gärtlein,
dasmiteinerfchmalenRafen-
bank uerfehen ift, herrfcht
die Zierpflanze uor, darun-
ter uor allem Goldlack und
Peokojen, Päonien und
hohe Stockrofen, die durch
die Kreuzritter aus den
mittelmeerländern einge-
führt roaren. In dem Gar-
ten des Paurentius Scholz
uon Rofenau, eines Breslauer Arztes, ift dann der Typus eines
botanifchen Gartens nach italienischem lAufter dargeftellt, roie er im
16. Jahrhundert in Deutschland oerbreitet mar. Der Garten, der
lange Jahre eine Sehensroürdigkeit uon Breslau geroefen ift, mar,
nach den Angaben des Katalogs, durch Kreuzmege in uier Quartiere
geteilt. Das erfte mar den Zmiebelgemächfen geroidmet, das die uon
den Türken nach Guropa gebrachten afiatifchen Zierpflanzen, Hya-
zinthen, Tulpen und Kaiferkronen und die in ihrer farbenmannig-
faltigkeit mit dem Regenbogen roetteifernden Iris barg. Gin anderes
Viertel mar für die Rofen beftimmf, deren der Garten Schon eine
ganze Anzahl, darunter auch frifch aus Italien eingeführte gelbe auf-
mies. Das drifte Quartier trug die Stauden und Kräuter, darunter
als befondere nierkroürdigkeiten die erften Kartoffeln und den Tabak,
beide aus Amerika. Gin Baumquarfier endlich machte den Schluß;
lange Paubengänge luden zum Wandeln im Schaffen ein.

Die den Ginfluß der italienischen Renaiffance uerratende Auf-
faffung des 17. Jahrhunderts, die den Garten als ein architektonisches
Kunftroerk uerftand und eine ftreng rhythmifche Aufteilung des Geländes
mit geraden, heckengerahmten Wegen, mit Rafenflächen und Terraffen-
bauten forderte, zeigt der kleine Beloederegarfen der Ausstellung,
deffen architektonische Anlage nach Gntmürfen des Breslauer Archi-
tekten Th. Gffenberger ausgeführf ift. Den Wandel der form-
anfchauung uon der ftrengen Regelmäßigkeit der Renaiffance zum
gebrochenen Pineamenf des Barocks läfjt der hübfche Bürgergarten
erkennen, der mit feinem farbenreichen Blumenfchmuck, mit feiner
Sonnenuhr und feinen buchsbaumgerahmten Beeten eigentlich den
Abfchluß der retrofpektiuen Ausheilung bildet. Denn der Innenhof
des Poelzigfchen Ausftellungshaufes, deffen gärtnerifche Anlagen nach

W. Wagner, Stadt- Gmpfangshalle des Gefchäftshaufes

baurat in Glogau D.Scheier in Glogau. (Vgl.Tafel 170)

flrdiitektonifche Rundtchau 1915
Seite 51
 
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