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Blum, Gerd
Hans von Marées: autobiographische Malerei zwischen Mythos und Moderne — München, Berlin, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.14541#0215

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VI. Autobiographie und Abstraktion

VI. 1. Die Herausbildung einer formal eigenständigen Bildsprache
Schon seit langem ist erkannt worden, dass Marees in den >Hesperidenbildern<
nicht nur thematisch ein »eigenes Genre«1, sondern auch formal eine eigenständi-
ge und neuartige Bildsprache entwickelt. Er ist einer jener Künstler des 19. Jahr-
hunderts, die als Reaktion auf den fortgeschrittenen Verfall der klassischen
Bildrhetorik, um mit Hegel zu sprechen, »sowohl den Inhalt als die Gestaltungs-
weise« des Kunstwerks »ganz in ihrer Gewalt und Wahl«2 behalten wollen.
Im Folgenden soll aufgezeigt werden, dass auch die formalen Gestaltungsmerk-
male der >Hesperidenbilder< auf das Anliegen zurückzuführen sind, autobiogra-
phische Gehalte zu veranschaulichen und zugleich in intersubjektiv verständliche
und universal bedeutsame Bildfindungen zu übersetzen. Dabei wird sich Fiedlers
These präzisieren lassen, nach der es Marees um eine formal stimmige Bildkompo-
sition und zugleich um eine gegenständlich überzeugende »Illusion des Lebens«
ging (vgl. 1.3.1.).
Das Verhältnis von Semantik und Syntax in den >Hesperidenbildern< soll durch
exemplarische Bildanalysen geklärt werden. Interpretiert werden drei prominente
Gemälde aus dieser Serie, die jeweils für eine der im vorigen Kapitel vorgestellten
Stufen der thematischen Verallgemeinerung einstehen. Gleichzeitig wird an ihnen
die fortschreitende formale Typisierung und Stilisierung der Figuren und Figuren-
gruppierungen ebenso deutlich wie die zunehmende Formalisierung der Gesamt-
komposition.
Sind die Drei Männer des Von der Heydt-Museums (Abb. 73) am Anfang jener
Werkphase zwischen 1875 und 1878 entstanden, in der Marees die autobiographi-
schen Figurengruppierungen der Zeichnungen aus der Zeit des Bruches mit Hilde-
brand in sinnbildliche Konstellationen von typisierten Figuren überführt (V.4.I.),
so gehen die 1878 fertiggestellten Lebensalter (Abb. 78) aus einer noch weiter-
gehenden Verallgemeinerung ursprünglich privater Bildmotive durch ihre Einbin-
dung in den thematischen Rahmen der >Menschenalter< und des >Goldenen Zeit-
alters* hervor (V.4.2.). Die zweite Fassung der Mitteltafel des Hesperidentripty-
chons (Abb. 82) schließlich, nach nahezu einhelliger Meinung das Hauptwerk des
Malers,3 ist das bekannteste Beispiel der beschriebenen »Remythologisierung« ,
1 Speidel 1891, S. 381.
2 Hegel 1955, Bd. 1, S. 576: »Hiermit sind wir bei dem Schlüsse der romantischen Kunst ange-
langt, bei dem Standpunkte der neuesten Zeit, deren Eigentümlichkeit wir darin linden können,
daß die Subjektivität des Künstlers über ihrem Stoffe und ihrer Produktion steht, indem sie
nicht mehr von den gegebenen Bedingungen eines an sich selbst schon bestimmten Kreises des
Inhalts wie der Form beherrscht ist, sondern sowohl den Inhalt als die Gestaltungsweise dessel-
ben ganz in ihrer Gewalt und Wahl behält.«

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