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Blum, Gerd
Hans von Marées: autobiographische Malerei zwischen Mythos und Moderne — München, Berlin, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.14541#0092

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II. Autobiographische Themen im Frühwerk (1868—1873)

II.3. Fazit und Ausblick
Im Unterschied zu den früheren >giorgioneske Bekenntnissen, die Gemälde des
venezianischen Cinquecento variieren und mit autobiographischen Inhalten auf-
laden,18, entwickelt Marees in Orangenpflückender Reiter und nackte Frau und
insbesondere im Orangenhain eine motivisch eigenständige Bildsprache. Sie illus-
triert, bei allen thematischen Anspielungen, keine vorgegebenen ikonographischen
Sujets. Der Orangenhain transformiert seine autobiographischen Ursprünge in
eine nicht in der Tradition vorgegebene Bildwelt, die in ihrer Durchdringung von
empirischer Szenerie, vielfältigen kunsthistorischen Anspielungen und monumen-
taler Figurenbildung auf das »eigene Genre«187 188 der >Hesperidenbilder< voraus-
weist.
Der biographische Ursprung wie auch die sinnbildliche Thematik des Orangen-
hains lässt vermuten, dass auch die Figurenkonstellationen der späteren >Hesperi-
denbilder< nicht als bloßer »Vorwand«189 für eine formal autonome Komposition
anzusehen sind. Und in der Tat variieren diese Gemälde keineswegs, wie die For-
schung häufig annimmt, in semantisch indifferenter Weise Motive des Freskos, die
vermeintlich einen geeigneten Anlass für eine »reine Komposition«190 darstellen.
Wie nun zu zeigen sein wird, gehen auch die >Hesperidenbilder< auf Konstella-
tionen der eigenen Vita zurück, die Marees in aller Regel nicht mehr durch die
Anverwandlung an klassische Vorbilder, sondern in einer »freien Entwicklung sei-
nes Stoffes«191 bildnerisch bearbeitet. Die für den Orangenhain geschilderte
Transformation des Privaten ins >AUgemeine< wird sieh im folgenden als das zen-
trale Movens für die Konzeption der Gemälde des »Hesperidenlandes«192 erweisen,
die Marees unmittelbar nach Abschluss der Fresken in einer Vielzahl von Zeich-
nungen zu entwerfen begann. Die >Hesperidenbilder< beziehen sich öfter auf Moti-
ve und Figurenkonstellationen der in diesem Kapitel analysierten frühen Gemälde.
Daher ist deren Analyse eine wichtige Voraussetzung für die Erschließung der pri-
vaten Ikonographie der späteren Bildfindungen.

187 Lenz 1987b, S. 62, zeigt, dass auch die Pergola auf eine Auseinandersetzung mit Tizians Tem-
pelgang Mariä in der Accademia zu Venedig zurückgeht. — Eine ausführliche Analyse der
Bezüge der Fresken auf Kunstwerke der Vergangenheit wie auch der zeitgenössischen franzö-
sischen Kunst bietet Pohl 1977. Nach Lenz 1987b, S. 62, könnten die Fresken zudem von
Puvis de Chavannes’ Gemälden Marseille, Kolonie Griechenlands und Marseille, Tor zum
Orient beeinflusst sein, die Marees im Pariser Salon von 1869 gesehen haben dürfte.
188 Speidel 1891, S. 381.
189 Pidoll 1930 (1890), S. 10.
190 Ruhmer 1987, S. 88-94.
191 Pidoll 1930(1890), S. 10.
192 An Fiedler, 17. März 1880 und 3. Juli 1880; Meier-Graefe 1909-1910, Bd. III, S. 203 und
S. 204.

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