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Brugsch, Heinrich
Reise nach der grossen Oase El Khargeh in der libyschen Wüste: Beschreibung ihrer Denkmäler — Leipzig, 1878

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https://doi.org/10.11588/diglit.3991#0021
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15

IV.
Ausflug nach den Ruinen in der Mhe der Stadt El-Khargeh.

Am Morgen des 28. Januar galt unser erster Ausflug den Tempelresten in der Nähe der
Stadt. Ein junger Oasit, welcher sich uns vorstellte, in die übliche Landestracht gehüllt:
weissen baumwollenen hemdartigen Kock, kurze Beinkleider von selbem Stoffe und Farbe, über
die Schulter geschlagen das braune kameelhärene Manteltuch, weisse baumwollene Mütze auf
dem Haupte, — sollte als Wegführer dienen. Seiner hohen Aufgabe sich bewusst, gab er in
seinem Gespräche das Wort Akropolis zum Besten und damit wusste ich woran ich mit ihm
war. Wie mich einst auf der Insel Capri ein neapolitanischer Knabe mit dem deutschen Liede
ansang: „Sah ein Knab' ein Rösleiu stehen" und dadurch seine Bekanntschaft mit deutschen
Malern hinreichend documentirte, so war mir das griechische Wort Akropolis im Munde des
jungen Oasiten ein deutlicher Fingerzeig für seine ehemalige Verbindung mit irgend einem
klassisch gebildeten Eeisenden, der sich auch schliesslich als Dr. Schweinfurth entpuppte.
Unsere gegenseitige Bekanntschaft ward hierdurch für die Folge besiegelt und ich hatte mich
thatsächlich über den Eifer und die Ortskenntniss meines jungen Oasen-Freundes nicht zu
beklagen, der unbewusst aus eiuer aufgeschnappten Nekropolis sich selber die für ihn leichter
auszusprechende Akropolis geschaffen hatte. Unser nächstes Ziel galt dem grossen Tempel
von El-Khargeh, etwa eine gute Wegstunde in nordöstlicher Richtung von der modernen
Stadt gelegen. Die Strasse führte über ausgetretene Rinnsale und neben sorgfältig eingehegten
Gärten zu einem freien Platze, in welchem domartige Kuppelbauten mit weissem Anstrich, zu
Ehren verstorbener Schechs aufgeführt, und mit Palmzweigen bedeckte Gräberhügel aus weiss
betüucliten Lehmziegeln die Anwesenheit der Todtenstadt von El-Khargeh bekunden. An
prächtigen Palinenanpflanzungen vorüberziehend, nimmt der sandige und sohnige Weg seine
Richtung nach Nadurah zu. Kleine dichte Anpflanzungen zur rechten Haud, nach Osten
hin, bezeichnen jedesmal die Anwesenheit einer Quelle und erfreuen in der angenehmsten
Weise das Auge durch ihren erfrischenden Anblick. Ein blauer wolkenloser Himmel wölbt
sich über uns und lässt uns vergessen, dass wir uns gegen Ende des Wintermonates Januar
befinden. Wir ziehen an dem letzten Palmenwalde vorüber, überspringen ein breites Rinnsal
und plötzlich zeigt sich unsern überraschten Blicken der grosse Tempel der Oase, welchen
niedriges Buschwerk und hohe Palmenkronen bisher unserem Auge entzogen hatten.

Ich muss offen bekennen, dass wenige, wenn auch grössere und prachtvollere Bauten des
Alterthums einen so günstigen und angenehmen Eindruck auf mich erzeugt haben als grade
dieses Heiligthum der Oase. War es ja der Mühe Lohn nach langem beschwerlichen Ritte
durch die Wüste und haftete ihm doch jener unwiderstehliche Reiz an, welchen selten gesehene,
weil schwer zugängliche Werke der Vorzeit auf unsere Einbildung ausüben. Ich empfand
bei seinem Anblick ein ähnliches Vergnügen wie bei meinem Besuche der Tempel von Per-
sepolis und des Grabmales des grossen Cyrus in den wildesten Gebirgslandschaften im mittäg-
lichen Persien, nur mit dem Unterschiede, dass ich damals vor unverstandenen räthselhaften
Schriftzeichen, diesmal vor bekannten Hieroglyphen stand.

Der Tempel gehört mit zu den wohlerhaltensten Resten der vorchristlichen Geschichte
Aegyptens, wenngleich kein Pharao sein erster Bauherr war. Aus röthlich schimmernden Sand-
steinblöcken aufgeführt, welche aus den Steinbrüchen der unteren nubischen Landschaften den
weiten Weg bis an Ort und Stelle transportirt waren (ich berufe mich dabei auf Prof. Zittel's
 
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