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Blum, Gerd
Hans von Marées: autobiographische Malerei zwischen Mythos und Moderne — München, Berlin, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.14541#0021

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I. Forschungsstand und Fragestellung

LI. Der formalästhetische Ansatz in der älteren Literatur
Die ältere Forschung vertritt einhellig die Meinung, dass Marees dem Gegenstand
seiner Bilder indifferent gegenüberstand.1 Die Auffassung, dem Maler sei es auf
Kosten mimetischer Plausibilität und zu Lasten des Sujets um eine gegenstandsun-
abhängige, autonome Bildkomposition gegangen, geht vor allem auf den Nachruf
des Kunstphilosophen Conrad Fiedler von 1889 zurück. Nach Fiedlers häufig zi-
tierter, allerdings aus dem Kontext seiner Argumentation herausgelöster und damit
missverständlicher Aussage hat Marees »seinem künstlerischen Ausdrucksbedürf-
uis eine Form« gesucht, »die von keinerlei gegenständlichem Inhalt be-
stimmt war«2. Fiedler nennt als ein wesentliches Ziel des Künstlers die autonome
Form. Diese könne »man im eigentlichen Sinne Komposition nennen«3.
Auch nach Adolf von Hildebrand, dem ersten Schüler und langjährigen Freund,
war Marees so nachdrücklich um die »architectonische Harmonie der Erschei-
nung«4 bemüht, dass er sich
»vergeblich abmühte, aus diesem gewiß wesentlichsten Brennpunkt des
künstlerischen Verhältnisses zur Natur bis zur organischen Form [des dar-
zustellenden Objektes, G.B.] zu gelangen. [...] So bildete er denn immer
mehr die Stelle aus, wo eine bestimmte gegebene Form, sei es Hand oder
Fuß etc., zu stehn kam, konnte sie jedoch als Naturobject nicht einfügen.«5

1 Die im Verlauf der Forschungsgeschichte zum Topos verhärtete Behauptung, dass Marees kein
Interesse am »Gegenstand« seiner Bilder gehabt habe, changiert aufgrund der doppelten Bedeu-
tung des Begriffes »Bildgegenstand« zwischen zwei zumeist nicht explizit unterschiedenen Aus-
sageebenen. Es ist zum einen gemeint, dass Marees zugunsten einer gegenstandsunabhängigen
Kompositionsstruktur die mimetische Wiedergabe der Gegenstandswelt vernachlässigt habe.
Diese Position hat Heinrich Wölfflin erstmals explizit formuliert; sie ist in einzelnen Aussagen
Conrad Fiedlers angelegt. Zum anderen wird — in der Tradition eines älteren Sprachgebrauchs,
der unter »Gegenstand« das Sujet eines Gemäldes versteht (vgl. Goethe/Meyer 1/98) — lediglich
ein Desinteresse an der Darstellung überlieferter Bildthemen behauptet, ohne den Stellenwert
gegenständlicher Darstellung in seinem Werk überhaupt zu negieren. So meint die Feststellung
des Marees-Schülers Karl von Pidoll, den späteren Gemälden läge kein »gegenständliches, rein
geistiges oder illustratives Interesse« (Pidoll 1930 [1890], S. 10) zugrunde, dass Marees selten
auf den Themenschatz der klassischen Ikonographie zurückgegriffen habe. Pidoll betont jedoch
das Anliegen von Marees, eine neuartige Konzeption mimetischer Darstellung zu begründen (vgl.
in der vorliegenden Arbeit 1.2.1.).
2 Fiedler 1991 [1889], Bd. I, S. 256 [Hervorhebung G.B.]. Die Zusammenstellung der folgenden
Zitate aus der älteren Marees-Literatur geht zum Teil auf Lenz 1987a, S. 9, zurück.
3 Fiedler 1991 [1889], Bd. I, S. 259.
4 Hildebrand/Fiedler 1927, S. 261.
5 Brief an Fiedler vom 29. Februar 1888 (Hildebrand/Fiedler 1927, S. 260-263, hier S. 261 f.).

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