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VII

Vorwort

Die Renaissancefestung Wülzburg bei oder, topogra-
phisch gesehen, über der heutigen Großen Kreisstadt
Weißenburg i. Bay. ist eine der gewaltigsten bayerischen
Festungen, eindrucksvoll in ihrer landschaftlichen Lage
am Rande des Fränkischen Jura; sie beeindruckt durch
ihre Dimensionen, ihre künstlerische Bedeutung, ihren
historischen Bezug einerseits zur Markgrafschaft Ansbach,
andererseits zur ehemaligen Reichsstadt Weißenburg,
aber auch durch technik-geschichtliche Besonderheiten.

Die Bergfeste ist den Weißenburgern zwar von Kindes-
beinen an vertraut; zudem, wenn auch durch die inzwi-
schen fast lückenlose Bewaldung des Abhanges stark
beeinträchtigt, ist die historische Blickbeziehung zwi-
schen Stadt, Umland und Zwingfeste noch immer vor-
handen. Nie jedoch hatte die Wülzburg in der fränki-
schen, der bayerischen oder gar der deutschen Öffentlich-
keit den ihr zustehenden Bekanntheitsgrad. Auch bei
Fachbehörden wird sie angesichts der landesweiten Pro-
blemfülle im Denkmalbereich und angesichts der
ungewöhnlichen Größe der Aufgabe gerne etwas ver-
drängt. Tatsächlich stellt die weiträumige Anlage mit
ihren gewaltigen Massivbauten und dem Festungsgraben
die Denkmalpflege der Gegenwart vor ungewöhnliche,
mit großen Problemen belastete Anforderungen. Neben
auf der Hand liegenden finanziellen Schwierigkeiten, die
gerade am Beginn dieses Jahres 1996 angesichts der allge-
meinen Lage nicht näher begründet werden müssen, sind
es komplexe bautechnische Vorgänge und Fragen adä-
quater Nutzungen (über die beiden heute intakten
Schloßflügel hinaus), die kaum lösbar erscheinen.

Die Weißenburger freilich hat es früher kaum berührt,
daß ihre Wülzburg so weitgehend unbekannt geblieben
ist, sie mochten sie vielleicht gerade deswegen. Heute
jedoch hat die Erkenntnis Platz gewonnen, daß die Be-
kanntheit eines Denkmals auch etwas damit zu tun hat,
ob übergeordnete Stellen sich dafür interessieren und
finanzielle Unterstützung gewähren wollen.

Für das Vergessen der Wülzburg war sicherlich die geo-
graphische und historische Situierung am Ostrand der
doch relativ kleinen Markgrafschaft Ansbach, zwischen
einem Sammelsurium von wenig bedeutenden weltlichen
und geistlichen Territorien, die Ursache. Nie hat die
Wülzburg echt im Brennpunkt der Geschichte gestanden
oder war Ort überregionaler Entscheidungen. Nur in
einem waren die Markgrafen und die Festung wohl erfol-
greich: über Jahrhunderte hinweg haben sie die Entwick-
lung der Reichsstadt Weißenburg zu einem territorial
besser abgesichterten Gemeinwesen entscheidend ver-
hindern können.

Es erscheint daher heute fast wie eine Ironie der Ge-
schichte, daß ausgerechnet die unter der ständigen Be-
drohung dieser Festung lebende ehemalige kleine
(Reichs-) Stadt Weißenburg, die 1588 mit ihren Nachbarn
so massiv (und erfolglos) gegen das Bauvorhaben des

Markgrafen protestierte, seit 1882 Eigentümerin der An-
lage (ohne den südlichen Schloßflügel) ist und somit
Motor des Unterhalts, der Erhaltung und evtl. künftiger
Konzeptionen sein muß.

Obwohl kaum 114 Jahre seit dem Übergang des Eigen-
tums vom damaligen Königreich Bayern an die Stadt ver-
gangen sind, kann doch heute nicht mehr präzise fest-
gestellt werden, was im Kern die Ankauf-Entscheidung
der damaligen Stadtväter getragen hat.

Jedenfalls scheint der seinerzeitige Bürgermeister (und
dies ist doch für die damalige Zeit ein bemerkenswerter
Aspekt) wesentlich auch die Verhinderung des Abrisses
und den Erhalt der Festung im Auge gehabt zu haben. Im
Ergebnis freilich hat sich die Stadt damals eine gewaltige
Bürde aufgeladen und ein Erbe angetreten - die künfti-
gen Unterhaltsprobleme waren vielleicht auch so nicht
erkennbar - das heute neben der beachtlichen mittelal-
terlichen Altstadt mit fast vollständig erhaltenem Mauer-
ring, den bedeutenden römischen Zeitzeugnissen und
Ausgrabungen der letzten Jahrzehnte und-auch dieses
»Erbe« sei hier bewußt erwähnt-neben dem großen
historischen Stadtwald im Süden und im Osten der Fest-
ung (einer kaiserlichen Schenkung von 1338) Lasten
bringt, wie sie kaum eine vergleichbare Stadt in dieser
Größenordnung in Deutschland zu tragen hat.

Erst 1907 wurde die gesamte Anlage der Wülzburg als
»Baudenkmal« aufgrund einer Intervention des heutigen
Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege eingestuft.
Systematische Renovierungen fanden jedoch nicht statt,
diesbezügliche Bemühungen scheiterten schon damals
am Geldmangel.

Eine ganz entscheidende Weichenstellung konnte Ende
der 60er Jahre eingeleitet werden. Neben der Nutzung
der beiden Schloßflügel durch den »Missionsdienst für
Christus« für Schul- und Ausbildungszwecke, die Nut-
zung ist per Erbbaurecht auf Jahrzehnte festgeschrieben,
gelang es der Stadt (dem ehemaligen Bundespostminister
und heutigen Weißenburger Ehrenbürger Richard Stück-
len kommen hier hohe Verdienste zu) die Wülzburg als
»national bedeutendes Baudenkmal« durch den Bundes-
minister des Innern einstufen zu lassen. Dieser Einstu-
fung, welche die Förderung durch die Bundesrepublik
Deutschland erst ermöglichte, gingen freilich, sonst wäre
sie so nicht vorgenommen worden, entsprechende fach-
liche Stellungnahmen des Landesamtes für Denkmal-
pflege in München und des Bayerischen Kultusministeri-
ums voraus. Diese Qualifizierung machte nicht nur den
geänderten Stellenwert der Wülzburg und vielleicht die
geänderte Sicht solcher Denkmäler überhaupt deutlich,
sondern ebnete auch grundsätzlich den Weg für ein ab
1970 laufendes systematisches, bis heute verlängertes
Sanierungs-Programm und insbesondere eine Beteiligung
von Bund und Freistaat zunächst von 1970 bis 1983 mit
einem Kostenaufwand von 2,22 Mio. DM.
 
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