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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 10.1918

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Heft 21/22
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Uhde-Bernays, Hermann: Die Entwicklung der Impressionistischen Kunst in Deutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.24428#0353
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DIE ENTWICKLUNG DER IMPRESSIO-
NISTISCHEN KUNST IN DEUTSCHLAND

(AUSSTELLUNG DEUTSCHER MALEREI IM 19. JAHRHUNDERT ZUR
FEIER DES 100. GESCHÄFTSJUBILÄUMS DER ARNOLDS CHEN KUNST-
HANDLUNG IN DRESDEN) Von HERMANN UHDE-BERNÄYS

Mit 14 Abbildungen „Äm farb-gCn Abglanz haben wir das Leben.“

• Fau|t II.

Ihre jugendliche Eigenart als eine der jüngften Wiffenfchaften bewährt die Kunft-
gefchidite nicht zu ihrem Vorteil, indem pe in auffälliger Weife Schlagworte anzu-
wenden liebt, die gegen ihre urfprünglidie Bedeutung auf Begriffe übertragen werden,
welche unter anderen logifchen Vorausfefeungen zum Entftehen gelangten. So find Aus-
drücke wie etwa „akademifch“ oder „monumental“, zumeift ohne jede Überlegung
hingefprochen, faft immer einer für oberpächliche Betrachtung bequemen Umnebelung
zugehörig, die Klarheit und Kern des künftlerifchen Werkes vernichtet. Bedenklicher
noch erfcheinen Gebrauch, Auslegung und Ausdehnung einer Bezeichnung, die, als
Spottname geprägt, Überfchrift geworden ift für die ftärkfte fortfchrittliche Erhebung
der Kunft des 19. Jahrhunderts, vielleicht überhaupt in der künftlerifchen Entwicklung
der Neuzeit die mächtigfte Bewegung, deren Leben und Welt, ja nunmehr mit Recht
fogar politifche Verhältniffe umfaffende Ausdeutung unbekümmert um hiftorifche Gefetje
bis zur fernften Vergangenheit ftolze Ahnenreihen aufftellt, der Impreffionismus.
Jener Jakob Burkhardt der Zukunft, der unferen Enkeln einmal die Kulturgefdiichte des
Imprefponismus fchreiben wird, mag die vielfältige Verfchlingung der Fäden anders be-
trachten als wir, mag den tiefen Sinn des Phänomens anders erklären als wir, die in feinem
Banne wuchfen, und die wir unfere ganze Exiftenz, äußerlich und innerlich, um bei dem
Worte zu bleiben, impreffioniftifdhen Gefejjen zu danken überzeugt find, wie Goethe lehrt:

„Müffet im Naturbetrachten
Immer eins wie alles achten;

Nichts ift drinnen, nichts ift draußen
Denn was innen, das ift außen.

So ergreifet ohne Säumnis
Heilig öffentlich Geheimnis!“

Demnach wird der neu ans Licht gehobenen Weltanfchauung der Name bleiben
dürfen, der für die wiffenfchaftliche Fachunterfuchung nicht tauglich erfcheint, bei deffen
Anwendung zum mindeften gefordert werden muß, daß mit ftarkem Nachdruck der
Unterfchied der treibenden Kräfte betont werde, die in Frankreich mehr objektiv, mit
Hervorhebung der technifchen Mittel, in Deutfchland mehr fubjektiv, unter entfeheiden-
dem Einßuß des Gefühls, Entftehung und Entwicklung des Imprefponismus bedingten.
Nur bei den Franzofen und denjenigen deutfehen Malern, die fich in Abhängigkeit von
ihnen begaben, kann man von einer impreffioniftifchen Reinkultur fprechen. Wobei
trotjdem in beiden Ländern das von Zolas Claude Lantin alfo formulierte Grundprinzip
unerfchütterlich und unveränderlich zu Recht befteht: „Ja, das Leben, das Leben! Es
fehen und in feiner Wahrheit wiedergeben, es darum zu lieben, in ihm die einzige
wirkliche, ewig bleibende und ewig wechfelnde Schönheit pnden ohne den törichten
Gedanken, es durch Verbefferung abzufchwächen, einfehen, daß das angebliche Häßliche
nur ein charakteriftifcher Vorzug ift, Leben geben, Menfchen fchaffen — das ift die
einzig mögliche Gottähnlichkeit.“

Der Cicerone, X. Jahrg., Heft 21/22

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