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Andreae, Bernard [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (1,2): Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben: Die römischen Jagdsarkophage — Berlin, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.14580#0138

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6.4. DIE DEUTUNG DER TREIB JAGDSARKOPHAGE

typus radikal mit den ihm allzu anspruchsvollen alten Formen gebrochen hat. Aber ebenso verständlich
ist es, daß die breite Masse ihm nicht sofort in uneingeschränkter Weise folgte. Man wollte offenbar auf
die liebgewonnenen eindrucksvollen Bilder nicht sofort verzichten, wie das zähe Nachleben des zweiszenigen
Löwenjagdsarkophagtypus beweist595.

Das deutlichste Zeichen dafür ist die besonders am Anfang vorherrschende Kontamination des neuen Sarko-
phagtypus mit dem alten Motiv der Löwenjagd. Erst im Lauf der Zeit kann der neue Sarkophagtypus
sich rein durchsetzen, aber dann wird er schon bald von neuen Strömungen ergriffen, die auch nichts
anderes bewirken als die Anpassung alter Ideen an eine neue Zeit. Gemeint ist die Neufassung der Virtusallego-
rie in den neu eingekleideten Bewegungsschemata des Eberjägers (2) und des Hirschbezwingers (6). Kann
man die Überlagerung des Grundmusters der Treibjagdsarkophage durch das Löwenjagdmotiv (4) als retro-
spektiv bezeichnen, so ist die Überlagerung mit den Figuren des Eberjägers (2) und des Hirschbezwingers
(6) eher avantgardistisch. In der Tat verschwindet die Löwenjagd alsbald, während Eberjäger und Hirsch-
bezwinger geradezu obligatorisch werden. Gleichwohl stellen beide Arten der Überlagerung eine Verfälschung
der Aussage des Grundmusters dar, in dem die Zeit der Tetrarchie sich offenbar am reinsten äußerte.
Die Gründe, die zu diesem Ergebnis führen, seien noch einmal kurz zusammengefaßt. Auf den Treib jagdsarko-
phagen begegnet ein bestimmtes Repertoire von nicht mehr als 7 Gruppenschemata oder Einzelfiguren.
Die Komposition der Sarkophagreliefs wird nur mit einer Auswahl aus diesen 7 Elementen bewerkstelligt,
aber die einzelnen Elemente behalten dabei in den meisten Fällen ihren Stellenwert. Nur auf dem Sarkophag
in Pisa (Kat. 71, Taf. 92,6) hat eine entscheidende Verschiebung stattgefunden. Die Figur eines Eberjägers
zu Pferd wurde in die Mitte der Komposition gesetzt und verdrängte daraus den Hirschjäger, der seinerseits
das Hirschtreiben und den Kapuzenreiter von der rechten Seite verdrängte596. Diese wurden spiegelbildlich
auf die linke Seite versetzt und verdrängten von dort die Bärentreibjagd. Wenn man diese Verschiebung
rückgängig macht, erhält man eine Komposition, wie der Sarkophag in der Villa Doria (Kat. 185, Taf. 95,1)
sie zeigt. Diese Komposition bietet daher das Grundmuster, das den Veränderungen und Bereicherungen
der Reliefkomposition jedes einzelnen Treibjagdsarkophages zugrunde Hegt. Sie spiegelt somit den Archetypus
wider, der in den Sarkophagwerkstätten ständig wirksam bleibt und deshalb als eine Art Musterexemplar
dort vorhanden gewesen sein muß.

Die Untersuchung hat gezeigt, daß die Postulierung eines außerhalb der Sarkophagkunst liegenden Vorbildes
nichts zur Erklärung der Entwicklungsgeschichte der Treibjagdsarkophage beiträgt, ja diese sogar verunklärt.
Das bedeutet natürlich nicht, daß der Entwerfer des neuen Sarkophagtypus sich nicht von älteren Jagddarstel-
lungen habe anregen lassen. Aber das galt auch zum Beispiel vom Löwentypus der monumentalen Löwenjagd-
sarkophage, die deshalb auch nicht auf ein postuliertes Vorbild außerhalb der Sarkophagkunst zurückgeführt
werden dürfen. Es geht vielmehr darum, den Entwicklungsprozeß der Jagdsarkophage in den Sarkophag-
werkstätten selbst in seinen einzelnen Schritten zu verfolgen. Man mag es als eine sehr weitgehende Interpreta-
tion ansehen, wenn der Entwicklungsprozeß der Treibjagdsarkophage, in die zunächst das heidnische Virtus-
symbol der Löwenjagd eindringt, um im Lauf der Zeit den etwa gleichzeitig einfließenden unprätentiösen
Virtussymbolen des Eberjägers und des Hirschbezwingers das Feld zu überlassen, als ein Spiegelbild der
geistigen Auseinandersetzungen der Zeit angesprochen wird. Aber in diesem ikonologischen Vorgang ist
möglicherweise die Begründung dafür zu suchen, daß der Typus der Treibjagdsarkophage auch Christen
als Grablege annehmbar wurde597.

6.4. DER GENIUS CUCULLATUS UND DIE DEUTUNG DER TREIBJAGDSARKOPHAGE

Damit ist die Frage nach der Deutung des Treibjagdbildes als Grabschmuck überhaupt aufgeworfen. Diese
Frage hängt aufs engste mit der Deutung des eigenartigen, mit einem Kapuzenmäntelchen bekleideten Reiters
(7) zusammen, der (mit Ausnahme des Pisaner Sarkophags (Kat. 71, Taf. 92,6), wo er links angeordnet

Kap. 4.1.1-4.

Die Darstellung bei Rodenwaldt (1921/22) 66f. trifft diesen Vor-
gang nicht exakt.

Zu diesem Problem Rodenwaldt (1921/22) 71. - Schmidt (1968)
787.

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