Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Andreae, Bernard [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (1,2): Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben: Die römischen Jagdsarkophage — Berlin, 1980

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14580#0100
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
4.2.1. DER SARKOPHAG IN PISA

beherrscht der Mähnenlöwe das Feld, auf dem linken die in klarem Parallelismus dazu angeordnete Löwin.
Unter dem Mähnenlöwen liegen zwei verendete Tiere, ein Eber und ein Steinbock. Ein Hund ist neben
dem Löwen herumgewirbelt. Er duckt sich nieder und wirft den Kopf hoch. Dieser Gruppe von drei
Tieren unter dem schräg nach links hochschnellenden Löwenkörper entsprechen drei Löwenjunge unter
dem Leib der Löwin. Deren pralle Zitzen zeigen ihre Mutterschaft an, die sie besonders gefährlich macht.
Zwei der Jungen stoßen eine Kugel441 zwischen sich hin und her, während das dritte spielerisch den Angriff
der Mutter mitmacht. Sowohl vor dem Löwen als auch vor der Löwin ist je ein Jagdgehilfe zu Boden
gestürzt. Um den Parallelismus zu mildern, hat der Steinmetz den rechten nach vorn, den linken rücklings
hinstürzen lassen. Durch diese geringfügige Richtungsänderung verliert die Komposition ihre Starre.
Grundsätzlich wird das Bild von der Gegenbewegung der Löwen, die in der vorderen Reliefschicht nach
links springen, und der in der hinteren Reliefschicht nach rechts reitenden Jäger beherrscht. Der dem
Mähnenlöwen entgegengestürzte Jagdgehilfe setzt in diesem einfachen Schema einen Akzent. Zwischen dem
gegen den Löwen anreitenden Jagdherrn in der Mitte und den Dioskuren am Rande sind auf beiden Seiten
über den Löwen zwei Reiter angeordnet, die ihre Speere gegen die Raubkatzen schwingen. Die Reiter auf
der rechten Seite, deren Oberkörper abgebrochen sind, scheinen,nach den Resten zu urteilen, ebenso bewegt
gewesen zu sein wie die beiden auf der linken. Von diesen reitet einer mit geschwungener Waffe gegen
die Löwin an, der andere ist schon an ihr vorbeigeritten.

Er pariert sein Pferd, das den Kopf zurückwirft, wendet sich um und stößt von oben mit der Lanze hinab.
Genau so bewegt ist der Reiter eines Sarkophagfragmentes (Kat. 70, Taf. 68,4), das im Campo Santo in
die Außenwand der Gallerie A eingemauert ist und nach Stil und Größe von der Sarkophagplatte abgebrochen
sein könnte. Der Reiter, den P.E. Arias442 als Prätorianer mit Helm von einem Schlachtsarkophag ansah,
trägt den gleichen Helmschmuck wie die Jäger des Löwenjagdsarkophages: einen Halbmond und drei Sterne.
Wegen der Darstellung eines Baumes muß das Fragment zu einem Jagdsarkophag gehören. Wie die Probe
mit einer Schablone ergab (Taf. 68,5), paßt es genau in die Lücke der Pisaner Platte und würde mit dem
oberen Rand exakt die Höhe der Abschlußleiste des Sarkophags erreichen, wenn es die Löwenmähne links
berührt. Das Fragment läßt sich aber höchstens in einem einzigen Punkt mit der Platte verbinden. Bruch
auf Bruch kann man es nicht anpassen. Da sich außerdem der Stamm des Baumes, der auf dem Fragment
(Taf. 68,4) über dem Pferdekopf sichtbar wird, auf dem erhaltenen Teil der Sarkophagplatte unten nicht
mehr verfolgen läßt, kann man nicht mit letzter Sicherheit erweisen, daß dieses Fragment zu der Sarkophag-
platte gehört haben muß, obwohl dies sehr wahrscheinlich ist. Es läßt sich nämlich ein guter Grund dafür
anführen, warum an dieser Stelle ein Baum angebracht ist und auf der anderen Seite nicht. Da dort der
Reiter neben dem Dioskuren nach rechts reitet, erscheinen an dieser Stelle nicht zwei Pferdeköpfe unmittelbar
nebeneinander, wie man dies auf der rechten Seite voraussetzen kann, wo das Pferd, dessen Huf über dem
Körper des Löwen herabhängt, und das Pferd, das der rechte Dioskur zügelt, hart nebeneinander dargestellt
gewesen sein müssen. Da die Lücke über dem Kopf des Pferdes, das der Jäger reitet, nicht mit einem
zurückwehenden Paludamentum gefüllt werden konnte, mußte man ein Ersatzmotiv finden. Eigentlich kommt
nur ein Baum in Frage, durch dessen Darstellung sich das dichte Nebeneinander der beiden Pferdeköpfe
mildern ließ. Man steht also vor der Alternative entweder anzunehmen, das Fragment sei ein Bruchstück
dieses Sarkophages, oder davon auszugehen, daß es von der gleichen Stelle eines sehr ähnlichen Sarkophages
stammt, der kaum etwas anderes gewesen sein könnte als eine Werkstattreplik der Pisaner Platte. Das bedeutet
jedenfalls, daß das Fragment (Kat. 70, Taf. 68,4) zur Ergänzung der Pisaner Platte (Kat. 69, Taf. 68,5) herange-
zogen werden kann. Dann wird deutlich, daß zu beiden Seiten des Jagdherrn in der Mitte je drei Köpfe
angeordnet waren, von denen die beiden dem Jagdherrn nächsten von ihm abgewandt waren, während
die beiden äußeren sich nach innen wandten. Die Klarheit und Übersichtlichkeit der Komposition wird
dadurch noch einprägsamer.

Der Sarkophag weist ein ausgesprochen kohärentes Stilgefühl auf. Durch die zu diesem Zweck angefertigten
Detailaufnahmen von Klaus und Gisela Fittschen (Taf. 69,1.3) ist es möglich, die von A. Vaccaro Melucco443
zuerst beobachtete Stilverwandtschaft zu den Sockelreliefs im Boboligarten zu Florenz444 zu verifizieren,

441 Aymard (1935). - Vgl. Anm. 366. 443 Vaccaro Melucco (1963/64) 29.

442 Arias-Cristiani-Gabba (1977) 70. 444 s. Anm. 406.

92
 
Annotationen