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Curtius, Ernst
Programm zum Winckelmannsfeste der Archäologischen Gesellschaft zu Berlin (Band 29): Die knieenden Figuren der altgriechischen Kunst — Berlin, 1869

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https://doi.org/10.11588/diglit.712#0003
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DIE KNIEENDEN FIGUREN
DER ALTGRIECHISCHEN KUNST.

Wenn es schon für ein sicheres Verständniss der alten Autoren nöthig ist, dass
wir die conventioneilen Wendungen der Sprache kennen und sie von denjenigen
Wortverbindungen zu unterscheiden wissen, welche dem einzelnen Schriftsteller
eigenthümlich sind: so ist die entsprechende Forderung für das Verständniss der
bildenden Kunst von ungleich höherer Bedeutung. Denn hier ist des Gegebenen
und Herkömmlichen noch viel mehr, als in der Litteratur.

Den durch den Gebrauch gegebenen Ausdruck eines Gedankens nannten die
Griechen Gyrata und bezeichneten damit ebensowohl die typisch gewordenen Aus-
drucksweisen von Malern und Bildhauern (z. B. oxqua avuo/isvov bei Pausanias X,
31), wie die formelhaften Ausdrücke der Sprache (Thuk. VIII, 89). Die Behand-
lung der ersteren können wir die archäologische Schematologie nennen, welche
einen wichtigen und noch über Gebühr vernachlässigten Zweig unserer Wissen-
schaft bildet.

Zu den Typen, welche in den Kreis dieser Betrachtung fallen, gehört auch der
des Knieens, und zwar müssen wir, um uns vor Missverständnissen zu hüten,
welche in Betreff wichtiger Kunstdarstellungen bis in die neueste Zeit geherrscht
haben, die scheinbar von den wirklich knieenden Figuren unterscheiden.

Was die letzteren betrifft, so stellen sie in Gruppen und Einzelgestalten den
Zustand körperlicher und geistiger Erschöpfung, der Bestürzung und Demüthigung
dar. So sehen wir auf der Dareiosvase die tributpflichtigen Gemeinden in zittern-
der Unterwürfigkeit vor dem königlichen Zahlmeister, so auf Spiegelzeichnungen
Aktaion und den überwundenenAmykos in die Kniee sinken (Gerhard Taf. CCCLin,
CCCLVII); so liegt Dryas gnadeflehend vor dem rasenden Lykurgos (Müller-
Wieseler ü, 440), ebenso der sogenannte Niobide der Glyptothek, in welchem
ich den durch den nahenden Adler bestürzten Ganymedes zu erkennen glaube.
 
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