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Burckhardt, Jacob; Bode, Wilhelm
Der Cicerone: eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens (Band 1): Antike Kunst — Leipzig, 1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.17367#0095
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Die Masse und ihr Inhalt.

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altgriechischer Künstler, sondern aus Werken der römischen Zeit vom
letzten Jahrhundert der Republik abwärts. Zum Theil sind es Original-
arbeiten der betreffenden Zeit, wie z. B. die Bildnissstatuen und Brust-
bilder von Römern, die Bildwerke der Triumphbogen, Grabmäler und
Ehrensäulen u. s. w.; in weit überwiegender Masse aber finden sich
die Wiederholungen älterer idealer Typen und Motive, meist von
griechischer Erfindung, sowie Copien im eigentlichen Sinne des
Wortes. Die ausführenden Künstler selbst sind fast sämmtlich un-
bekannt, doch giebt man sich gerne der Vermuthung hin, dass bis
tief in die Kaiserzeit hinein eine treffliche Colonie griechischer Sculp-
toren in Rom und Italien geblüht habe. Immerhin müssen wir uns
darein fügen, aus der Blüthezeit der griechischen Cultur eine Menge
blosser Künstlernamen fast ohne Denkmäler, aus den letzten Zeiten
des Alterthums dagegen eine gewaltige Menge von Denkmälern fast
ohne Künstlernamen zu kennen. — Der Unterschied zwischen griechi-
scher und römischer Kunst wird, wie aus dem Gesagten erhellt, zwar
im Ganzen sehr bemerklich, an dem einzelnen Denkmal aber nicht
immer leicht nachzuweisen sein. Namentlich lassen die populären
Unterscheidungen, z. B. geringe Erhebung und ungleicher Grund für
griechische, starke Rundung und gleicher Grund für römische Reliefs,
oft im Stich. — Für die Menge der Copien (bei deren Herstellung
das Verfahren der modernen Bildhauer im Abmessen der hervor-
ragenden Punkte, das „Punktiren", nachweislich öfter im Gebrauch
war) sei angeführt, dass sich vom Praxitelischen Satyr über sechzig
Repliken erhalten haben.

Die ehemalige Bestimmung und Aufstellung dieser Bildwerke
war eine sehr verschiedene und entsprach wohl im Ganzen ihrem
Werthe oder ihrer äussern Beschaffenheit. Die Colossalstatue gehörte
in grössere Tempelräume (Olympia, Parthenon) oder in römische Co-
lossalbauten (Theater, Amphitheater, Circus, Thermen) oder ins Freie,
wo sie sich herrschend selbst zwischen mächtigen Bauten geltend
machen konnte. Selten kommen eigentliche Cultusbilder vor, wäh-
rend der übrige Schmuck der Tempel, die Reliefs ihrer Friese, die
Statuen ihrer Giebel und Portiken in Menge übrig geblieben sind.
Die Bildnisse stammen wohl aus Vorhallen und Bibliotheken der
Reichen und Vornehmen, zum Theil auch von öffentlichen Plätzen,
während das ganze Privathaus und die Villa des Wohlhabenden noch
ausserdem reiche Fundorte von Göttern, Heroen, Brunnenfiguren und
andern idealen Gestalten geworden sind. Bei Altären und Sarko-
phagen ergiebt sich die Herkunft schon aus der Bestimmung; mar-
morne Candelaber und Vasen mochten ebensowohl zu heiligem Ge-
brauch in Tempeln als zur Zierde in Palästen dienen; Hermen stan-
den wohl meist im Freien, namentlich in Gärten oder auch vor den
Burckhardt, Cicerone. 5. Aufl. I. Theil. 5
 
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