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dert, um die Freiübungen der Kinder in freier Luft auch bei schlechtem Wetter zu er-
möglichen.

Ebensowenig wie die Schulen müssen unsere Kasernen der Inbegriff architekto-
nischer Langerweile sein. Auch in München auf dem Marsfelde, und weiter nach Ober-
wiesenfeld zu, hat man dem blutigen Kriegsgotte zu Ehren die rote Farbe in recht zweifel-
haften Ziegelbauten abschreckend wirken lassen, obwohl in der alten schlichten Türken-
kaserne der angestammte Putzbaustil als ein gutes Beispiel vorhanden ist. Die militärischen
Neubauten von Sigismund Göschei zeigen nun, wie durch rein sachliche Erwägung und
durchempfundene Gestaltung der berüchtigte Kasernentypus im Zuchthausstil zu über-
winden ist. Unter den Bauten der letzten Jahre ist das Offiziers-Kasino des Artillerie-
regiments mit anschließendem Mannschafts- und Farmlien-Wohngebäude außen wie innen
ein ungemein erfreulicher Fortschritt zur kultivierten Wohnlichkeit hin. Wesentlich um-
fangreicher sind die Anlagen für die Telegraphentruppe, Das Hauptgebäude mit 170 m
Front, einem runden Übungsturm mit Kupferdeckung, einem wuchtig profilierten Portal
hebt sich mit glücklichen Proportionen aus seiner Umgebung heraus. In hellem glattem
Putz auf Betonsockel mit vorgezogenen Quergiebeln an den langgestreckten Seitenflügeln,
mit reichlicher Anwendung von Eisenbeton in allen Konstruktionsteilen, wirkt diese große
Baumasse vollendet einheitlich- Es gelingt ihr sogar, die übliche übergroße Ausdehnung
des Exerzierhofes, an dessen Grenzen sich eine Reihe von niederen Depoträumlichkeiten
hinzieht, wirksam zu beherrschen. Die leichten Anklänge an den oberdeutschen Barock
kehren beim Neubau des Bezirkskommandos und der Landwehrinspektion wieder. Und
aus der kriegerischen Portalplastik in Muschelkalk von Julius Seidler, der an beiden Bauten
mitgearbeitet hat, spricht der gute Geist der aufblühenden Münchener Plastik, die ihren
Anschluß an die Architektur gefunden hat.

Der bedeutendste Neubau der Stadt ist der 14 Millionenbau des Krankenhauses
in Schwabing von Rieh, Schachner, Bedeutend weniger durch eine Monumentalisierung
des architektonischen Ausdrucks, den man ja neuerdings bei Krankenhäusern geflissentlich
ohne pathetischen Aufwand bevorzugt, aber bedeutend als technische Bewältigung der Auf-
gabe, für insgesamt 1300—1400 Kranke auf einem Gelände von 178 000 qm die mannig-
fachsten Unterkunftsräume zu schaffen, wozu dann die Bauten für Anstaltszwecke und
für das Heer der Angestellten und Ärzte hinzukommen. Es sei immerhin hervorgehoben,
daß man hier größere Krankensäle vermieden und den Grundsatz der Verteilung von einem
bis zwölf Betten auf den Raum einheitlich durchgeführt hat. Daraus ergab sich für den
Baumeister ein ungemein ausgedehntes System von Gängen, im Gegensatz zum Saalbau-
system, wie es zumeist angewendet wird. Anstatt der üblichen zweigeschossigen Anlage
der Pavillons wurden drei Geschosse gebaut.

Ein Blick auf den Lageplan zeigt dem Hauptgebäude parallel gelagert drei gestreckte
Krankenbauten mit Querflügeln, Gartenhöfen und Alleen; sämtliche vier Trakte sind durch
gedeckte Gänge miteinander verbunden- Während die Hofbauten wesentlich nach prak-
tischen Gesichtspunkten ausgeführt sind, ist das Hauptgebäude mit der kleinen Anstalts-
kirche zu einer anziehenden Baugruppe vereinigt. Über den glatten Putzwänden in licht-
brauner Terranova-Tönung sitzen die Ziegeldächer ganz knapp auf, der Mittelrisalit wird
durch die einfachen Mittel einer doppelten vermehrten Fensterreihung, einer Terrasse für
die geschützte Anfahrt und einigen farbigen Flächenschmuck als Zentrum der Schauseite
hervorgehoben, zwei derbe Säulen mit dem Zeichen des Äskulap schmücken den Vorplatz,
Reichlich angebrachte Spaliere geben dem Erdgeschoß fürs Auge einen festeren Halt, sie
finden sich auch in den Innenhöfen überall, wie denn überhaupt das Mauergrün mit Büschen,
Ranken und Bäumen reichlich in die Architektur einbezogen ist. Die weit ausgedehnte
massive Umfassungsmauer mit ihren traulichen Brunnennischen und behaglichen Pavillons
umfriedet die gesamte Anlage. Sie erhebt keineswegs den Anspruch, irgendwie äußerlich

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