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Bohn, Richard
Die Propylaeen der Akropolis zu Athen — Berlin u.a., 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.675#0009
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ZUR GESCHICHTE DER PROPYLÄEN.

Aus der mehrfach gegliederten Höhengruppe, dem letzten Aus-
läufer der zwischen Pentelicon und Hymettos sich vorschieben-
den Turkovuni, erhebt sich, auf einer allmälig ansteigenden
Erdbasis gelagert, mit steilen Seitenwänden ein längliches Kalk-
steinplateau, die Akropolis von Athen. Die natürlichen Vorteile, welche
Lage und Gestaltung bieten, mussten zu einer Ansiedelung an dieser Stätte
einladen. Auf drei Seiten, am stärksten nach Nord und Ost, etwas weniger
nach Süd, fallen die vielfach zerklüfteten Wände schroff ab, vielleicht durch
der Hände Arbeit schon in frühester Zeit noch unzugänglicher gemacht.
Nur nach der schmalen Westseite hin senkt sich das Plateau allmälig
und hängt hier, durch eine Einsattelung geschieden, mit dem niedrigen
dreieckig geformten Areopaghügel zusammen. So waren durch die Natur
selbst die Bedingungen gegeben, diesen Platz verteidigungsfähig zu machen.
Drei Seiten schützten sich selbst, und bedurfte es in ältester Zeit nur
geringer Nachhilfe durch künstliche Befestigung, um ein Erklimmen un-
möglich zu machen; die vierte Seite, der allmälige Aufstieg, war der
natürliche Eingang; hier waren umfangreiche Konstruktionen zur Sicherung
desselben notwendig, hier musste ein befestigtes Tor angelegt werden.
Welche Stämme als Autochthonen hier gesessen, ob Erechtiden,
ob Pelasger, ist für unsere Fragen ohne Belang. Eins steht fest, dass
sich die Bezeichnung der ersten Befestigung an den Namen der Pelasger
knüpft. Denn die eine Erwähnung1, dass in Vorzeiten eine hölzerne
Umwährung vorhanden, kann, an sich schon fraglich2, hier füglich über-
gangen werden.

Der östliche Teil des Felsens wurde geebnet3; eine gewaltige Arbeit,
jene so bedeutende Fläche zu schaffen, wie wir sie mit geringer Ver-
änderung noch heute sehen. Doch genügte es nicht, nur den Raum
zur Aufnahme der Bauten herzustellen, sie mussten vor Allem auch
gegen Invasion geschützt werden; darauf weist die Fortsetzung der eben
citierten Notiz4 hin. Über den Begriff dieses Pelasgicon gehen die Mei-
nungen sehr auseinander5. C. Wachsmuth widmet bei der Beschreibung
des Weges, den der Panathenäenzug' genommen, diesem Punkte eine
eingehende Untersuchung0. Es lässt sich daraus erkennen, dass der Name
zu verschiedenen Zeiten auch an verschiedenen Begriffen haftete. Ur-
sprünglich galt er der Befestigung der Burg, speziell des Aufgangs; als
diese aber durch die Perser gründlich zerstört und nicht wieder auf-
gerichtet wurde, als die fortifikatorischen Rücksichten zurücktraten, da
blieb der Name nur an einem Teil der Stätte haften, den die einstigen
Werke am Burghang einnahmen. Für uns kommt hier allein der erste
Punkt, die alte Toranlage, in Betracht. Wir können uns nach den

1 Herodot, VII, 142.

1 Vgl. C. Wachsmuth, die Stadt Athen im Altertum, I, pag. 504, Anmkg. 1.

3 YjTrsfrCov *Y]V axptaoXtv (Kleidemos bei Suidas u. d. W. axzoa und TjTrsStCov).

4 rcepießaXXov Ss ivvedttoXov HeXacYnwSv (a. a. O.).

5 Die verschiedenen bisherigen Publikationen sind zusammengestellt bei C. Wachs-
muth a. a. O., pag. 28g, Anmkg. 2.

15 C. Wachsmuth a. a. O., pag. 289 ff.

wenigen noch erhaltenen Resten ein ungefähres Bild von ihr machen,
wenn wir sie mit verwandten Anlagen, wie in Mykenae, Tirynth und
Syrakus vergleichen und die Zeugnisse der Schriftsteller zu Rate ziehen.
So weit spezielle technische Anhaltspunkte vorliegen, werden solche in
dem zweiten Teil, pag. 15 ff. dargelegt werden. Diese unterstützen die
Annahme, dass der Weg, von West her kommend, in mehrfachen energi-
schen Windungen durch eine Reihe von Werken aufwärts führte, so,
dass die rechte unbeschildete Seite stets der vom Verteidiger besetzten
Mauer zugekehrt war'. Neunmal war der Weg durch Tore gesperrt,
und jedesmal galt es einen neuen Sturmangriff, um Schritt für Schritt
zur Höhe zu dringen. Auch zwei Namen werden uns im Zusammen-
hange mit dem Bau überliefert2, 'Afpö-a; und Tjripßio;; diese sind natürlich
nicht, wie Beul6 annimmt, die Namen der ausführenden Architekten,
sondern lediglich allegorische Begriffe, ,,der rohe Stein", „der Über-
gewaltige", welche den Charakter der Bauweise treffend charakterisieren.

Diese Befestigung bestand mit einigen Modifikationen bis zur Perser-
zeit. Dass sie eine reichere Ausbildung erfahren, beweisen die Reste ihres
oberen Abschlusses, südöstlich von den jetzigen Propyläen. Derselbe wird
von einer durch Anten und Säulen gegliederten Toranlage mit marmor-
bekleideten Wänden gebildet [vgl. II, pag. 16 f.], an welche sich kleinere
Heiligtümer anschlössen. Ihre Entstehungszeit wird sich schwer mit Sicher-
heit bestimmen lassen; doch dürfen wir sie wol in die Zeit setzen, als
Pisistratus seine Tyrannis auf der Burg aufschlug. Ein Herrscher, der
so viel für den Schmuck der Stadt getan, wird auch für eine künstlerische
Ausbildung des fortifikatorischen Burgaufganges Sorge getragen haben.
Weder viel früher noch auch später können sie entstanden sein, da die
bei ihrer Freilegung gefundenen Brandspuren3 darauf hinweisen, dass sie
bei der ersten Perserinvasion schon bestanden und dort der allgemeinen
Vernichtung durch Feuer zum Opfer fielen.

Dass nach der Eroberung der Burg durch die Athener unter
Kleisthenes und die Spartaner unter Kleomenes, und nach dem Sturz
des Hippias 510 v. Chr. eine vollständige Schleifung der Festungswerke
stattgefunden, ist nicht anzunehmen, obwol der Name UeXaofuiöv ziiyos seit
dieser Zeit verschwindet; denn sicher standen noch die oberen steilen
Mauern beim Angriff des Xerxes, stark genug, um dem Perserheer erfolg-
reichen Widerstand zu leisten. Zwar berichtet uns Herodot4, dass nach
dem bekannten delphischen Orakelspruch (SöXwov tei/os) sich ein kleiner Teil
der Athener in der Burg hinter einer hölzernen Palissadenreihe verschanzte,
vielleicht einem Vorwerk an Stelle unterer Werke, wahrscheinlich aber
einer hohen Brustwehr auf den Steinmauern. Denn als das Holz von
den Perserpfeilen in Brand gesteckt war, verteidigte sich die kleine Be-
satzung noch lange erfolgreich hinter den Mauern, d. h. dem Pelasgicon.

1 Vgl. Vitruv, I, 5.

2 Pausanias, Att. XXVIII.

3 L. Ross, Archäologische Aufsätze. Leipzig 1855, pag. 77.
J Herodot, VIII, 51—53. Vgl. auch Pausanias, I, 18. 2.
 
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