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Andreae, Bernard [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (1,2): Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben: Die römischen Jagdsarkophage — Berlin, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.14580#0135

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6.3. DIE ENTWICKLUNGSGESCHICHTE DER TREIBJAGDSARKOPHAGE

der früher als Sarkophag Constantius II. angesehen wurde . Wenn dies auch gewiß nicht zutrifft, da dieser
Kaiser 361 n.Chr. in Kilikien gestorben ist und natürlich nicht in Arles bestattet wurde (darüber hinaus
in dieser Zeit auch nur ein Porphyrsarkophag als kaiserliche Grablege in Frage kommt), dürfte doch mit
den Porträts auf dem Deckel dieses Sarkophags ein chronologischer Anhaltspunkt gegeben sein. Sie führen
schon in die Zeit der valentinianischen Dynastie, deren Bildniskunst W. v. Sydow581 zuletzt untersucht
hat. Dem männlichen Porträt besonders nah verwandt ist der Kopf in der Ny Carlsberg Glyptothek zu
Kopenhagen 582. Auch der weibliche Porträtkopf findet einen Vergleich in einem Kaiserinnenbildnis aus
der valentinianischen Dynastie, nämlich dem Kopf in Como 583, dessen zeitliche Stellung erst W. v. Sydow
richtig bestimmt hat. Der Vergleich der Bildnisse führt zu einer Datierung des Sternkranzsarkophages in
Arles bald nach dem Tod des Constantius II., etwa in die späten 60er Jahre des 4. Jahrhunderts 584. Der
Sarkophag im Konservatorenpalast (Kat. 112, Taf. 95,4) könnte noch ein wenig jünger sein, weil bei ihm
die Deformierung der langen Schädel, ihre hohe Rundung, die hochgezogenen Schultern, die Entkörperlichung
der Gestalten und die Wulstigkeit der Faltenmotive noch fortschrittlicher erscheinen. Wie H. Brandenburg
mir mündlich mitteilt, neigt er dazu, den Sarkophag bereits an die Grenze zur theodosianischen Zeit zu
rücken. Eine Datierung in die 70er Jahre ist jedenfalls erwägenswert, auch wenn der Sarkophag damit
von der Schöpfung des Typus der Treibjagdsarkophage in tetrarchischer Zeit sehr weit abgerückt ist. Da
man den Sarkophag in Arles P (Kat. 4, Taf. 95,3) aber sicher später datieren muß als den in der Domitilla-
Katakombe (Kat. 85, Taf. 95,2), der seinerseits später sein muß als der der Romania Celsa585 aus den dreißiger
Jahren, ist dieser große zeitliche Abstand immerhin durch einzelne Exemplare überbrückt. Nach der dichten
Abfolge der Treibjagdsarkophage in tetrarchischer und konstantinischer Zeit finden sich in den Generationen
nach Konstantin I. noch einzelne Nachzügler, die sich durch ihre zunehmende höfische Verfeinerung deutlich
von den Ursprüngen dieser Sarkophagklasse in der volkstümlichen Kunst tetrarchischer Zeit absetzen.

6.3. DIE ENTWICKLUNGSGESCHICHTE DER TREIBJAGDSARKOPHAGE

Überblickt man nach dem Versuch einer chronologischen Ordnung der Treibjagdsarkophage noch einmal
die Gruppe als ganze, so zeigt sich, daß hier nicht wie bei den Löwenjagdsarkophagen des 3. Jahrhunderts
eine kontinuierliche Weiterentwicklung eines schrittweise verwirklichten Bildgedankens vorliegt, sondern
die Wirkung einer vorbildlichen Schöpfung, mit der sich die Ausführenden einzelner Sarkophage unmittelbar
auseinandersetzten. Nur so ist es zu erklären, daß etwa in der Mitte des ganzen Prozesses bald nach 330 n.Chr.
ein Sarkophag (Kat. 185, Taf. 95,1) das Grundmuster des Bildtypus in reiner Form bietet, das schon dreißig
Jahre früher auf den tetrarchischen Sarkophagen in charakteristischer Weise abgewandelt wurde.
Eine erste Abwandlung, die sich aus der damals noch vorherrschenden Tradition der Löwenjagdsarkophage
unschwer erklären läßt, ist die Kontamination der Treibjagd mit der Löwenjagdszene kanonischer Prägung.
Allerdings wird nun die bis dahin obligatorische Virtusgestalt fortgelassen oder durch einen unspezifischen
Jagdteilnehmer ersetzt. Das signalisiert bereits einen zumindest leichten Bedeutungswandel. Offenbar verliert
die Darstellung einer als Amazone personifizierten Virtus besonders in den Bevölkerungsschichten, für die
die Treibjagdsarkophage bestimmt waren, an anschaulicher Überzeugungskraft.

Nicht weniger aufschlußreich ist die Tatsache, daß die Löwenjagdszene nach dem Neapler Sarkophag, d.h.
seit dem dritten Jahrzehnt des 4. Jahrhunderts nicht mehr begegnet und offenbar aus dem Repertoire der
Sarkophagwerkstätten verschwindet. Da dieser Prozeß mit dem Vordringen des Christentums zusammengeht
und die Löwenjagdszene auf den wahrscheinlich für Christen verwendeten Sarkophagen, in Arles C (Kat. 3,

E. Le Blant, Etüde Sur les sarcophages chretiens antiques de la
ville d'Arles (1878) 26ff. bes. 28 Nr. 20 Taf. 14.15.
W. v. Sydow, Zur Kunstgeschichte des spätantiken Porträts im
4. Jahrhundert n.Chr. (1969) 73 ff. 93 ff.

NCG. 771. R. Delbrueck, Spätantike Kaiserporträts von Constanti-
nus Magnus bis zum Ende des Westreichs (1933) 178 Taf. 78.
- G. Egger, Zur Analyse des spätantiken Porträts, JbKSWien
1955, 18. - v. Sydow a.O. 73. 76fr. - V. Poulsen, Les portraits
romains II (1974) I94f. Nr. 202 Taf. 330.

Como, Museo Giovio, beste Abb. Delbrueck a.O. Taf. 69. 70,
der das Bildnis mit Constantia, Schwester Konstantins d. Gr., iden-
tifiziert. Dagegen richtig v. Sydow a.O. 73 Anm. 28.
Die Datierung in das Jahrzehnt 38o-39on.Chr. von Saggiorato
a.O. 136 erscheint mir im Vergleich zum Jagdsarkophag im Kon-
servatorenpalast (Kat. 11 2, Taf. 95,4) als sehr spät.
Vgl. Anm. 562.

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