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bedeutend zu sein, wird aber durch ihre Lage allmählich auf natürlichem Wege zum charak-
teristischen Zentrum des Münchener Nordviertels heranwachsen.

Von Hans Gr äs sei, dem älteren Amtskollegen Schachners, ist in den letzten Jahren
außer dem kürzlich vollendeten Wehramt, das ich hoffentlich bei einer späteren Gelegen-
heit im Bilde zeigen kann, im wesentlichen das Bürgerheim hervorzuheben, die Stiftung
eines Müncheners für alte Bürger und ihre Angehörigen, die gegen eine mäßige Vergütung
Aufnahme und Pflege finden sollen. Der weiße Bau mit seinen grünen Läden entfaltet
seine besten Eigenschaften nach dem Gartenhofe zu, wo z, B. der Mittelrisalit mit dem
kleinen Uhrturm und einer flach vorgeschobenen Portalterrasse zu freundlicher Wirkung
kommt. Man kann sagen, daß Grässel hier wie in seinem eng benachbarten großen Waisen-
hause, und endlich auch in seinen zahlreichen Schulhäusern dem alten Münchener Barock
eine vorsichtig erneuerte Sprache gegeben hat. Seine Bauten, mag es nun ein Millionen-
projekt oder ein Zollhäuschen oder auch nur ein kleiner Brunnen für den Waldfriedhof
sein, wirken sehr bodenständig und, was dasselbe sagen will, selbstverständlich.

Das Geschäftshaus hat in München nicht ganz die rasche Entwicklung durch-
gemacht wie in anderen deutschen Großstädten. Die Gründe dafür wurden oben schon
erörtert. Noch vor etwa 20 Jahren gab es keinen solchen Bautypus in München. Heute
zählen wir in der Innenstadt annähernd 30—40 Gebäude, die lediglich Arbeitsräume ent-
halten. Ein Warenhausstil hat sich nicht durchsetzen können. Unsere großen Waren-
häuser sind mit dekorativen Einzelheiten des Wohnhauses geschmückt, sie zeigen fränkische
Giebelaufsätze, Terrassen und Baikone der Augsburger Renaissance, sie wollen keine reinen
Pfeilerbauten mit Fensterfüllungen in Glas und Eisen sein, sie halten am Prinzip der durch-
brochenen Wand fest. Natürlich gibt es auch hier manche Entgleisungen des Geschmackes,
aber im großen ganzen sind uns die argen Entstellungen, wie sie durch die Sucht nach
übermäßig breiten Schaufensterflächen in den Unterbau so vieler großstädtischer Geschäfts-
häuser gekommen sind, doch erspart geblieben, Man gibt dem Erdgeschoß gern eine Bogen-
Architektur oder betont die Tragfähigkeit des Unterbaus durch das schöne Kalkstein- oder
Tuffsteinmaterial, das in München seit alters den Vorrang vor Granit und Sandstein hat.
Die Architekten Honig und Söldner haben sich da rühmlich hervorgetan. Das Haus der
großen Delikatessenfirma Dallmayr gehört vielleicht nicht zu den dankbarsten Aufgaben
dieser Art, es steht in einer engen alten Straße und kann sich den Luxus einer irgendwie
beträchtlichen Gliederung nicht leisten. Die Erbauer haben also durch kräftige vertikale
Profilierung und plastischen Schmuck für eine würdige Haltung der Fassade gesorgt; im
Laden selber haben sie den Charakter des Kaufgewölbes ausgezeichnet getroffen. Im
übrigen zeigte sich auch in München die wirtschaftliche Ungunst der letzten Jahre durch
ein Abflauen der Baulust gerade für größere Geschäftshäuser,

Von einem Neubau jedoch, der trotz der schlechten Konjunktur entstanden ist, dürfen
wir im Ton der höchsten Anerkennung sprechen, ich meine den kaufmännischen Arbeits-
palast der Münchener Rückversicherungsgesellschaft, Beim öffentlichen Wettbewerb
erhielten zwei jüngere Baukünstler den ersten Preis: 0, E. Bieber und W, Hollweck, Beide
traten mit dieser ungewöhnlichen Arbeit zum ersten Male selbständig hervor. Man würde
das neue Haus nicht gerade für ein kaufmännisches Riesenkontor halten, eher für den
feudalen Stadtpalast irgend eines großen Herrn, der zu leben weiß und sich als Mäzen
fühlt. Wenn wir uns auch daran gewöhnt haben, daß Kauf- und Warenhäuser durch bau-
künstlerischen Aufwand Reklame machen, so ist doch das Kontorgebäude, sieht man von
den bedeutenderen Lösungen Messels, Behrens’ und Högers ab, im allgemeinen ein nüch-
ternes Zweckgebilde geblieben. Hier nun begegnet uns inmitten von Mietpalästen auf einem
Gelände von etwa 10 000 qm ein vornehmer Bau mit einem großen Garten davor, in allen
vier Schauseiten sorgfältig durchgearbeitet, still und repräsentativ dabei — ein Palast des
Kapitals, der jede Protzerei vermeidet. Allerdings ist ja auch ein Institut wie die genannte

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