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Blum, Gerd
Hans von Marées: autobiographische Malerei zwischen Mythos und Moderne — München, Berlin, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.14541#0036

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I. Forschungsstand und Fragestellung

Interpretation der Lebensalter in Berlin (Abb. 78) verwiesen.84 Vergleicht man
diese inhaltsbezogene Deutung mit Imdahls oben zitierter formalästhetischer Ana-
lyse des Hesperidentriptychons, so wird deutlich, dass Lenz die formale Komposi-
tion der Lebensalter ebenso vernachlässigt, wie Imdahl die szenischen Bezüge der
Figuren und ihre thematischen Anspielungen unberücksichtigt lässt.
1.3. Der synthetische Ansatz der vorliegenden Arbeit
Wie eingangs bemerkt, gelangen sowohl der inhaltsbezogene als auch der formalästhe-
tische Deutungsansatz zu partiell zutreffenden Feststellungen, die sich jeweils sowohl
im Bück auf die Gemälde als auch die überlieferten Zeugnisses des Malers und seines
Umkreises bestätigen. Der synthetische Ansatz der vorhegenden Arbeit fragt — unter
Würdigung der Ergebnisse beider Forschungsrichtungen — erstmals nach dem
Zusammenhang der Herausbildung einer privaten Ikonographie85 und ihres zu-
nächst explizit autobiographischen Themenfundus einerseits und einer fortschreiten-
den formalen Stilisierung andererseits. Im Verlauf dieser Untersuchung wird sich die
These bestätigen, dass dem dargestellten Widerstreit eines formal und eines inhaltlich
ausgerichteten Interpretationsparadigmas in der bisherigen Forschung ein sehr mo-
dernes, nämlich problematisches Spannungsverhältnis von syntaktischen und seman-
tischen Eigenschaften der Bildfindungen von Marees entspricht.86 Sicherlich sind
auch Gemälde früherer Epochen in der kunstgeschichtlichen Literatur teils einer rein
formalistischen, teils einer rem inhaltsbezogenen Deutung unterzogen worden, wie es
Salvatore Settis exemplarisch an der Rezeptionsgeschichte von Giorgiones Tempesta
dargestellt hat.87 So liegt der Einwand nahe, dass diese Dichotomie innerhalb der
Marees-Forschung keine immanente Problematik seines CEuvres spiegele, sondern
vielmehr eine grundsätzliche methodische Antithese des Faches Kunstgeschichte, die
im 20. Jahrhundert die kunstwissenschaftliche Diskussion maßgeblich geprägt hat,
namentlich im Widerstreit zwischen Stilgeschichte und Ikonographie.88 89 90
Allerdings liegt im Fall von Marees - ähnlich wie bei anderen Malern des späte-
ren 19. Jahrhunderts — sowohl eine form- als auch eine inhaltsbezogene Heran-
84 Lenz 1987a, S. 10. Siehe zu diesem Bild unter autobiographischer Perspektive auch Ettlinger
1972, S. 76 f.
85 Vgl. in der vorliegenden Arbeit IV.2.1.
86 Vgl. Busch 1993, S. 7, zum spannungsvollen Verhältnis von »Form und Inhalt« seit dem
18. Jahrhundert als Symptom des Endes der jahrhundertelangen Tradition einer »klassi-
sche[n] Synthese auf der Basis eines verbindlichen - idealistischen - Kunstbegriffs«.
87 Settis 1982, S. 8-129.
88 Felix Thürlemann spricht in diesem Zusammenhang von einem »alte[n] Schisma [...], das die
kunstwissenschaftliche Praxis noch heute weitgehend prägt: dem Konflikt zwischen Stilge-
schichte und Ikonographie, zwischen einer Kunstwissenschaft der »Form* und einer Kunstwis-
senschaft des »Inhalts*« (Thürlemann 1990, S. 12).
89 Vgl. hierzu Rosenberg 2000.
90 Zola 1988 (1867).

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