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Andreae, Bernard [Editor]; Matz, Friedrich [Editor]; Andreae, Bernard [Editor]; Robert, Carl [Editor]
Die antiken Sarkophagreliefs (1,2): Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben: Die römischen Jagdsarkophage — Berlin, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.14580#0051

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2.1.4. DER SARKOPHAG IN REIMS

Sarkophagen klar erkennen. Es ist eine konsequente Fortsetzung des mit dem Sarkophag Mattei II (Kat. 128,
Taf. 13,1) eingeschlagenen Weges; die Abwendung von der erregten, unruhig flackernden Form der Jahrhun-
dertmitte und die Hinwendung zu einer neuen, großgearteten Schönheit, die dem von Plotin203 als »Sichtbar-
werdung des Unteilbaren in der Vielheit«204, als »eine Mitteilung der inneren Idee vermöge der äußeren
Masse der Materie«205 oder kurz als ein »einheitliches Gefüge«206 formulierten Schönheitsideal dieser Zeit
vollkommen entspricht.

In den Einzelformen des Reimser Sarkophages (Kat. 75, Taf. 13,2) ist noch eine erstaunliche Vielheit zu
beobachten. Die Gewänder sind wenn auch nicht mehr so aufgeregt gefältelt wie auf dem Sarkophag Rospi-
gliosi (Kat. 131, Taf. 12,1), so doch von einer Vielzahl von Falten durchfurcht, ebenso wie Haare und
Mähnen sehr reich durchgestaltet sind, was G. Rodenwaldt20' offenbar zu der Feststellung veranlaßt hat,
der Jagdsarkophag in Reims sei »ein glänzendes Beispiel eines römischen Reliefstils des dritten Jahrhunderts,
dem man mit besserem Recht als irgend einer anderen Gruppe antiker Werke die Bezeichnung des Barock
beilegen kann«. Bedenkt man die Entwicklung der Gattung, so ist es jedoch eine große Frage, ob man
den kunstgeschichtlichen Vorgang mit dem Begriff des Barock auch nur einigermaßen treffen kann. In
Wahrheit handelt es sich doch nicht um eine Auflösung der Form, wie man sie vom Barock erwarten
würde, sondern um eine Vereinheitlichung bei gleichzeitiger Beibehaltung der Vielheit im Einzelnen. Das
Kunstwollen bestimmt die Bemühung, im Sinne Plotins208 das »Vielfältige geschlossen zusammenzufassen;
das, was durch Zusammensetzung aus vielen Teilen zu einer Einheit werden soll, mit sich eins und übereinstim-
mend zu machen«. Das bedeutet, daß die Differenzierung, die allem Stofflichen anhaftet, durch das gleiche
Maß an Entsinnlichung zu dieser Vereinheitlichung fähig gemacht werden mußte.

Diese Vereinheitlichung, die von den starken Gegensätzen zwischen glatten Eeibern, Faltenmassen und
Haarfülle nicht berührt wird, erweist sich als empfindlich gestört durch die Andersartigkeit der Porträts,
wobei man noch einmal zwischen dem Stil der beiden Bildnisse des Mannes (Taf. 15,5.6.8.9) auf der
einen Seite und dem Frauenporträt (Taf. 15,4.7) auf der anderen unterscheiden muß.

Beide Bildnisformen sind von G. Rodenwaldt209 so treffend charakterisiert worden, daß hier nur resümiert
zu werden braucht. Die beiden Männerporträts gleichen in ihrer Größe den übrigen Köpfen des Sarkophages,
gehen aber im Gegensatz zu diesen von einer fast stereometrischen kugeligen Grundform aus, in die große,
hervorquellende Augen und ein schmallippiger Mund eingeschnitten sind. Die Ohren sitzen eigentümlich
hoch. Die Haare sind wie bei den als »die guten« verehrten Kaisern Augustus und Trajan vom Scheitelpunkt
aus in weichen Wellensträhnen nach vorne gekämmt. Die gleiche Frisur und Kopfform findet sich auf
den Konstantinsmünzen210.

Die beiden Männerporträts unterscheiden sich nur geringfügig voneinander. Sie sind also beide zur gleichen
Zeit gegen 320 aus der bei der Anfertigung des Sarkophages stehen gelassenen Bosse in der Proportion
der übrigen Figuren ausgeführt worden.

Ganz anders verhält es sich mit dem Bildnis der Frau (Taf. 15,4.7) auf dem Körper der Virtus. Auf den
ersten Blick sieht man, daß der Kopf mit den individuellen Zügen und der im Ansatz unterm Helmrand
noch erkennbaren Saloninafrisur211 ungewöhnlich klein ist und auf einem viel zu langen Hals sitzt. Ein
unübersehbares Detail, nämlich die auf die Schultern herabfallenden Locken, verrät, daß hier ursprünglich
ein Idealkopf ausgearbeitet war, der erst nachträglich zum Porträt der Virtus umgearbeitet wurde. Die
Locke auf der linken Schulter ist zu einer scheinbaren Faltenbahn geglättet, die auf der rechten ist an der
Haarrolle hart abgeschnitten, im übrigen aber unverändert stehen geblieben. Haarform und Gesichtsschnitt,

Zu Plotin s.W. v. Christ-W. Schmid-O. Stählin, Geschichte der
griechischen Literatur II 2 (1924) 845 - E. Brehier, La philosophie
de Plotin (1928). - A. Armstrong, The Architecture of the Intelligi-
ble Universe in the Philosophy of Plotinus (1940). - RE XXI,
1 (1952) 471-592 s. v. Plotinos (Schwyzer). - Übersetzung von
R. Härder in: Felix Meiners Philosophische Bibliothek, Neubear-
beitung mit griechischem Lesetext und Anmerkungen Bd. I a.b.
(1956). - R. Härder, Plotin, Auswahl und Einleitung (1958).
Enneades 1,6,6.
Ebenda, 1,6,6.
Ebenda, 1,6.5.
Rodenwaldt (1944) 191.

8 Vgl. Andreae (1973) 316. - D. Rößler, Die römische Porträtkunst
im 3. Viertel des 3. Jahrhunderts n.Z. und die Philosophie Plotins
- Zur Krise von Kunst und Ideologie am Beginn der Spätantike,
Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin,
Gesellschafts- und Sprachwissenschaftliche Reihe 4, 1976, 499-507.

19 Rodenwaldt (1944) 200 f.

0 R. Delbrueck, Spätantike Kaiserporträts von Constantinus Magnus
bis zum Ende des Westreichs (1933) Taf. 3,31. - M.R. Alföldi,
Die constantinische Goldprägung. Untersuchungen zu ihrer
Bedeutung für Kaiserpolitik und Hofkunst (1963).

1 Bergmann (1977) 89-101 Taf. 26ff.

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