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Braun, Joseph
Praktische Paramentenkunde — Freiburg i. Br., 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2048#0023
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vorführt. Alles dies darf höchstens angedeutet werden.
Es heißt die Natur eines Gewebes vollständig ver-
kennen, wenn man Gewebemuster nach Art eines Ge-
mäldes oder einer Zeichnung behandelt. Solche Muster
entbehren der erforderlichen Ruhe.

f) Die Musterung eines Stoffes, der kirch-
lichen Zwecken dient, soll Stil haben. Wir
wollen sagen, sie müsse einen bestimmt ausgeprägten
Formcharakter besitzen, der von den dargestellten
Dingen nur das Allgemeine und Typische benützt und
selbst dieses seiner alltäglichen Wirklichkeit entkleidet
und nach den Gesetzen der Harmonie, des Ebenmaßes,
der rhythmischen Bewegung usw. umgestaltet. Glän-
zende Beispiele stilvoller Gewebemuster bieten die
mittelalterlichen Stoffe in fast unerschöpflicher Fülle.
Den Gegensatz zur stilisierten Musterung bildet die
naturalistische, bei welcher die das Muster bildenden
Motive, z. B. Blumen, Früchte, Bukette, Girlanden,
Tiere in ihrer natürlichen Erscheinungsweise und ohne
jede Umformung verwendet sind. Sie wurde auf Para-
mentenstoffen erst zur Verfallzeit des guten Geschmacks
beliebt.

g) Ein letzter Punkt, auf den es bei der Muste-
rung ankommt, ist eine entschiedene, aber har-
monische Farbenwirkung. Muster und Grund
müssen sich nicht bloß hinsichtlich der Zeichnung,
sondern auch hinsichtlich der Farbengebung klar und
bestimmt voneinander abheben. Niemals dürfen sie
aber in grellem, das Auge beleidigenden Kontrast zu-
einander stehen. Auch in dieser Beziehung sind die
mittelalterlichen Gewebe durchweg mustergültig. Was
wir an ihnen immer wieder bewundern, ist nicht bloß
der ausgesuchte Geschmack in Bezug auf ebenmäßige
Füllung des Grundes, die durchsichtige Zeichnung und
die bestimmte Formsprache, sondern ebensosehr die
ruhige harmonische Färbung, obschon vielfach nur zwei
Farben, eine für den Grund und eine für die Muste-
rung, angewandt sind.

5. Qualität der Paramentenstoffe. Die Güte eines
Stoffes hängt von der Qualität des zu demselben
verwendeten Rohmaterials, der Wert außer von dem
Material auch noch von der mehr oder weniger ver-
wickelten, mühevollen und kunstreichen Herstellungs-
weise ab. Je dichter das Gewebe ist, je mehr Fäden
bei ihm auf einen Quadratzentimeter der Breite und
Höhe nach kommen, um so solider ist es.

Für Festtagsparamente verwende man nur bessere
Stoffe. Ermöglichen es die Mittel, so kaufe man die
besten. Für das Haus des Herrn und den Dienst des
Allerhöchsten ist auch das Kostbarste noch zu gering.
Die Alltagsparamente stelle man aus einfachen Stoffen
her. Man wird dann um so leichter die Mittel flüssig
machen können, welche die Beschaffung reicher Fest-
tagsornate ermöglichen.

Solid müssen allerdings auch die gewöhnlichen Para-
mente sein. Schlechtes, minderwertiges Zeug halte
man von dem Paramentenschrank um jeden Preis fern.
Das verlangt die Rücksicht auf den erhabenen Zweck,
dem die Paramente dienen. Das erheischt zudem
die Rücksicht auf den eigenen Vorteil. Gute Stoffe
sind auf die Dauer die billigsten, weil die haltbar-
sten. Was kann es frommen, wenn ein Meßgewand
schon nach Verlauf von zwei oder drei Jahren so ab-
geschabt, brüchig, abgetragen und verschlissen aus-
sieht, daß es zu weiterer Verwendung untauglich ge-
worden ist!

In Kirchen, in welchen der Verbrauch an Para-
menten ein größerer ist, empfiehlt es sich, von den
gewöhnlichen Meßgewändern allemal ein Paar aus
demselben Stoffe herstellen zu lassen. Bekanntlich ver-
derben die Kasein am ehesten und am meisten auf der
Vorderseite, während die Rückseite nur sehr wenig
leidet. Hat man nun zwei Kasein von demselben
Zeug, so kann man nach Verschleiß der Vorderseiten
die Rückseiten ohne Schwierigkeit zu einer neuen noch
lange brauchbaren Kasel umarbeiten.

ZWEITES KAPITEL.

DIE AUSSTATTUNG DER PARAMENTE.

1. Die Ausstattung der Paramente im allgemeinen.

Es ist von alters her Brauch gewesen, den Paramenten
eine würdige Ausstattung zu geben. Man versah
sie zu dem Behufe mit Besätzen, umsäumte sie mit
Einfassungsborden und fügte, wie es am Platz
war, den Säumen Fransen, Quasten und später
auch Spitzen an. In manchen Fällen ging man selbst
so weit, das ganze Parament mit den herrlichsten
Bildstickereien zu überziehen. Zeugen davon sind die
zahlreichen, mit dem edelsten Figurenwerk überstickten
Kasein, Dalmatiken, Antependien, Pluvialien usw., die
sich aus dein Mittelalter erhalten haben. In welchem
Umfange insbesondere die Bildstickerei zur Aus-

schmückung der Paramente verwendet wurde, ersehen
wir am besten aus den vielen dem 13., 14. und 15. Jahr-
hundert entstammenden Prachtpluvialien, die mit figür-
lichen Darstellungen, einzelnen Heiligen oder ganzen
Szenen, in der kunstreichsten und edelsten Weise von
oben bis unten bestickt sind (s. Titelbild). Natürlich
wurden nicht alle Paramente so behandelt. Man rich-
tete sich nach ihrem Zweck und Charakter, nach den
Umständen von Ort und Zeit, nach den zu Gebote
stehenden Mitteln und den vorhandenen künstlerischen
Kräften.

Was wir an der mittelalterlichen Verzierungsweise
der liturgischen Gqwänder und sonstigen Paramente
 
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