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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 29.1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27734#0381
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flrchitektonilche Rundlchau

1913,9

Seife VII

gabung im Schatten der Srauentürme machten und reifen
Iahen.

mit einem deuttchen Zimmer fing er, der Schüler
Ileureufhers, Anno 1876 an, im Glaspalatt. mit dem
Deuttchen Kluteum auf der Jfarinfcl härte er auf. Eine holze
Entroicklungslinie geht durch die oierzig Jahre dietes Schaffens.

Vom deuttchen Zimmer aus wollten die Torenz Qedan, Ru-
dolf Sei 13 und Georg Hirth dem neuen Deuttchen Reiche
ein deuttches Bürgerhaus erobern, und Seidl, der junge
Architekt, ttellte tich begeittert in den Dientt dieter kunttgeroerb-
lichen Reformidee. Cr baute als ertte größere Aufgabe im
Jahre 1879 tattächlich ein „Deuttches Haus“, das Gatthaus
gleichen Flamens am ITlünchner Karlsplaß. Cs itt ein tchlichter
Giebelbau, glatt oerpußt, im Stile jener tüddeuttchen Renait-
tance, rcie man tie in Augsburg und anderen obcrdeuttchen
Reichsttädten noch findet. für das damalige ITlünchen vuar
der Bau, den coir heute kaum bemerken, etwas neues. Denn
er uerzichtete uollkommen auf jene billige Scheinarchitektur,
jene fattadentchroelgerei, roie tie die Gründerzeit in Tteudeuttch-
land hatte ertfehen latfen. Dietes Haus trug den Stil der alten
Zeit nicht zur Schau wie ein fatchingskleid, tondern roie ein
tchlichtes anttändiges Werktagsgeroand. lind das roar und
blieb das Enttcheidende.

Denn als nun die Aufträge kamen, aus ITlünchen und
oon auswärts, als Seidl Kirchen und Kapellen, Rathäuter und
Wirtshäuter, llluteen und Schlotter, ttädtitche und ländliche
Villen erbaute, da waren alle diete Arbeiten Stilarchitekturen
in dem Sinne, daß tie die Stilelemente der älteren Zeiten
offen zur Schau trugen. Aber räumlich gettaltet, konttruktio
erdacht waren tie immer oon Gabriel Seidl. Die dreitchiffige
Batilika der romanitchen St.-flnna-Kirche (1887) behauptet tich
unter den übrigen romanitchen Kirchen ITlünchens durch ihre
pertönliche form, die keine Kopie itt, und als Seidl zum
Barock überging und hier recht eigentlich die fruchtbartfen
Anregungen fand, war er doch kein Stilfanatiker und Spezialist,
roie es manche Gofiker geweten find, tondern er nahm und
uertchmolz, er tchroeißfe die Einzelheiten zur Einheit. So ent-
standen die behäbigen Bierhallen mit breiten fenttern,
mächtigen Pfeilern, flachen Wölbungen und nertäfelten Wänden
in ITlünchen, Berlin, Straßburg, to erwuchs aber auch die
uornehme und fettliche Villa Tenbach, und im kätflich aus-
ttaffierfen ITlünchner Künttlerhaute (1896) bewies Seidl
tchon durch die feintinnige Dispotition des Grundrittes, durch
die Verlegung des Hauptbaues an die Rückleite des Plaßes,
dal) er allen tchematifchen Tötungen feind roar. nimmt man
tich aber den Grundriß des Bayritchen nat i o n al m ut eu ms uor, für das
Seidl 1894 den Wettbewerb gewann, to lieht man aufs neue, roie liebeuoll
überlegt hier die lange front durch kluge Abweichungen uon der Starren
Baulinie gegliedert itt, roie Höfe und Gärten an rechter Stelle ausgetpart find,
und wie das Ganze doch eben als ein Ganzes zutammengehalten wird.
Gerade bei dieter Aufgabe, roo es tich um eine würdige Architekfurbekleidung
oorhandener Kulturdokumente handelte, gelang Seidl das Schier Unmögliche:
romanitche und gofitche, Renaittance-, Barock- und Rokokomotiue gleichtam
enfroicklungsgetchichtlich zu benußen und miteinander organitch zu oerbinden.
Die fettliche Heiterkeit des JTlittelbaus z. B. konnte nicht leicht getchmackuoller
gelött werden.

ln ähnlicher Weite, nur beschränkter imHufroand, baute Seidl in Speyer
das Candesmutcum der Pfalz.

Von den zahlreichen Priuathäutern ITlünchens, die er betonders in
der uornehmen Briennerttraße errichtet hat, ging eine Wirkung auf das
getarnte Bauroefen der Stadt aus, die wir, auch wenn wir heute andere Ziele
tehen als Seidl, nicht aufrichtig genug tchäßen können. Wenn ITlünchen heute
in teinem Antliß weniger Spuren barbaritcher Proßerei trägt als irgend eine
deuttche Großttadf, roenn es einen bodenständigen Charakter beaiahrt hat und
folid bürgerlich geblieben itt, roo Berlin, Frankfurt, Breslau oder Köln mehr
oder minder „hochherrtchafllich“ uerunziert wurden, to danken wir das oor-
nehmlich dem ttillen, aber eindringlichen Wirken Gabriel Seidls. Sein Rat
hat in unzähligen fällen Unheil oerhütet; in den Preisgerichten, die ihn
nach auswärts riefen, hat er unermüdlich das Scheinroeten, das der S a ch e
Eintrag tat, bekämpft. Ob er auf Solche Art nicht auch manchen guten
Keim behindert hat? Geroiß er roar konteroatio, aber reaktionär roar
er nicht.

Cr lernte um und lernte neu, roenn es not tat. Ulan tehe den lleubau feines
Deuttchen Kluteums an, und man roird ihm das zubilligen. Hier ent-
zündete tich feine konttruktioe Phantafie an Raumformen uon geroaltigtfem
Ausmaf3e, und zugleich rechnete tie kühn mit den tektonitchen Kläglichkeiten
des neuen lllaterials. Der Citenbetonbau läfjt geroifj noch andere Tötungen
zu, aber to, roie er hier in das Tandtchaftsbild der Stadt eingefügt itt, be-
deutet er eine Tötung, mit der Seidl tich Selber übertroffen hat. Gerade teine
hittoritierende Richtung, die ihm lein Teben lang lieb geworden roar, roar ihm
bei dieter feiner monumentaltfen Aufgabe im Wege. Dal) und roie er tie dem
Dientt des großen Baugedankens unterordnete, roird ertt die Zukunft erkennen,
die fein Werk uollendet tehen darf. Cr hat es nicht mehr erleben dürfen,
aber er hat lange genug gelebt und geroirkt, um unuergetten zu bleiben.

93

A. & f. Herold
(B.D.A.), Teipzig

Verwaltungsgebäude, oon
der Ausheilung getehen

Von der Internationalen Baufach-flusltellung in Leipzig 1913

Kleiner Führer durch die
Internationale Baufach-Husftellung in Teipzig

913

Von Dr.-Ing. W. Dietrich (ß. D. H.)-Ceipzig

m Jahre 1909 tah Teipzig zum eilten Jllale eine allgemeine Bauausttellung
im Anfchlufj an eine oorangegangene Generaluertammlung des Zentral-
oerbandes deuttcher Zementroaren- und Kunfftteinfabrikanten. Sie gab einen
hübtehen Getamtüberblick und bot manches lTeue, aber es war in der lTatur
der uorliegenden Verhältnitfe begründet, dal) tie nicht ertchöpfend fein konnte,
nachdem tie aber in fachkreiten roie im Taienpublikum oolle Anerkennung
gefunden hatte, lag es auch nahe, daß der Gedanke auffauchte, durch eine
im grofjen ITIafjttab gehaltene Ausheilung ein Getamtbild des gegenwärtigen
Standes des getarnten Wohn- und Bauroetens zu geben, in technitcher roie
auch in künttleritcher Hinticht, und die forttchritfe in der Bau- und Bauttoff-
induhrie foroie moderne Verroendungsmöglichkeiten alter und neuer Bauhoffe
zu zeigen. Cs bedarf Schließlich keiner betonderen Crroähnung, dal) unter
den Iet3tcren die beiden mächtigsten Rioalen in der modernen Baukuntt, der
Citenbeton und das Citen, die unter modernes Architekturbild formal beein-
flußt haben, in ganz heroorragender Weite oertreten find.

Wie ratch das allgemeine roie auch tachliche Interette für die Ausheilung
rouchs, geht am augentcheinlichtten daraus heroor, daß der urtprünglich für
diefelbe angenommene Plaß oon 225 000 gm fchließlich auf 400 000 qm uer-
größert werden mußte.

Der Plan, nach dem die Ausheilung errichtet wurde, itt das Ergebnis
eines unter den Teipziger Architekten ausgefchriebenen Wettbewerbes, aus
dem die Bauräte Weidenbach & Ttchammer, Architekten (B.D.A.), als Träger
des ertfen Preites heroorgingen. Das zur Verfügung behende Gelände bot
manche Schwierigkeiten, die zu reizoollen und glücklichen Tötungen Anlaß
gegeben haben. Cs entbehrt oor allem des natürlichen Schmucks alter
Bäume, der der Dresdener Hygiene-Ausheilung in to reichem Kloße betchieden
roar. Der Cinfluß dieter Ausheilung itt in ttilittitcher form nicht zu oer-
kennen; die Hauptausttellungsbauten zeigen im Grunde klattizittitche Grund-
formen, und nur die jeweilig untchroer zu erkennende pertönliche Tlote oerräf,
daß tie oon der Hand oertchiedener Kleiber ttammen. lllir pertönlich roill
es bedauerlich ertcheinen, daß durch eingettreufe kleine Bauten, die, für tich
betrachtet, zum größten Teile recht reizooll find, manche großen architek-
tonitchen Grundgedanken oertchleiert oder enthebt werden. Aber roie der
Jllcntch nicht allein oom Brot lebt, to lebt eine Ausheilung nicht allein oon
der Kuntt. (Sortierung Seite VIII)
 
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