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Burckhardt, Jacob; Bode, Wilhelm
Der Cicerone: eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens (Band 1): Antike Kunst — Leipzig, 1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.17367#0143
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Weibliche Gewandstatuen.

1 IM

für Bildnisse theils der altern, theils der jüngern Agrippina er-
klärt: Museo Capitolino, Zimmer der Kaiser; Villa Albani.
untere Halle des Palastes; wozu als Ergänzung die bejahrte Sitzende
mit verschlungenen Händen gehört, Museum von Neapel, 3. Gang1).
Wenn es nun misslich bleibt, physiognomisch Partei zu nehmen für
Bilder, welche entweder eine der tugendhaftesten oder eine der
lasterhaftesten Römerinnen darstellen — und beide Taufen sind un-
sicher! —, so haben wir doch jedenfalls denjenigen allgemeinen Typus
vor uns, in welchem sich die grossen Damen des Tacitus und Juvenal
mit Vorliebe abbilden Hessen. Das bequeme Anflennen auf den Sessel,
die schöne Entwickelung der schönen Glieder, die sich dabei ergiebt,
mussten dieses Motiv sehr in Gunst setzen. Es ist aber jedenfalls
griechisch, nicht römisch der Erfindung nach. Freilich scheinen diese
Statuen nur gut, bis man die sitzenden Frauen der Parthenonischen
Giebel (Abgüsse in der Gyps-Sammlung der Accademia di San Luca,
Palazzo Gregorio, Ripetta und der französischen Akademie, Rom)
damit vergleicht. Mit welch' anderm Lebensgefühl ffiessen hier die
leichten Gewänder über die göttlichen Gestalten!

Eine sehr eigenthümlich und gut gedachte sitzende Spätrömerin
müssen wir indess hier noch erwähnen. Man sieht in der obern
Galerie des Capitolinischen Museums eine ganz eingehüllte Ge-
stalt, mit der verhüllten Rechten das Gewand an das Kinn ziehend,
die offene Linke unterschlagend. Die Statue soll Julia Maesa vorstellen,
die Grossmutter der ungleichen Vettern Elagabal und Alexander Se-
verus. Ueber den Ausdruck tiefen Sinnens in Haupt und Stellung
vergisst der Beschauer gerne die nur mittelmässige Ausführung.

Ebenfalls Kaiserinnen scheinen dargestellt in den sog. Vesta-
linnen der Loggia de' Lanzi in Florenz. Vier derselben (von
der offenen Seite des Gebäudes an gerechnet 2, 4, 5 und 6) zeigen
das grandiose Motiv eines Obermantels, der von der rechten Schulter
schief herab gegen das linke Knie, und mit seinem aufgenommenen
Ende über den linken Arm geht; darunter das ärmellose Brustkleid,
und das an den Hüften aufgenommene Unterkleid, dessen Bauschen
wieder auf die Schenkel herabfallen. Die Stellung ist in jeder dieser
colossalen Figuren besonders nuancirt, die Behandlung für die wahr-
scheinlich späte Zeit vorzüglich.

Auch die einfache griechische Idealgewandung wurde um ihrer
Schönheit willen noch lange, und nicht bloss bei Göttinnen repro-
ducirt. Es ist ein schlichtes langes Kleid, über den Hüften meist so
gegürtet, dass etwas herabhängende Bauschen über dem Gürtel ent-
stehen; dann ein Oberkleid, auf den Schultern geheftet und zu beiden

1) Zwei Agrippinenstatuen von untergeordneter Arbeit in den Uffizien
zu Florenz (Anfang des ersten Ganges).

Burckhardt, Cicerone. 5. Aufl. I. Theil. 8
 
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