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Rudolf Schmid-Freiburg.

Wenn ich in diesem Aufsatze von der gut begründeten Gewohnheit der Fachzeit-
schriften abweiche und von einem persönlichen Erlebnis statt von einer sachlichen Fest-
stellung ausgehe, so tue ich es in dem Gefühl, auf diese Art am eindringlichsten mitteilen
zu können, was mir zu sagen nötig scheint. Ob dieses Gefühl richtig ist, das zu beurteilen,
bleibe dem Lesenden überlassen. Aber er sollte es erst am Schlüsse tun.

Es war im Frühsommer vorigen Jahres, daß ich fast ohne Zwischenstation von Paris
nach Freiburg kam. Ich hatte jahrelange Studien über Paris als Werk der Städtebau-
kunst glücklich abgeschlossen (Studien, deren erstes Resultat ich in einem Vortrag in der
Internationalen Ausstellung für Städtebau mitgeteilt habe) und war mehr als je von der
Schönheit dieses Kunstgebildes erfüllt. Der Reiz der guten alten deutschen Stadt, die ja
zum großen Teil wohl erhalten ist, wirkte um so stärker auf mich. Hier trat eine andere
Möglichkeit der Stadt als die der großen romanischen Zusammenfassung sinnfällig und
unmittelbar überzeugend vor das Auge. Die Wirkung wurde noch dadurch gesteigert,
daß ich gerade zum Fronleichnamstage kam und so die alte deutsche Stadt als den Schau-
platz eines Stückes alten deutschen Lebens fand. Ein unvergeßliches Erlebnis, Der
Abendgang durch die stillen dunklen Straßen, durch die in schmalem Rinnsal überall
lebendige, rauschende Bächlein fließen, und in denen die Menschen geschäftig waren, den
Schmuck ihrer Häuser zu vollenden, ein Werk so herkömmlich vertraut, daß sie kein Licht
dazu brauchen. Am Tag darauf die Prozession durch diese geschmückten Straßen zum
herrlichen roten Münster, von dessen Turm schon das hohe Seil für die Gaukler gespannt
war, die an dem großen Kirchenfest nicht fehlen dürfen. Wie leicht ist so eine alte Stadt
geschmückt! Man umzieht die Fenster mit Grüngebinden oder hängt Kränze zwischen
ihnen auf, und das gute Alltagshaus hat ein gutes Feiertagsgesicht. Auch stand an den
Fenstern manche wackere Wiederholung eines alten nationalen Kunstwerkes, Hier kann
das Volk, unverdorben und unbelehrt, noch seine Sache selbst verwalten. Altes Herkommen
hilft jedem, das Rechte selbstverständlich zu tun. Die offiziellen Altäre, die von der
Kirche gebaut werden, mit ihren Figuren, die so gar nichts Herzhaftes haben, blieben weit
hinter den bescheidenen Anordnungen der einzelnen zurück.

Aber welch ein Fall ins Triviale und Häßliche, wenn man aus der Altstadt in die
neuen Quartiere ging! Freiburg ist eine besonders reiche Stadt, Das gemeine Wesen
und viele ihrer Bürger können sich etwas leisten. Und die Außenviertel haben eine wunder-
volle Lage, da sie bis in die ersten Waldberge hinein laufen. Was unter diesen so außer-
ordentlich günstigen Bedingungen entstanden ist, ist fast durchweg abscheulich. Der moderne
Maurermeister, der schlimmer ist als der alte, weil er sich nicht begnügt und aus vielen
Zeitschriften kritiklos Muster zusammensucht, — dieser moderne Maurermeister führt auch
hier das große Wort, und kein Plan hindert, daß einer gegen den anderen schreit. Der
Jammer dieser Zeit wird beschämend offenbar, und es zeigt sich, wie gering noch der
Einfluß der modernen deutschen Baukultur ist.

In diesem Viertel suchte ich nun das Wenige zusammen, was gut ist. Und dabei
fand ich den Baukünstler Rudolf Schmid, den ich bis dahin nicht kannte, Er hat nicht

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