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schöpferisch wirksam genug, um durch seine eigenen Bauten eine Reihe von guten Bei-
spielen zu geben, wie man im engsten Anschluß an die Überlieferung der süddeutschen
Renaissance- urfd Barockformen zu eigenem architektonischen Ausdruck gelangen konnte.

Von der anständigen Baugesinnung, die durch den Einfluß der Künstler in München
wachgehalten wurde, hatten nicht zuletzt die Staatsbauten den Gewinn, Es ist für
jemand, der aus Preußen kommt, zunächst schwer faßlich, daß eine königliche Baubehörde
nicht der Inbegriff akademischer Nüchternheit und schematischer Architekturexempel sei;
daß sie vielmehr in künstlerischem Geiste arbeitet und vom Neuen das Gute nimmt, so
sehr sie kann. In Bayern und speziell in München gehören die staatlichen Bauten der
neueren Zeit zu den erfreulichen Erscheinungen, Der bayerische Staat ist arm, er kann
also nicht reich bauen. Er hat überdies das Erbe der kunstfreundlichen Wittelsbacher zu
verwalten. Man verlangt von ihm einen Aufwand für Sammlungen und Bildungsanstalten
aller Art, der eigentlich die Kräfte und, genau genommen, auch die Bedürfnisse des kleinen,
vorwiegend agrarischen Landes übersteigt. Sobald aber der Landtag zu knausern begann,
ist regelmäßig das Gespenst von Münchens „Niedergang als Kunststadt“ mit Erfolg zitiert
worden. Und dies Schuldgefühl einer großen Vergangenheit gegenüber mag auch die
akademische Versteifung der bauamtlichen Bürokratie zu einem guten Teile verhindert
haben. Die Fälle, in denen gerade jüngere Baubeamte mit wichtigen Aufgaben betraut
wurden und sie auch selbständig lösen durften, haben sich in den letzten Jahren gemehrt.
So bekamen wir den prächtigen Erweiterungs- und Ausbau der Universität durch
G, Bestelmeyer, ein neues Hauptzollamt nach Entwurf von Hugo Kaiser, ein großes
Doppelgymnasium nach Entwurf von Karl Höpfel, militärische Bauten von Sigismund
Göschei.

Der ansehnlichste und repräsentativ wichtigste Bau der letzten Jahre ist das neue
Verkehrsministerium von Karl Hocheder. Stadtbaulich betrachtet, liegt es ungünstig
unweit des Hauptbahnhofs, nahe bei Brauereien und Kasernen, auf einem Gelände, das
zur Erweiterung des Bahnhofs hätte dienen können und nun die Schienenstränge ein-
schnürt. Es ist eine in mehrere Flügelbauten aufgelöste Baugruppe mit einer Straßen-
überführung, dem Ganzen fehlt leider trotz des massiven 70 Meter hohen Kuppelturmes
ein beherrschendes Zentrum. Es verrät in den behäbig geschweiften Barockformen, mit
doppelt abgewalmten Mansardendächern, abgeschrägten und vorgewölbten Giebeln, Voluten,
Erkern und Simsbekrönungen eine ersichtliche Unschlüssigkeit, die Grenzen der Zweck-
mäßigkeit einzuhalten und doch einen gewissen repräsentativen Aufwand zu betonen. Es
ist ein Bau, der mehr rückwärts als vorwärts gewandt ist und künstlerisch keinen Gewinn
bedeutet. In Anbetracht der zehn Millionen Baukosten ein etwas kärgliches Resultat.

Auch das neue Hauptzollamt weit draußen am Schienengewirr des Güterbahnhofs
bleibt vorerst für das Stadtbild und für das Straßenbild Münchens indifferent- Immerhin
schiebt sich die große Zollhalle mit gelben Wänden, steilem, rotem Ziegeldach und vor-
gelagerten grauen Schutzhallen für die Wageneinfahrt bis dicht an die Bahnstrecke heran
und fällt allen Reisenden als ein charakteristisches Wahrzeichen ins Auge. Der Bau ist,
das sieht man sofort, ein vollkommen moderner Zweckbau, der nicht mehr rückwärts
blickt, sondern voraus. Drei verschiedene Projekte hatte der Architekt, Reg.-Assessor Hugo
Kaiser, auf einem Platze von 35 000 Quadratmetern zu vereinigen: neben der großen
Speicherhalle und dem Verwaltungsgebäude für das Hauptzollamt die Bauten für die zoll-
technische Prüfungs- und Lehranstalt und drei Beamtenwohnhäuser mit 50 Wohnungen;
dazu dann verschiedene kleinere Bauten wie Feuerhalle, Pförtnerhaus u- dgl. Im einzelnen
spezialisierte sich das Programm dann noch mehr: eine große Schalterhalle für die Abferti-
gung des Publikums, eine Lagerhalle für die Zollgüter, ein Freiladehof, eine Automobil-

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