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Bötticher, Carl
Programm zum Winckelmannsfeste der Archäologischen Gesellschaft zu Berlin (Band 19): Der Omphalos des Zeus zu Delphi — Berlin, 1859

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https://doi.org/10.11588/diglit.702#0003
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DER OMPHALOS DES ZEUS ZU DELPHI.

»Var das Gedenkblatt zum Tage unsres Winckelrnann im verwichenen Jahre
der Erklärung sehr heiliger aber mystischer Cultusmale geweiht die, profanem Auge
entrükkt, das Adyton des Delphischen Gottes verbarg, so möge die heutige Festgabe
ein ergänzendes Gegenbild zum vorjährigen in einem Cultusmale vorführen welches,
obwohl das heiligste Mal derselben Stätte und der eigentliche Grundstein ihrer Stif-
tung, dennoch zugänglich und jedem Auge schaubar gewesen, auch von der gesamm-
ten Hellenwelt mehr gekannt und genannt worden ist als irgend ein Gottesmal ir-
gend eines anderen Heiligthumes der Alten. Das ist der hochberühmte und Sagen-
reiche, nach seiner theologischen Bedeutung tief in das religiöse Leben und die mensch-
lich sittliche Entwikkelung des Hellenenvolkes eingreifende Omphalos des Zeus
zu Delphi.

Jedoch nicht blos nach theologischer Seite hin ist dieses denkwürdige Cultus-
mal ein Spiegel der Erkenntniss, es übt zugleich einen bedeutsamen Einfluss auf
die Kunstformen der Architektonik, indem es vorbedingend und gestaltend auf
die räumlich bauliche Einrichtung der Cella des ersten Apollinischen Tempels aus
Steinbau einwirkt, und den Ort wie die metrische Ausdehnung derselben bestimmt.
Deswegen kann aus seiner Erklärung ein neuer Bewreis geliefert werden wie die Tem-
pelanlage der Hellenen in ihrer Einrichtung und wesentlichen Bestimmung, mit ih-
ren heiligen Malzeichen und Bildwerken, einzig und allein nur durch Erkundung
der Sacra und Riten der von ihr bewohnten Gottheit zu erklären, wie in den Sacris
der Schlüssel zu den Bildwerken, in den Bildwerken der Commentar zu dem archi-
tektonischen Gehäuse gegeben sei.

1. Der Omphalos zu Delphi ist eines jener Gottesmale an welche sich die wun- Die Bedeu-
dervollste Sage knüpft die aus dem religiösen Bewustsein der Pelasgischen Hellenen tnn§ des
an das Licht getreten ist; die Sage von dem Bunde des Friedens und der Versöh-
nung welchen Zeus mit den Menschen geschlossen, von seiner Offenbarung auf Er-
den als höchster Lenker menschlichen Geschikkes in vollster göttlicher Barmherzigkeit.
Es war das erste Zeichen der Gnade des versöhnten Gottes nach jener strafen-
en Fluth welche die Alten schon als eine Lustration der ganzen Erde betrachtet
haben1), dass er sich heilige Sitze auf der von Sünden gereinigten Erde gründete,
um unter den Menschen zu wohnen. Diese Sitze bestimmt er durch Vogelzeichen;

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