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Burckhardt, Jacob; Bode, Wilhelm
Der Cicerone: eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens (Band 1): Antike Kunst — Leipzig, 1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.17367#0159
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Der Thiasos. Meergottheiten.

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aufwärts gerichtet; ihr offener Mund und ihr Hals sind lauter Schluck
und Druck. Dieses derbe Genrebild darf man nicht in den bacchischen
Kreis rechnen; doch giebt es in der Villa Albani sogar eine Pa- a
nisca; Centaurinnen und weibliche Satyrn kommen in pompejanischen
Gemälden und Bronzen und auf Sarkophagreliefs vor.

Alle diese Gestalten sind nun immer nur Bruchstücke eines
grossen Ganzen, welches die Phantasie aus ihnen und aus den Reliefs
und Gemälden, auch wohl aus den Schilderungen der Dichter müh-
sam wieder zusammensetzen muss. Allerdings so wie Skopas und
Praxiteles den bacchischen Zug im Geiste an sich vorbeigehen sahen,
so wird ihn weder die Combination des Künstlers, noch die des
Forschers je wieder herstellen.

Noch die spätere griechische Kunst wurde nicht müde, diesen
Gestaltenkreis mit neuen Scenen und Motiven zu bereichern. Als
die Griechen den Orient erobert hatten, symbolisirten sie ihre eigene
That, indem sie Dionysos als den Eroberer von Indien und seinen
Zug als einen Triumphzug darstellten, in welchem gefangene Könige
des Ostens, Wagen voller Schätze und asiatische Zugthiere mit ab-
gebildet wurden. Unermüdlich wurden bacchische Opfer, Gastmahle,
Feste, Tänze u. s. w. von Neuem variirt, und die ganze Decoration
von Häusern und Gerätben vollkommen mit bacchischen Gegen-
ständen und Sinnbildern durchdrungen.

Nun die merkwürdige Parallele zu diesem bacchischen Ge-
staltenkreis.

Schon bei Anlass des Poseidon wurde angedeutet, wie die alte
Kunst das Element der Fluth von seiner trüben, zornigen Seite aus
symbolisirte. Allerdings bildete sich später der Zug der Meergott-
heiten nach dem Vorbilde des Bacchuszuges zu einem rauschenden,
selbst theilweise fröhlichen Ganzen um, (wahrscheinlich in Folge einer
berühmten Arbeit des Skopas), und die Tritonen entlehnen von
den Satyrn die Ohren, von den Centauren die pferdeartigen Vorder-
füsse, welche ihrem Oberleib erst die rechte Basis im Verhältniss
zum Fischschwanze geben. Allein der Triton, selbst der ganz jugend-
liche, behält doch meist einen trüb-leidenschaftlichen Ausdruck, der
sich in den tiefliegenden Augen, den eigenthümlich geschärften und
gebogenen Augenbrauen, dem schönen aber gewaltsam zuckenden
Mund und in der gefurchten Stirn offenbart. So der grossartige
. vaticanische Tritontorso (Galleria delle Statue). Ganz in derb
Nähe (Saal der Thiere) steht die wohlerhaltene Gruppe eines Tritons, c
welcher eine Nereide entführt, mit Amorinen auf dem Schweif, vor-
trefflich erfunden, aber von sehr ungleicher Ausführung. Hier ist
das Profil des Halses zu einer Art von Halsflosse geschärft, welche

Burckhardt, Cicerone. 5. Aufl. I. Theil. 9
 
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