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Bohn, Richard
Die Propylaeen der Akropolis zu Athen — Berlin u.a., 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.675#0039
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schiedenen Konturen, z. B. bei dem Vorsprung des Antenkapitäls, was
ja nicht notwendig gewesen wäre, wenn es doch sofort hätte verschwinden
sollen. Der Übergang zwischen beiden Flächen ist eine oft leicht ge-
schwungene Schräge, nicht immer ganz glcichmässig, es fehlt ihr selbst
die letzte Feile. Die unregelmässige Linienführung beweist aber, dass
dieser Saum schon grösstenteils den Blöcken angearbeitet war, che sie
versetzt wurden.

Ausserdem ist auf der Fläche stellenweise noch ein besonderer
feinerer Werkzoll stehen geblieben; es würde dieses demnach eine zwei-
malige Bearbeitung voraussetzen, und zwar, da diese Werkschicht nur
sehr wenig vortritt, erst eine feinere, dann als letzte für die Politur noch
die stärkere von circa 0,010. Man könnte dann ferner sagen, um auch
den vorerwähnten Fugenschnitt in diesem Sinne zu deuten, dass, während
der Wandsaum ohne denselben als zusammenhängendes Band wirkt, da-
gegen die Fläche dazwischen in ihre einzelnen Quadern aufgelöst ist.

Alle vorspringenden Teile sind aber vollständig glatt, wie z. B. die
Anten. Denn bei einer Stütze hätte natürlich eine Umrahmung keinen
Sinn gehabt, Glatt sind auch die kurzen Anschlussmauern zwischen den
Anten und den Mauern, weil diese Flächen zu wenig Raum für eine
besondere Teilung boten. Bei jener Annahme einer Totalüberarbeitung
müsste man also voraussetzen, dass man gerade diese am meisten ver-
steckt liegenden Seitenstückchen, die doch am ehesten hätten zurückbleiben
können, zuerst und allein vollendet, dagegen die grossen Wände ver-
nachlässigt hätte. Im Gegenteil zeigen aber gerade diese Ecken, so
weit sie bestimmt waren, durch Statuenbasen [vgl. II, pag. 24 ] verdeckt
zu werden, den rauh vortretenden Werkzoll; ein Zeichen dessen, mit
welchem Bewusstsein und welcher Ökonomie sozusagen die einzelnen
Teile bearbeitet sind.

Eine gleiche Erscheinung bietet auch die Fünftorwand. Die schmalen
Pfeiler gestatten keine Umrahmung; diese hätte sich höchstens auf zwei
unregelmässige Flächen oberhalb der Seitentüren beschränken können.
Deshalb Hess man sie hier ganz fort und machte- die Oberfläche gleich-
massig glatt, so dass die Türantepagmente direkt anschliessen können.
Anders ist es an der Türwand der Pinakothek, hier ist das Motiv des
Wandsaums ganz besonders zur Sonderung der einzelnen Teile verwertet.
Die Türbekleidung griff über die erhabene Fläche über, innen wie aussen;
also konnte von einem beabsichtigten nachträglichen Abarbeiten hier gar
keine Rede mehr sein.

Die Inneneinrichtung der Pinakothek ist von jeher ein zweifelhafter
Punkt gewesen; man hat hier rauhe Flächen erkennen wollen zur Auf-
nahme von Putz für die Wandgemälde. Ich bemerke, dass die Behandlung
der Quadern in nichts von der sonst am Bau angewendeten abweicht;
hier wie dort erkennt man noch den leichten Schlag des Zahneisens, die
markierten Fugen und den glatten Saum, also nichts, was auf eine be-
sondere Herrichtung für den Verputz hinwiese. Bemerkenswert ist mü-
der schon erwähnte herumlaufende dunkelfarbige Streifen; unterhalb des-
selben hat das Wandstück keine Umrahmung. Es könnte dieses den
Gedanken hervorrufen, als hätte jene obere Fläche noch in besonderer Weise
zur Aufnahme von Putz bezüglich Malerei hergerichtet werden sollen,
was jedoch unterblieben ist. Von irgend welcher Vorrichtung, wie Löcher
zum Aufhängen von Bildern ist absolut nichts wahrzunehmen; solche
Spuren hätten nicht verwischt werden können, da die Wände ja durch
den mittelalterlichen Putz ziemlich gut konserviert sind. Da also Wand-
gemälde und direktes Aufhängen von Bildern an den Wänden ausge-
schlossen ist, so werden wir nur an eine Aufstellung von Tafelbildern
vermittelst eines besonderen Rahmwerks denken können. Wäre der antike
Fussbodcn nicht so vollständig verschwunden, würden sich sicherlich Spuren
davon nachweisen lassen.

Was von den Mauern gesagt, gilt ähnlich auch für die Stufen.
Auch hier fand man Gefallen an der Unterschneidung in der Erzielung'
einer vorteilhaften Schattenwirkung. Bei der Schwelle der Fünftorwand
aus eleusinischem Marmor, wo bei dem Zusammentreten des verschieden-
farbigen Materials eine solche nicht notwendig war, markierte man wenigstens
diese Unterschneidung durch eine leichte Linie, also ein sicheres Zeichen
nicht der mangelnden Vollendung, sondern des beabsichtigten Zweckes.
Sehen wir uns auch spätere Monumente an, z. B. den Niketempel, der doch

gewiss vollendet, aber den gleichen Stufeneinschnitt zeigt, und in weiterer
Folge das Philippeion in Olympia, wo die Profilierung eine doppelte und
das Motiv des Werkzolls in selbständiger Teilung dekorativ verwendet ist.

Ferner der Fussboden; hier wird die Frage am schwierigsten; man
nimmt ja gleichfalls eirte Vertiefung bis auf die durch die Säulen gegebene
Lehre an. Sicher sollte zunächst die feine rauhe Werkschicht, welche
auf dem Paviment liegt, entfernt werden. Sollte aber dann die ganze
Fläche einer nochmaligen stärkeren Überarbeitung unterworfen werden!
Sämmtliche Stützen, Säulen wie Anten, stehen auf einer besonderen
Bettung, aber ihre Form ist verschieden; bei den Anten folgt sie dem
Kontur derselben, bei den Säulen der Flügelbauten bildet sie einen Kreis,
in der Mittelhalle ein Quadrat, so dass hier die Stylobatplinthe nur einen
schmalen, aber sauber gearbeiteten erhabenen Rand hat. Bei allen frei-
stehenden Stützen ist letzterer durch einen kleinen in der Axe liegenden
Einschnitt unterbrochen. Bei den grossen Säulen führt derselbe nach
aussen, ebenso bei dem Pfeiler in der Westfront des Südflügels, aber
an den kleinen Säulen daselbst nach innen. An dem Nordflügel lässt
sich wegen der Zerstörung nichts konstatieren. Welchen Zweck aber
hatte dieser Einschnitt? Dass er nicht ein Kanal zum Ableiten des Regen-
wassers sein kann, wie mehrfach behauptet worden, ist klar. Denn warum
fehlt derselbe an allen Anten, selbst wo sie nach aussen liegen, warum
führt er im Südflügel nach dem Innern hinein, wo doch an Abfluss
nicht zu denken ist? Ebenso wenig kann ich aber als Grund die Nor-
mierung eines Horizontalstichmaasses ansehen, denn was sollte dieses
kleine scharf ausgeschnittene Stück neben der grossen genau bearbeiteten
Säulenbettung, die ja allein den gedachten Zweck vollständig erfüllen
würde. Und warum, kann man auch hierbei fragen, haben die Anten
und die mittleren ionischen Säulen dann nicht auch diesen Einschnitt?
Ebensowenig kann dieses mit der hindurchgehenden Verlängerung des
Kreuzschnitts, den wir gleich erwähnen werden, zusammenhängen, da
dieser an den anderen Seiten einfach über den erhabenen Rand fortläuft,
also nicht einseitig eine besondere Vertiefung nötig hätte. Ich werfe nur
alle diese Fragen auf, von denen mir aber keine diese Erscheinung ge-
nügend erklären kann, ohne jedoch selbst einen triftigen Grund für das
Vorhandensein anführen zu können.

Die Bettungen für die umlaufende Bank, sowie für die Statuen
sind bereits früher besprochen worden.

Es erübrigt noch, über die Aufstellung der Säulen zu sprechen.
Ihr Auflager auf der Stylobatplinthe ist durch einen eingeritzten Kreuz-
schnitt fixiert, der sich bis an die Plinthenränder ausdehnt und fast durch-
weg noch erhalten hat; um diesen ist dann ein Kreis geschlagen, welcher
genau den unteren Durchmesser angiebt, in dem die Spitzen sämmtlicher
Stege liegen. Dieses gilt für die grossen, wie für die kleinen Säulen.
Auf dieser Bettung sass die unterste Trommel glatt auf, ohne irgend
einen Spitzdübel; den Beweis hierfür liefern die beiden freien Lehren
am Südflügel, auch hätte sonst nicht die ganze Nordsäule des östlichen
Hexastyls auf dem Stylobat verschoben werden können. Dass die Be-
rührungsflächen sämmtlicher Trommeln normal zu der geneigten Säulenaxe
sind, ist schon oben erwähnt. Zwischen ihnen bestand eine Verbindung
aus PIolz, genau in derselben Weise, wie wir es am Parthenon und
Theseion kennen'. In die sich berührenden Flächen ist je eine ent-
sprechende Vertiefung eingesenkt zur Aufnahme eines kubischen Holz-
körpers [vgl. die Darstellung der Trommelflächen Taf. XII u. XIII] mit
einem cylindr.isch geformten Loch in der Mitte, worin beiden gemein-
schaftlich ein entsprechender Rundzapfen eingriff; dieser sitzt in der oberen
Trommel fest, während er in dem unteren Holzlager spielen kann.
C. Bötticher fand bei den Parthenonsäulen an dieser Stelle Minium, stark
gebunden, und nimmt an, dass dasselbe zur Verkittung des Holzes mit
dem Marmor gedient habe; ebenso sah auch Dodwell2 bei den Propyläen
an dem Cylinderzapfen rote Farbe. Es ist nun klar, dass dieser hölzerne
Zapfen nicht zur Befestigung gedient hat, sondern nur bestimmt war,
eine Führungsaxe für die Manipulation des Aufeinanderreibens beider
Flächen zu sein, die ja in der Mitte vertieft sind, und nur an den Rändern

Vgl. Bötticher, Untersuchungen pp. pag. 161, pag. 184/85.
A. a. O., pag. 115 f.
 
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