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Neue Baukunst in München.

Die süddeutsche Residenz, die dem modernen Kunstgewerbe die zahlreichsten Talente
zugeführt und die nachhaltigsten Antriebe vermittelt hat, zeigt auf dem Gebiet ihrer
eigenen architektonischen Entwicklung ausgesprochen konservative Züge, Das hat
mancherlei Ursachen. Zunächst ist die Münchener Bevölkerung auch nicht annähernd in
dem weiten Sinne gemischt, aus allen deutschen Stämmen neu zusammengesetzt wie etwa
die Berliner, sondern hier an der Isar ist eben der Bayer zu Hause, der meist schon
durch ein paar Generationen mit München irgendwie verbunden ist, auch wenn seine
Wiege nicht grade im „Tal“ oder in der Theatinerstraße stand. Daneben gibt es freilich
eine sehr zahlreiche „norddeutsche Kolonie“, heute vielleicht schon 80—90 000 Menschen,
die im geistigen Leben der Stadt eine recht aktive Rolle spielen. Das architektonische
Antlitz Münchens aber verrät nicht viel davon. Es ist in seinen entscheidenden Zügen
durch die Tradition bestimmt.

Diese bauliche Überlieferung nun wurzelt durchaus im 17, und vor allemim 18. Jahr-
hundert, Bayern ist ein katholischer Staat, Als Österreich und seine Kaiserstadt sich
nach den Religions- und Türkenkriegen mit Prunkbauten schmückten, als die italischen
Barockmeister über die Alpen gerufen wurden und der Glanz des Pariser Hofes über
den Rhein drang, wollten die bayerischen Kurfürsten nicht zurückstehen. Die Zuccali,
Barelli, Viscardi, die Cuvillies, Effner, Gunezrainer, Asam haben in jenen Jahrzehnten
von 1670—1750 Kirchen, Paläste und Schlösser in großer Zahl gebaut, die heute zu den
prächtigsten Baudenkmälern der Stadt gehören. Der Klassizismus Ludwigs I. und seiner
akademischen Baumeister hat daneben nicht aufkommen können. Das Ludwigsviertel
steht kühl und streng neben der rauschenden Formenfreude, der spielenden Phantastik
der alten Bauten in der Innenstadt,

Das Bürgerhaus hat diese Entwicklung bescheiden mitgemacht — bescheiden, denn
reiche Leute waren in München rar. Außer ein paar Brauern, einigen Großkaufleuten
gab es noch unter König Max in den fünfziger Jahren wenig Wohlhabende unter den
Bürgern, die einen baulichen Aufwand hätten treiben können. Der König, ein eifriger
Freund und Förderer der „organischen Bauweise“, wollte dem Klassizismus seines Vor-
gängers einen „einheitlichen zeitgemäßen Baustil“ entgegenstellen, kam aber über eine
verunglückte Gotik in seiner Prachtstraße nicht wesentlich hinaus. Die Bürgerhäuser
blieben bei ihrem einfachen Herkommen, der glatten Fensterwand im körnigen Rauhputz,
mit durchlaufendem Sims und ein paar geometrischen Ornamenten, Keine Aufbauten
noch Erker, das Dach breit gelagert und selten mit Mansarden ausgebaut.

Der Historizismus, der dann über Deutschland kam, hat in München eine Anzahl
repräsentativer Bauten hinterlassen und ganzen Vierteln sein Gepräge gegeben, z. B, am
Gärtnerplatz, und in den Vorstädten Haidhausen und Nymphenburg. Wenn sich die
Fassadenherrlichkeit auch hier noch in erträglichen Grenzen und von allzu protzigen Aus-
wüchsen freihielt, so lag dies abermals daran, daß die Bauspekulation an der Isar nicht
so billiges Geld verdienen konnte wie in den industriell oder kaufmännisch regeren Groß-
städten des Nordens, Sodann aber hatten Künstler wie Seitz, Gabriel v. Seidl und Len-
bach trotz ihrer ausgesprochen antiquarischen Neigungen Geschmack und Einfluß genug,
das Schlimmste zu verhüten. Und Seidl insbesondere war während drei Jahrzehnten

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